Rallye-WM: Exklusiv | 10.05.2007
"Zurzeit mangelt es mir an Selbstvertrauen..."
Andi Aigner ist mit Platz 7 nicht zufrieden. Im Exklusivinterview spricht er sympathisch offen über die "schwierigste Phase meiner Karriere".
Michael Noir Trawniczek
Fotos: RB Rallye Team, Photo 4
Auch wenn Andreas Aigner in Argentinien mit Platz 7 der PWRC laut RB Rallye Team das "Minimalziel" erreicht hat, machen Teamchef Raimund Baumschlager und Andi Aigner keinen Hehl daraus, dass man für die dritte Rallye der PWRC mehr erwartet hat.
Im Exklusivinterview mit motorline.cc gibt sich Aigner erfrischend offen und ehrlich. Und er gibt zu, die PWRC unterschätzt zu haben. Zugleich besteht er darauf, dass als Ziel nur der Titel in Frage kam und verrät, was ihm an der Rück-Umstellung auf die PWRC schwer fällt - das Einschätzen der Distanzen bei der Erstellung des Schriebs.
Fernab der Enttäuschung sollte man bedenken: Die Großen im Sport haben in Krisenzeiten am meisten dazu gelernt. Aigner befindet sich in einer schwierigen, aber wohl auch wichtigen Phase seiner Karriere. Aus Fehlern lernt man bekanntlich am meisten dazu - doch dafür muss man sich diese auch eingestehen. Im motorline.cc-Talk hat Andi Aigner damit kein Problem...
Laut RB Rallye-Teamchef Raimund Baumschlager hast du in Argentinien mit Platz 7 der PWRC das 'Minimalziel erreicht'. Wie lautet dein persönliches Resümee?
Ich habe mir natürlich mehr erwartet und ich bin auch enttäuscht, keine Frage. Mit dem siebenten Platz bin ich nicht wirklich zufrieden, weil ich mir schon mehr erhofft hatte. Es war in Argentinien für mich sehr schwierig, in meinen Rhythmus zu kommen. Ich fühle mich im Moment nicht wirklich sicher im Auto.
Woran, glaubst du, liegt das?
Ich kann das schwer sagen - ich frage mich selbst immer wieder, warum das so ist. Ich habe zurzeit auch zum Teil meine Probleme damit, dass ich mir einen passenden Schrieb erstelle, dass ich das Gruppe N-Auto in einen richtigen Rhythmus bringe.
Und ich tue mir auch schwer damit, die Bremspunkte einzuschätzen, sodass ich im Gruppe N-Auto im Vergleich zum World Rallye Car an der richtigen Stelle gezielt und vernünftig bremse, dass ich nicht zu viel oder zu früh bremse. Was aber zurzeit der Fall ist, weil ich ein bisschen übervorsichtig bin. Weil ich mir Sorgen mache, dass ich das Auto ja nicht zerstöre.
Das kann ich gut nachvollziehen - weil es in der jetzigen Situation auch ganz schlecht wäre, das Auto zu zerstören.
Ja - nur im Moment hält das Auto viel mehr aus als ich es ihm in meinem Kopf zutraue. Das ist schwierig.
Du hast vorhin den Schrieb angesprochen - Raimund Baumschlager erzählte mir, dass du auch das im Vorjahr perfekt beherrscht hast. Woran glaubst du liegt das, dass du dir da heuer schwer tust damit?
Ich tue mir komischerweise heuer schwerer beim Einschätzen der Distanzen, als das im Vorjahr der Fall war. Im vorigen Jahr, mit dem WRC, habe ich gewusst: Auf so einer Geraden kommst du mit einem Vollhammer her, das war irrsinnig schnell mit dem WRC.
Und da muss ich mich heuer einfach umstellen, weil du dort mit dem Gruppe N-Auto diesen Speed gar nicht erreichst und du an der Stelle noch gar nicht bremsen müsstest und ich das dann aber so im Schrieb drinnen habe. Und dann gibt es wiederum andere Passagen, wo du den gleichen Speed wie mit dem WRC fährst, wo du dann diese Warnungen oder die Verlangsamungen brauchen würdest.
Könnte man sagen, dass du bislang einen kontinuierlichen Aufstieg vom Gruppe N-Auto in das World Rallye Car hattest, wo also eine stete Steigerung in Sachen Speed und auch Bremskraft vorhanden war und dass aber jetzt dieser Schritt zurück ins Gruppe N-Auto irgendwie verwirrend für dich ist?
Hm, verwirrend? (denkt nach) Die Umstellung ist um einiges schwerer als ich mir das gedacht und vorgestellt habe. Weil im WRC ist es eigentlich, ich sag mal unter Anführungszeichen relativ einfach - du setzt dich rein und gibst volles Rohr vom ersten bis zum letzten Meter. Da musst du dir über alles andere eigentlich relativ wenig Gedanken machen.
