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Peter Klein und Rudi Stohl im Exklusivinterview:
"DAS kann man heute nicht mehr erleben!"

Teil 7 des Exklusiv-Interviews mit dem langjährigen ORF-Reporter Peter Klein: Die letzte Etappe - Dreiergespräch mit Rallye-Legende Rudi Stohl

Michael Noir Trawniczek
Fotos: Peter Klein privat

Ein bisschen kryptisch klang es, als Peter Klein eine Autobahnraststation als Treffpunkt für die letzte Etappe unseres Backstage-Gesprächs vorgeschlagen hatte. "Fahren Sie mir nach", sagte Peter Klein - gelandet sind wir im Garten einer wahren Rallye-Legende, eines großen Abenteurers. Auf der letzten Etappe, dem insgesamt 7. Teil des Gesprächs mit Peter Klein, setzt sich Rudi Stohl zu uns - auf einen "flotten Dreier"...

Rudi, nachträglich alles Gute zum 60. Geburtstag.

Rudi Stohl: Danke vielmals - aber daran bin ich ja unschuldig.

Schon klar. Wie ist das für dich, wenn du die Karriere von deinem Sohn Manfred verfolgst? Welche Zukunftschancen räumst du ihm ein? Wohin geht die Richtung?

Rudi Stohl: Die Richtung kann er nicht beeinflussen.

Glaubst du, dass es für Manfred möglich ist, in einem Werksteam ganz vorne mitzufahren?

Rudi Stohl: Wenn es nach seinen Leistungen geht, dann sehr wohl. Aber die Leistung spielt heute nicht die Hauptrolle. Das ist nicht anders als in Firmen - wenn du dort einen Chef sitzen hast, der dort nicht hingehört. Genauso sitzen heute Leute in Autos, die dort auch nicht hingehören. Und wenn das Produkt passt, kannst du heute den Dümmsten zum Chef machen - da kann man gar nicht so viel falsch machen, dass die Firma nicht funktioniert.

Meinst du, dass es im Rallyesport so ist, dass da nicht mehr die großen Kaliber drin sitzen?

Rudi Stohl: Sowohl als auch. Schnell fahren können heute fast alle.

Ist das Schnellfahren heute leichter?

Rudi Stohl: Du hast früher mehr und verschiedene Fähigkeiten aufbringen müssen. Du hast darüber nachdenken müssen, ob das Material das aushält. Früher war zum Beispiel ein Serienauto mit 100.000 Kilometern am Buckel alt, heute ist ein solches Auto gerade einmal eingefahren. Heute sind 400.000 Kilometer Gang und Gäbe. Ich habe es miterlebt, ich durfte 1987 für Audi Testfahrten in Kenia machen, mit dem 200er Quattro - wo jeder gesagt hat: 'Dieses Auto kannst du vergessen! Mit einer Direktionslimousine wollen die Rallye fahren!'

Mich hat damals der Walter Röhrl, mit dem ich befreundet war, gefragt, ob ich die Tests machen würde. Ich habe gesagt: 'Walter, liebend gerne, aber Audi hat ja eigene Testfahrer, die werden mich nicht nehmen.' Walter antwortete: 'Das lass meine Sorge sein! Ich frage dich nur, ob du es machen würdest.' Und ich sagte eben: 'Liebend gerne.'

Okay. Er hat sich durchgesetzt. Ich habe dann erst im Nachhinein verstanden, warum er zu mir gekommen ist. Da war zum Einen, dass er mich gekannt hat. Und normalerweise haben die immer heimische Testfahrer genommen. Leute aus Kenia. Topleute. Der Fahrer kennt das Land in- und auswendig, der passt sich den Gegebenheiten an.

Und dann kommt der Europäer, der einen ganz anderen Fahrstil hat - und bei dem hält das Material dann plötzlich nicht mehr. Und deshalb hat er mich gefragt, ob ich das machen möchte. Dann haben wir damit begonnen. Die haben 20.000 Kilometer am Prüfstand absolviert und sie haben gesagt: 'Dem Auto kann nichts mehr passieren, das ist einwandfrei.' Wir sind eine Runde gefahren von 40 Kilometern und es sind die Räder weg gehangen. Das wurde repariert. Die nächste Runde - wieder das Gleiche.

