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Rallye: Exklusivinterview

"Man nennt mich 'Bad Wimmer' - weil ich nicht aufgebe!"

Der Oberösterreicher Andreas Wimmer bestreitet in Griechenland seine zweite WM-Rallye - wir bringen den zweiten Teil eines Exklusiv-Interviews

Michael Noir Trawniczek
Fotos: Andy Wimmer privat, Photo 4, motorline.cc

Andreas Wimmer wird in Griechenland seine zweite WM-Rallye bestreiten - zuvor gab er in Jordanien sein WM-Debüt, sah dabei immerhin unter schwierigsten Bedingungen die Zielflagge. Die Akropolis-Rallye wird er abermals mit einem von Stohl Racing eingesetzten Subaru bestreiten, der unter der "alten" Karosserie bereits die Technik des von Stohl Racing entwickelten neuen Subaru Impreza WRX STi aufweist.

Im ersten Teil eines motorline.cc-Interviews [welches im Anschluss an die Jordanien-Rallye geführt wurde - Sie finden es über den Link oder die Navigation rechts, d. Red.], verriet Andreas Wimmer am Ende, dass er zwei Angebote erhalten hat, wenn er für ein anderes Land fahren respektive eine andere Staatsbürgerschaft annehmen würde. Lesen Sie hier den zweiten Teil des Gesprächs...

Für ein arabisches Land?

Ein arabisches Land. Hundertprozentig.

Das möchtest du aber nicht?

Das Problem dabei ist: Du gibst deine Identität auf.

Naja. Das ist ja nur der Reisepass.

Schon klar - was ist ein Reisepass? Aber wenn man meine Fotos ansieht - ich bin wirklich stolz auf unser Land. Ich habe sehr viele Länder kennen gelernt, die Probleme haben - wie Jordanien mit dem Wasser. Wir in Österreich leben wirklich in einem glücklichen harmonischen Land - wir haben eine top Infrastruktur. Und wir haben keine sozialen Probleme - wir haben eine Krankenkassa und so weiter. Wir haben ein perfektes Netz.

Wir haben nur ein riesengroßes Problem in unserem Land: Wir sind die Weltmeister im Jammern. Das wird es nie geben, dass der Manfred [Stohl, d. Red.] und ich jammern. Mich wird nie jemand jammern hören. Was ich vorhin gesagt habe, wegen dem Budget, das sind Fakten und Tatsachen. Ich habe nicht gesagt: 'Mein Gott, ich habe so wenig Geld und weil ich so wenig Geld habe kann ich nicht so schnell fahren!' Ich habe gesagt: 'Man muss seinen Fahrstil anpassen!' Denn sonst fahre ich eine Rallye - da setze ich alles, dann hält das Fahrzeug die Belastung nicht aus und das war es dann für mich in diesem Jahr.

Und dann sagen sie: 'Was machst du 2009, Andreas?' So bin ich in aller Munde - da sagen die Leute: 'Schau her, der Wimmer fährt seinen ersten WM-Lauf, fährt unter die Top 8 der Gruppe N - Hut ab!' Wirklich, der Manfred hat gesagt: 'Du fährst eine saubere, perfekte Linie - es fehlt nur noch der Speed und das werden wir noch ein bisschen steigern...' Wie gesagt: Wir konnten am zweiten Tag am Nachmittag zulegen...

Obwohl die Strecke schlechter beieinander war...

Genau - das freut mich besonders, wenn das auch bemerkt wird. Dazu kam, dass uns am Nachmittag nach fünf oder sieben Kilometern die Sprechanlage ausgefallen ist und wir uns nur mühsam, Michael [Kölbach, Co-Pilot, d. Red.] hat geschrien, verständigen konnten. Der Michael und ich - wir haben so eine Harmonie in unserem Auto. Es gibt keine Situation, die uns auseinander bringt, die uns nervös werden lässt.

Wie lange fährt ihr schon gemeinsam?

Das sind jetzt genau vier Jahre. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass ich irgendwo anders einsteige, wenn der Michael nicht dabei ist. Ein fremdes Land, eine neue Rallye - alles kein Problem, aber wichtig ist, dass der Michael dabei ist. Der Michael ist mein Ruhepuls und das ist auch derjenige, der mich puschen kann - und er weiß, wann dafür der richtige Zeitpunkt ist und er weiß aber auch, dass wir oft auf Strategie fahren müssen.

Man hat es am dritten Tag in Jordanien gesehen - wir haben dem Deutschen vor uns, dem Kahlfuss, zehn Sekunden auf jeder Prüfung gegeben - doch wir hatten dann noch ein kleines technisches Problem, das uns dazu gezwungen hat, das Tempo dementsprechend heraus zu nehmen.

Man nennt die im arabischen Raum auch 'Bad Wimmer' - woher kommt das?

Da unten habe ich den Spitznamen 'Bad Wimmer' - weil ich nicht aufgebe. Wir sind in Syrien mit zwei Felgen und zwei Reifen gefahren und haben die 14. Zeit markiert - die Araber haben gesagt, sie verstehen das nicht, warum wir nicht aufhören, sie würden da nicht mehr weiterfahren. Und ich habe gesagt: 'Aufgeben tust du einen Brief aber wir geben ganz sicher nicht auf! So lange das Getriebe noch funktioniert und der Motor noch startet, fahren wir - anders wird das nicht gemacht!'