Wenn du da im WRC eine Welle zu schnell nimmst, dann ist das im Prinzip kein Problem, außer dass du vielleicht zu weit springst. Vielleicht denke ich einfach zu viel darüber nach, vielleicht mache ich mir einfach zu viele Gedanken? Ich müsste einfach ein bisschen freier sein im Kopf. Ich muss jetzt zu mir selbst sagen: Fahr einfach, mach wie du dir denkst und überlege nicht bei allen Dingen zwei, dreimal wie du es machen sollst, damit nichts passiert.
Das ist auch ein Teufelskreis - denn es wird ja sicher auch ein gewisser Druck aufgebaut.
Der Druck wird von allen Seiten aufgebaut, was aber eine logische Entwicklung ist. Dieser Druck ist in der Form auch zum ersten Mal da. Das Ganze hat ja mit der Fahrersichtung begonnen und wurde stetig aufgebaut, dann ist man am Anfang Gruppe N-Läufe gefahren. Bei den ersten Gruppe N-Läufen in der WM hat man eigentlich auch nur schauen müssen, dass man durchkommt - damit war quasi schon das Ziel erreicht. Und auch im WRC war es ähnlich - wenn man mit dem dicken, starken Auto durch die Prüfungen gekommen ist, hat man auch schon gewonnen und es gab überall Zufriedenheit.
Und bei der Deutschland-Rallye im Vorjahr hat es dann ja auch super funktioniert - und auch bei den Rallyes, die ich gekannt habe, da war der Speed dann auch gleich um einiges besser. Und jetzt ist im Prinzip eine völlig neue Situation für mich da. Am Beginn dieser Saison hat man ein Ziel setzen müssen und dieses Ziel hat auch hochgesteckt sein müssen. Und dann haben wir eben gesagt: Okay, wir wollen den Weltmeistertitel in der PWRC holen. Zu diesem Zeitpunkt haben aber auch erst 50 Prozent jener Fahrer genannt, die jetzt in der PWRC mitfahren.
Im Nachhinein würde ich zwar sagen, dass diese Zielsetzung vielleicht ein bisschen voreilig war - nichtsdestotrotz möchte ich auch heute sagen, dass ich nicht denke, dass dieses Ziel übertrieben war. Wenn man von der WRC kommt, bleibt einem eigentlich gar keine andere Wahl, als sich so ein Ziel zu setzen.
Schon allein auch deshalb, damit man für sich persönlich befriedigt ist. Alles andere wäre einfach nicht vertretbar gewesen - weder einem selbst gegenüber, noch den Medien gegenüber. Wenn ich gesagt hätte, dass wir von der WRC zurück in die PWRC gehen und Punkte sammeln wollen, dann hätte jeder gefragt, ob wir irre sind.
Red Bull legt auch viel Wert darauf, dass sich die geförderten Sportler hohe, ehrgeizige Ziele setzen. Aber es ist, so denke ich, auch okay, wenn man solche Ziel dann korrigiert. Manfred Stohl hat vor Saisonbeginn auch gesagt, er setzt sich für jede Rallye das Podium als Ziel - und als er dann merkte, dass die Kluft zwischen Werksautos und Privatiers heuer viel größer ist, hat er auch korrigiert und Platz sechs als höchstes der Gefühle genannt. Wenn sich die Voraussetzungen ändern, können sich eben auch die Ziele ändern, oder?
Ja, das sehe ich auch so. Wobei es jedoch beim Manfred so ist, dass er vom Material her sagen muss, dass derzeit einfach nicht mehr drinnen ist. Das ist bei mir schon anders, sage ich mal. Bei mir ist das Material, das Auto, die Reifen vorhanden, das ist ein top Material - bei mir liegt es derzeit an mir selbst. Was den Druck noch erhöht.
Also die große Prüfung für dich. Das ist, so nehme ich an, die schwierigste Phase in deiner Karriere?
Das ist sicher eine absolut schwierige Zeit für mich. Weil ich einfach immer den Kopf voll habe und dauernd nachdenke. Wo ich auch in der Vorbereitung schauen muss, dass ich den Kopf frei bekomme und ich auch einmal abschalten kann. Ich muss schauen, dass ich mich regenerieren kann. Und dass ich mich richtig, gezielt vorbereiten kann. Das ist zurzeit wirklich schwierig.
Aber motiviert bist du schon noch, oder?
Ich bin absolut motiviert. Es gibt keine schönere Beschäftigung als das Rallyefahren und sich mit diesem Sport zu beschäftigen. Derzeit fehlt mir einfach ein bisschen das Selbstvertrauen und damit fehlt mir auch die Sicherheit, vom Fahren her.
Normalerweise setze ich mich ins Auto und fahre einfach. Rallyefahren ist im Grunde nichts anderes als Instinkt gepaart mit Erfahrung, die man eben Schritt für Schritt aufbaut. Und das ist im Moment eben ein bisschen schwierig für mich, weil ich zurzeit beim Fahren teilweise sogar zum Nachdenken beginne, was sicher nicht der richtige Zeitpunkt dafür ist. Wenn du gut sein willst, musst du dich reinsetzen und einfach fahren.
Woran denkst du da, wenn du zum Nachdenken beginnst? Kann man das in Worte fassen?
