Rallye-WM: Exklusiv | 26.01.2007
Manfred Stohl im Exklusivinterview, Teil 1:
Das Bremsproblem & die Xsara-Umstellung
Manfred Stohl analysiert die Monte Carlo-Rallye, erklärt die Problematik seiner Bremsprobleme und gibt dabei Einblick in das Innenleben eines WRC.
Michael Noir Trawniczek
Fotos: McKlein
Die Rallye Monte Carlo verlief gar nicht wunschgemäß für Manfred Stohl und seine Co-Pilotin Ilka Minor - ein Bremsproblem konnte einfach nicht gelöst werden. Zuvor, am Sonntag vor der Rallye, erlebte "Stohlito" noch dazu sein "blaues Wunder", als er nach 100 Testkilometern erklärte: "Der Xsara ist derart schwer zu fahren, ich werde wohl 1000 Testkilometer benötigen - da wir die nicht haben, werden wir wohl die Rallyes dafür heranziehen müssen."
Ganz so schlimm wurde es dann nicht - denn der Wiener gewöhnte sich recht schnell an den Franzosen - aber was das Bremsprobleme anbelangt, wurde es sogar noch schlimmer. Die Probleme kamen und gingen, auf völlig unberechenbare Art und Weise. Wer ins Leere tritt, verliert Vertrauen - und Plätze sowieso. Das Kronos-Team konnte die Ursache für die seltsamen Bremsprobleme nicht herausfinden, jetzt wird ein Meeting abgehalten -in Schweden darf so etwas nicht mehr passieren.
motorline.cc besuchte Stohl Racing, die Edeltuningschmiede der Nummer Vier der Welt. Dort wird auf Hochtouren geschraubt, werden neue Autos aufgebaut. Der Erdgasbolide steht im Keller - aber keine Angst, nur vorübergehend, aus Platzgründen. Also die Treppen hinauf, zum Chef...
Manfred, die Bremsen waren das große Problem bei der Monte Carlo-Rallye. Wie kann man sich das als normaler Autofahrer vorstellen?
Naja, ich weiß nicht wirklich, ob sich das ein normaler Autofahrer überhaupt vorstellen kann. Diejenigen, die schon einmal mit alten Autos gefahren sind, wo es hin und wieder passieren kann, dass eine Bremsleitung abreißt - die können es sich wahrscheinlich eher vorstellen. Fakt ist: Wir haben keinen Bremsdruck auf der Vorderachse zusammengebracht.
Auch nicht mittels pumpen?
Das Pumpen hat geholfen - aber nicht in dem Sinne, dass du es aufgepumpt hast und es war dann irgendwann wieder gut. Du hast beim Pumpen schon gemerkt, dass sich etwas ändert - aber in Summe fühlte es sich so an, als würdest du die Bremsflüssigkeit ins Freie pumpen. Ich habe immer ins Leere gedrückt - und es hat sich angefühlt, als ob eine Bremsleitung abgerissen wäre. Nur: Es ist nichts abgerissen, es war alles dicht, es war alles okay.
Welche Möglichkeiten gibt es, was kann die Ursache für ein solches Verhalten der Bremse sein?
Es kann zum Beispiel sein, dass der Hauptbremszylinder beschädigt ist - dann steigst du zwar auf das Bremspedal, aber du erzeugst keinen Druck auf die Bremsflüssigkeit. Sagen wir, die Manschetten des Bremszylinders sind kaputt - der Hauptbremszylinder ist in zwei Manschettenteile aufgeteilt, einer für die Vorder- und einer für die Hinterachse. Und wenn diese Manschette beschädigt ist, dann lässt diese beschädigte Manschette die Flüssigkeit im Zylinder durch, die fließt dann mehr oder weniger an der Dichtung vorbei.
Oder wenn ein Radlager kaputt ist - dann öffnet das die Bremse, werden die Bremsklötze auseinander getrieben weil sich die Bremsscheibe zu viel bewegt. Dann steigst du auf die Bremse und steigst leer durch, weil eben die Klötze zu weit entfernt sind von der Scheibe. Das waren jetzt nur zwei Beispiele, was als Ursache in Frage kommen kann.
Und das Team hat bis zum Schluss nichts gefunden?
Wir haben dann Teile gewechselt, dann war es okay - aber dann ist es plötzlich wieder gekommen. Oder bei einer Prüfung war es so, dass wir normal losgefahren sind, nach drei Kilometern waren die Bremsen quasi nicht mehr vorhanden, zehn Kilometer später waren sie wieder normal, als ob zuvor nie etwas gewesen wäre.
Auf was tippst du persönlich? Was könnte das sein - wenn es in dieser Art kommt und geht?
Das ist schwer zu sagen. Das Ganze ist so komplex - und auch nur schwer zu verstehen. Man darf ja eines nicht vergessen: Das Bremssystem ist auch Teil des Kupplungssystems - weil meine Handbremse ist ja in Wirklichkeit auch eine Art Kupplungsfeststellung - das ist jetzt sehr schwer für den Laien, das zu verstehen. Aber ein heutiger WRC, mit seiner Startautomatik, ist ein sehr komplexes Gebilde.
Wie funktioniert die Startautomatik?
Du fährst zum Start, ziehst die Handbremse an, fixierst sie, an der Startlinie. Dann trittst du die Kupplung, legst den ersten Gang ein und dann gehst du runter von der Kupplung, und das Auto fährt aber noch immer nicht weg. Obwohl du den ersten Gang drinnen und die Kupplung losgelassen hast. Erst in dem Moment, in dem ich die Handbremse auslasse, kuppelt das Auto selbständig ein und fährt weg.