Ich habe dann am Abend mit dem Walter telefoniert und habe ihm berichtet, das Auto macht dieses und jenes. Ich wollte ihn auch fragen, ob gewisse Dinge, die aufgetreten sind, normal sind und so weiter. Daraufhin hat er gesagt: 'Du kannst mich jeden Abend anrufen und mich fragen wie es mir geht - aber so etwas brauchst du mich nicht mehr fragen! Wenn etwas nicht passt, wenn etwas nicht in Ordnung ist, sagst du es ihnen und das müssen sie ändern - so einfach ist das!'

Und dann hat auch der Ingenieur mit dem Sportchef telefoniert und hat ihm eben erzählt, dass da pausenlos etwas kaputt geht. Und der hat gemeint, dass ich schuld bin. Der hat mir dann gesagt: 'Der Chef meint, du bist schuld!' Da habe ich ihn angelacht und habe gesagt: 'Lass den Chef schön grüßen. Wenn er glaubt, die Herren Mikkola und Röhrl fahren langsamer als der Herr Stohl, dann kann er gleich daheim bleiben und Audi kann sich das Geld sparen.' Und das hat er ihm auch ausgerichtet.

Gut, ich war vorher nicht sein Freund und ich war es auch dann nicht mehr, und danach schon gar nicht. Aber er hat von meiner Connection zu Journalisten gewusst und so weiter. Und es hat dann kein böses Wort mehr gegeben - und mir war dann eigentlich alles egal, ich bin über alles drüber gefahren, über alle Steine, über alle Wellen - ich habe nur geschaut, dass ich das Auto nicht in den Graben werfe, damit es nicht kaputt geht und wir deshalb nicht weitermachen können. Alles andere war mir egal.

Du wollest das Auto eben standfest machen.

Rudi Stohl: Genau. Ich habe auch mitgearbeitet mit den Mechanikern - die haben repariert, da sind Rahmen abgerissen. Ich habe nachgedacht, was wir besser machen können, gewisse Teile haben wir verstärkt. Und sofort sind die Informationen nach Ingolstadt gegangen und dort sind sie sofort in die neuen Autos eingeflossen, die dort für die Rallye gebaut wurden. Und die Rallye wurde dann gewonnen - mit den Plätzen eins und zwei.

Und damals hat mir einer gesagt: 'Wenn es ein Problem am Auto gibt, dann ist das nicht dein Problem, das ist dem Ingenieur sein Problem.' Das war auch die Stärke des Herrn Piech. Der hat gesagt: 'Dieses Problem möchte ich nicht mehr hören - wenn Sie es nicht können, dann kommt der nächste.' Und das ist heute noch viel schlimmer ausgeprägt. Dem Fahrer ist das eigentlich egal. Wir mussten halt noch auf das Material aufpassen. Du hast keine anderen Möglichkeiten gehabt...

Habt ihr eigentlich, ganz am Anfang, noch Zwischengas geben müssen?

Rudi Stohl: Nein, das nicht. Aber man hat alles Mögliche machen müssen. Und wenn du etwas Bestimmtes getan hast, dann hast du gewusst: das machst du dreimal und dann fehlt dir aber das Rad. Du hast damals einen Mittelweg finden müssen zwischen schnellem Fahren und dem, was das Auto verträgt. Das Ohr immer am Auto - immer hinhören, was da im Auto passiert.

Und es waren ja auch die Wertungsprüfungen um einiges länger...

Peter Klein: Da würde ich sagen: das Berufsbild des Rallyefahrers hat sich dramatisch verändert. Nicht unbedingt zum Schlechten, um Gottes Willen - aber es ist anders geworden.