Denken ist vielleicht ein übertriebener Ausdruck. Das ist eher abstrakt, vom Gefühl her. Das sind Themen wie: Wenn ich da jetzt etwas falsch mache, dann passiert dieses oder jenes. Wenn ich da jetzt voll drüber fahre, dann könnte ich mir vielleicht ein Rad ausreißen. Man denkt einfach mehr über solche Dinge nach - weil man sagt, man braucht unbedingt dieses Ergebnis.
Und voriges Jahr ist man über einen Stein drüber gefahren und man hat gesagt: Okay, schauen wir einmal, was passiert ist - wenn ich einen Patschen habe, dann habe ich ja immer noch das Mousse und kann mich noch irgendwie rüberretten. Diese Dinge sind mir heuer einfach bewusster.
Dazu kommt sicher, dass sich heuer viele Leute etwas erwarten, oder?
Das kommt ganz bestimmt dazu. Aber es erwarten ja nicht nur die Leute etwas, sondern auch ich selbst erwarte etwas. Denn ich habe mir das ganz anders vorgestellt. Ich habe ja wirklich geglaubt, dass wir da vorne mitmischen können. Und es hat ja zunächst, bei der Monte Carlo-Rallye und in Schweden, auch so ausgeschaut, als ob das möglich wäre. Aber dann kam von Rallye zu Rallye immer mehr Unsicherheit hinzu und das Selbstvertrauen wurde von Mal zu Mal geringer. Da muss ich halt jetzt schauen, dass ich mein Selbstvertrauen wiederfinde und dass ich das dann in Griechenland umsetzen kann.
Und wie macht man das?
(lacht) Wenn ich dir das jetzt auf der Stelle sagen könnte, dann wäre mir um einiges leichter.
Ich nehme mal an, dass Fahren helfen würde. Ist ein Test geplant?
Ja, das Fahren hilft auf alle Fälle. Ich habe mit Raimund gesprochen und wir schauen, dass wir noch vor der nächsten Rallye in Griechenland einen Test abhalten können. Im Moment geht es einfach darum, dass ich das Selbstvertrauen wiederfinde. Und da ist ein Test sicher die beste Lösung.
Gibt es sonst auch noch Dinge, die du in Erwägung ziehst - wie zum Beispiel Bergsteigen oder mentales Training?
Mentales Training auf alle Fälle, das passiert ohnehin in Verbindung mit dem Red Bull Trainingszentrum. Und Sport in der freien Natur ist sicher ein geeignetes Mittel, um abschalten zu können. Oder auch mit dem Mountainbike allein über den Berg radeln, Sauerstoff ins Gehirn pumpen - das hilft sicher.
Es ist halt sicher auch extrem schwierig, dass zugleich der Druck da ist - gibt es da jetzt konkrete Vorgaben, die du erfüllen musst?
Die gibt es auf alle Fälle. Da war eigentlich schon die Argentinien-Rallye die Deadline für ein Meeting. Es muss jetzt ganz sicher ein gutes Resultat kommen, weil die zweite Saisonhälfte besteht für uns im Moment nur aus Irland und England und das Programm kann man nur erweitern, indem man gute Platzierungen herausfährt.
Das spitzt sich dann halt immer mehr zu. Ist Griechenland jetzt quasi die letzte Chance, um zu weiteren, zusätzlichen Rallyes zu kommen?
Das kommt sicher auch darauf an, wie sich das dann ergibt. Da muss man abwarten, was dann konkret bei der Rallye passiert.
Wenn ich du wäre, dann wäre es für mich in dieser Situation am hilfreichsten, wenn man sagen würde: Cool down, lass mal die Resultate beiseite, die Sache ist bis zum Jahresende geritzt und schau einfach, dass du wieder zu dir selbst findest.
(lacht) Optimal wäre sicher, wenn man sagen würde, wie bei Henning Solberg zum Beispiel, man hat jetzt die nächsten drei Jahre zur Verfügung und kann sich da voll und unbeschwert auf die Sache konzentrieren. Aber das ist halt nicht so einfach und man muss eben von Saison zu Saison schauen und man muss vor allem jetzt mit Ergebnissen überzeugen - und da fehlt es halt im Moment.
Deine Gegner in der PWRC sind viel stärker als du geglaubt hast?
Stärker nicht unbedingt, aber es sind um einiges mehr Gegner als wir gerechnet haben. Wenn von den Leuten, die gewinnen können 50 Prozent ausfallen, dann bleiben immer noch fünf über. So wie wir das gesehen haben wären es vielleicht zwei gewesen. Das hat die Rechenspielerei ein bisschen auf den Kopf gestellt. Aber nach Schweden und Mexiko war die Rechnerei sowieso vorbei, und Argentinien hätte deshalb unbedingt besser ausfallen müssen.
Den Titel können wir ja sicher abhaken - es geht jetzt einfach nur noch darum, dass du wieder der Andi Aigner wirst, der du im Vorjahr warst, oder?
Genau, darum geht’s.
Und dabei drück ich dir ganz fest die Daumen.
Danke, ich werd mein Bestes geben.