Wie kann dann Loeb oder Sordo behaupten, er habe beim Start das Auto abgewürgt?
Das hat dann nicht er abgewürgt, da hat dann die Elektronik versagt. Der Motor kann dir in der Regel auch in der Prüfung, nach einem Dreher nicht absterben. Bevor das passiert, kuppelt die Elektronik selbständig aus. Jedenfalls sieht man, dass die Bremse verknüpft ist mit anderen Systemen - das ist also wirklich eine komplexe Angelegenheit. Ich gehe davon aus, dass irgendein Teil fehlerhaft war. Aber es wird ein Meeting geben, innerhalb der nächsten 24 oder 48 Stunden, wo das im Team besprochen wird.
Werden jetzt alle Teile ausgetauscht?
Davon gehe ich aus.
Wieso hat man das nicht schon dort getan?
Das hat man schon getan, aber das ist halt relativ: Alle Teile vor Ort bedeutet, dass Bremsscheiben, Bremssättel und so weiter getauscht werden. Alle Teile in der Werkstatt bedeutet, dass de facto das komplette Auto ausgetauscht wird. Aber du kannst halt nicht alle Bremsleitungen, jene die durch das Auto verlegt sind, vor Ort so leicht austauschen.
Ich muss sagen: Für mich war die Monte Carlo-Rallye enttäuschend und es war nicht der Saisonbeginn, den ich mir erhofft habe. Wobei ich mit meiner Fahrperformance sehr zufrieden war, auch mit der Performance des Autos - wenn wir nicht gerade ein Problem hatten.
Ihr seid ja nach fünf Pürfungen auf Platz 5, ganz knapp hinter dem Vierten gelegen.
Ja. 2,7 Sekunden hinter dem Vierten.
Also viel besser, als du es nach dem ersten Test erwartet hast.
Ja, deutlich besser. Die Prüfungen waren staubtrocken - und du weißt ja: das ist normalerweise nicht so mein Terrain. Von dem her war ich doppelt überrascht, dass es so gut gelaufen ist.
Wieso warst du eigentlich so pessimistisch gestimmt nach diesem ersten Test?
Nach diesem Test habe ich geglaubt, ich fahre überhaupt zum ersten Mal mit einem Rallyeauto. Und ich habe dabei auch nicht übertrieben, ich wollte nicht einfach nur den Ball flach halten. Ich habe wirklich nicht geglaubt, dass ich da vorne mitfahren kann.
Wieso? Hat sich der Xsara so stark verändert seit 2005?
Nein, aber wenn du 16 Läufe in einem Peugeot fährst und dann steigst du auf den Citroen Xsara um, dann ist das einfach ein gewaltiger Unterschied. Wenn ich den Xsara von 2005 noch in den Beinen gehabt hätte, wäre die Umstellung nicht so schlimm gewesen.
Du hast aber schon vorher gewusst, dass der Xsara schwerer zu fahren ist?
Ja. Zugleich sagte mir zum Beispiel der Marcus Grönholm, dass der Peugeot so schwierig zu fahren sei. Da habe ich zu ihm gesagt: 'Marcus, ich wünsche mir, dass du einmal mit einem Citroen fährst - und dann bitte erkläre mir noch einmal, wie schwer der Peugeot zu fahren ist.' Gut, ich weiß nicht, wie leicht der Ford zu fahren ist. Aber der Xsara ist jedenfalls nicht einfach zu fahren - aber dafür ist er ein schnelles Auto. Wenn du ihn bewegen kannst, dann ist er ein sehr gutes Auto.
Hast du das gespürt, als es dann besser als erwartet lief?
Naja, zumindest haben es die Zeiten zum Ausdruck gebracht - wir lagen glaube ich 0,5 bis 0,8 Sekunden hinter der Bestzeit, und das auf trockenem Asphalt, gegen die C4 und gegen die Ford. Da war ich im Vergleich dazu im letzten Jahr in Spanien oder Korsika weit davon entfernt.
Also war es eher so, dass du mit dem Xsara gekämpft hast und dann hast du die Zeiten gesehen und gedacht: 'Na hallo, das war ja gar nicht so schlecht!'?
Ja, ich muss sagen, dass ich extrem gefightet habe. Nach dem ersten Tag, als ich noch Siebenter war, obwohl es bereits Probleme mit der Bremse gab, hatte ich noch die Hoffnung, dass der Schaden gleich behoben wird - zu diesem Zeitpunkt war ich mir sicher, dass ich Vierter werden kann. Die zwei C4 und Grönholm waren zu stark, aber Platz 4 wäre möglich gewesen, davon war ich überzeugt. Doch leider kamen die Bremsprobleme wieder, das ist schade.
Aber man kann jetzt davon ausgehen, dass dieses Problem bei der nächsten Rallye in Schweden nicht mehr auftauchen wird, oder? Das wäre ja seltsam...
Wenn das noch einmal auftauchen würde, dann hätte ich ein bisschen die Krise (lacht). Aber nein, ich gehe auch davon aus, dass man das Problem beheben wird.
Lesen Sie am Montag den zweiten Teil des großen Manfred Stohl-Interviews: Wird die WM ein Citroen-Durchmarsch? Wer kann Loeb schlagen? Bleibt die WM spannend? Und wie sehen die Chancen des Andreas Aigner aus?