Rudi Stohl: In Afrika, das Schlammloch, wenn du dich erinnern kannst, Peter. Wo wir drinnen gesteckt sind. Ich komme hin, das war schon im Morgengrauen. Plötzlich ein Donner und ich denk mir: 'Was ist da los?' Dann seh' ich lauter Hubschrauber oben am Himmel. Wie die Bienen sind die herum geschwirrt. Die haben gerade noch aufsteigen können, weil es gerade so dämmrig geworden ist. Auf einmal habe ich gesehen: Da steckt der Herr Pierson. Und da ist der Herr Kankkunen. Und so weiter - überall ist jemand gesteckt.

Ich bin aber noch auf der Straße gestanden. Und ich sage zum Beifahrer: 'Schau mal was da vorne los ist, da ist ein Schlammloch - schau einmal nach, wie tief das ist.' Und der geht vor und schaut. Und ich denke mir: 'Nein, der sieht nichts!' Ich habe die Lage noch einmal grob sortiert - und es war ein Wahnsinn, was sich dort abgespielt hat, wie ein Krimi war das. Hubschrauber, Autos, Mofas, Schwarze kreuz und quer. Da ist ein Schwarzer gesteckt, da waren nur Schwarze rundherum, die wollten ihn am liebsten heraustragen. Ich habe dann einfach zurückgeschoben und bin eins, zwei, drei voll in das Schlammloch, bin mitten durchs Schlammloch - und mit dem letzten Zucken bin ich durchgekommen - und das war's. So hat man damals Entscheidungen getroffen.

Das genaue Gegenteil hatte ich einmal...

Peter Klein: Wie du dich beim Salonen eingeparkt hast?

Rudi Stohl: Genau. Eine lange Gerade, staubig - und ich fahre mit der Lada, was das Zeug hält. Und auf einmal, von einem Meter auf den anderen - Regen, Wolkenbruch. Es wird schlammig. Es wird dämmrig, es wird schon finster. Auf einmal sehe ich da vorne einen Haufen Lichter. Ich bremse runter, oder will runterbremsen - der Beifahrer sagt: 'Gib Gas!' Ich sage: 'Okay'.

Ich hätte stehenbleiben sollen, ich hätte aussteigen und mir das anschauen sollen. Dort sind bereits alle gesteckt. Der Herr Salonen, der Herr Röhrl, was weiß ich, alle möglichen sind dort gesteckt. Ich bin dann rein in den Schlamm und bin neben dem Herrn Salonen stecken geblieben. Und wenn du mit der Startnummer 23 neben dem Auto mit der Startnummer 2 steckst, denkst du dir: 'Leiwand, ich bin eh weit gekommen'. (Gelächter)

Aber weißt du, was ich meine? Wenn ich stehen geblieben wäre, wenn ich ausgestiegen wäre, wenn ich eine halbe Stunde dort spazieren gegangen wäre und mir alles angeschaut hätte, wo ich das Loch umfahren kann - dann wäre ich noch immer schneller gewesen. So bin ich zwei Stunden dort gesteckt. Das Auto war dann auch beleidigt, weil Dreck in der Lichtmaschine drin war. Die Kraft, die das gekostet hat - so viel, als ob du einen ganzen Tag gefahren wärst. Das Auto rausziehen mit der Seilwinde...

Peter Klein: Wobei, da ist es zwar nicht so schlimm wie bei der Safari-Rallye, aber du kannst in Argentinien auch nicht durch jedes Wasserloch durchhämmern, wie wir wissen. Aber das sind Kleinigkeiten im Vergleich dazu. Und das muss jetzt nicht unbedingt Safari gewesen sein. Ich kann mich erinnern, dass es in Griechenland einmal 1.800 Kilometer Sonderprüfung gegeben hat, so ungefähr war das - fast an die 2.000 Kilometer. Und zwar Sonderprüfungskilometer.

Rudi Stohl: Wir sind 40 Stunden in einem Stück gefahren, ohne eine Stunde Pause.

Wahnsinn.

Rudi Stohl: Ich habe nicht mehr gewusst, wie ich heiße. (Gelächter) Ich habe etwas gesagt und keiner hat mich mehr verstanden.

Und das war ganz normal? Das haben alle so gemacht?

Rudi Stohl: Ja. Es hat einmal sogar der Herr Mikkola aufgeben müssen - wegen Erschöpfung. Der hat nicht mehr können - aus!

Das ist aber sehr verrückt, oder? 40 Stunden durchgehend fahren...

Peter Klein: Es ist auch heute nicht mehr zeitgemäß. Das Bild hat sich geändert. Ich weiß nicht, welche Meinung der Rudi dazu hat, aber ich persönlich bin der Meinung, dass...Grönholm - okay, da brauchen wir nicht diskutieren. Loeb - brauchen wir nicht diskutieren. Beim Petter Solberg fängt die Diskussion schon an - ist er den Dreijahresvertrag, den er bekommen hat, noch wert? Ja? Ein Atkinson, wissen wir, wurde eingekauft. Und eingekauft wurden viele in die WM, die sozusagen die zweiten Fahrer sind. Der Herr Sordo hat den Herrn Sainz als mächtigen Godfather hinter sich.

Rudi Stohl: Wobei ich hier dazusagen muss, dass Spanien der weltgrößte Markt für Citroen ist.

Sordo war aber schon auch Juniorenweltmeister.

Peter Klein: Ja, ja, natürlich.

Rudi Stohl: Natürlich ist da auch etwas dahinter gestanden.

Peter Klein: Und was hat der Herr Matthew Wilson in der WM verloren?

Und das war früher nicht so?

Rudi Stohl: Die Fahrerentscheidung ist schon anders getroffen worden. Da wurden drei Fahrer eingeladen und die haben testen müssen. Dann haben sie entschieden, wer der Schnellste ist. Heute hört man so etwas überhaupt nicht mehr. Wenn ich drei Fahrer habe, mit dem gleichen Material, und es wird der schnellste Fahrer genommen - okay, dann akzeptiere ich ihn.

Aber so etwas, wie du damals mit der Lada gemacht hast - so etwas ist heute nicht mehr möglich...

Rudi Stohl: Da musst du auch einen festen Klopfer haben, wenn du das machst. Zehn Jahre lang haben sie nur gelacht über mich. (Gelächter)

Ich habe das Gefühl, dass das, was du gemacht hast, die Leute heute noch fasziniert.

Peter Klein: Was mich fasziniert ist, dass die Autos das heute aushalten, auch bei nur noch 350 Sonderprüfungskilometern. Denn es wird gnadenlos gefahren, es wird Gas gegeben, was das Zeug hält. Vom Anfang bis zum Ende. Und dass sich diese Herrschaften permanent am Limit bewegen, die Herren Grönholm, Hirvonen, Loeb natürlich - faszinierend. Das ist es, das sich meiner Meinung nach geändert hat.

Dafür erleben sie weniger Abenteuer - sie sind zwar die ganze Zeit auf Highspeed unterwegs, dafür aber erleben sie nicht die Gschichtl'n, die ihr erzählen könnt, oder?

Peter Klein: Genau so ist es. Wenn der Herr Loeb am Samstagvormittag entscheidend ausfällt, also dass es auch keine SupeRally mehr gibt - dann sitzt der noch am Samstag im Flugzeug, und fliegt nachhause. Dann interessiert den die Rallye überhaupt nicht mehr.

Der Loeb wird dafür nicht so ein abenteuerliches Buch schreiben können wie der Rudi Stohl - weil im Kopf von Sébastien Loeb sind wahrscheinlich nur so Aufnahmen wie man sie von den Onboardkameras her kennt.

Rudi Stohl: Diese Dinge, die wir erlebt haben - da ist heute keine Rede mehr davon. Das kann man heute so nicht mehr erleben. Das ist unmöglich.

Die weiteren Teile des Gespräches mit Peter Klein finden Sie in der Navigation rechts.

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