Und da war das Government von Abu Dhabi und der hat gesagt: 'Ist es möglich, dass man über zwei Hügel drüber springt und auf dem dritten Hügel landet?' Und ich habe gesagt: 'Mit dem notwendigen Budget sicher.' Und er hat gesagt: 'Okay Burschen - wenn ihr mir das vorführen könnt - ich zahle euch alle Teile, die dann auszuwechseln sind.'

Dort unten zählt ein Mann ein Wort, per Handschlag. Er hat uns dann auch zirka 70.000 Euro gezahlt und ich habe mich recht herzlich bedankt - denn wir haben da so locker fahren können, weil wir zum ersten Mal bei dieser Rallye nicht auf das Budget schauen haben müssen. Wir haben einfach das Auto fliegen lassen und wir sind in allen Zeitschriften vorgekommen - quasi der Austrian Guy, der Wimmer hat den blauen Subaru nur fliegen lassen.

Wir sind dann auch über die besagten Kuppen drüber geflogen. ich sehe es heute noch vor mir, mit knappen 170 km/h. Der Michael, mein Copilot, ist gestaucht worden, das Auto ist gestaucht worden, der Michael brauchte am Abend einen Masseur - das ist alles bezahlt worden. Aber der Government hat sich hingestellt mit seinem Jeep, mit sechs anderen, und hat gewettet, dass jetzt ein Fahrer kommt, der über die zwei Kuppen drüber springt, auf der dritten Kuppe landet und dann noch weiter fährt.

Und der hat jedes Mal 100.000 Dollar gesetzt - das heißt: Er hat an diesem Abend 700.000 Dollar gemacht - und da war er natürlich locker drauf und er hat uns dann anstelle der 70.000 Euro dann einfach 100.000 Euro gegeben. Wir sind zum Service gekommen und wir haben alles ausgewechselt, weil er eben alles bezahlt hat.

Das hat man natürlich nicht immer...

Ja, das ist das Problem. Wenn du heute weißt, du hast bei so einer Rallye ein Budget zwischen 30.000 und 45.000 Euro und da ist alles dabei, was normal ist - und alles, was du zusätzlich beschädigst oder was ausgewechselt werden muss - ein Getriebe 15.000 Euro, ein Fahrwerk 8.000 bis 10.000 Euro - da sind das nach einer Rallye 18.000 Euro.

Wir sind mit einem Fahrwerk drei bis vier Rallyes gefahren. Jetzt habe ich halt diesem Fahrwerk nicht das zugemutet, was ich ihm bei einer einzigen Rallye zugemutet hätte - sondern ich bin halt vor der Kuppe ein bisschen mehr auf die Eisen gestiegen, bin ein bisschen langsamer gefahren - und das macht den großen Unterschied aus.

Das ist jetzt nicht böse gemeint, aber: Kann man aus dem Vollen schöpfen, dann kann man auch voll fahren. Der Manfred hat gesagt: 'Der Wagen hatte bereits zwei Rallyes auf dem Buckel - aber nach den drei Tagen Jordanien-Rallye sieht der Wagen aus wie ein alter Mann. Da können wir sicher alles auswechseln.' Für Griechenland erhalte ich entweder ein komplett neues Auto...

Griechenland - hast du da die gleichen Vorteile in punkto Ortskenntnis wie es in Jordanien der Fall war?

Nein. Aber Griechenland hat der Manfred ganz einfach erklärt: 'Stell dir den gleichen Schotter vor wie in Jordanien - nur brutaler!' Was die Fitness anbelangt, macht sich der Manfred keine Gedanken über uns - das hat er in Jordanien selbst gesehen.

Trainierst du regelmäßig?

Selbstverständlich - seit meinem 16. Lebensjahr betreibe ich regelmäßig Sport. Drei bis vier Mal in der Woche mindestens - auch in der Fitnesskammer. Das heißt: Drei bis vier Mal Fitnesskammer, dazu fünfmal in der Woche Ausdauertraining mit Radfahren und Laufen. Das gehört zum Leben eines Rallyefahrers dazu.

Lebst du vom Rallyefahren? (schmunzelt)

Nein. Nein. (lacht)

Sind deine Sponsoren so potent, dass du die ganze Woche über trainieren kannst?

Nein.

Oder anders gefragt: Wer zahlt das? Wovon lebst du?

Ich besitze zwei Firmen - ich bin in der Immobilienbranche und im Bereich der Finanz- und Vermögensberatung tätig. Ich habe eine Firma, in der ich neun Leute beschäftigt habe. Meine Aufgabe besteht darin, dass ich so arbeite, dass meine Leute ausgelastet sind. Ich habe mir das in den letzten sieben Jahren sehr stark aufgebaut.

Es ist bei jeder Firma das Gleiche: 80 Prozent sind administrative Arbeiten - wo du eigentlich den Chef oder den Verkäufer, der das Geschäft abwickelt, nicht benötigst. Da kann ich mich wirklich tiptop auf mein Team verlassen. Ich muss dazusagen, dass auch mein Bruder in der Firma arbeitet - bin ich nicht da, ist mein Bruder da und umgekehrt. Und das Ausdauertraining spielt sich folgendermaßen ab: Man steht um 5 oder halb 6 auf, setzt sich eine Stunde auf das Rad...

Im Freien oder auf dem Hometrainer?

So wie es jetzt ist - rauf auf das Mountainbike, rein in den Wald, den Berg hinauf. Eine gute Stunde lang - im Winter halt auf dem Hometrainer. Dann macht man vielleicht noch ein paar Übungen für Hintern, Rücken und Bauch - dann kurz duschen, ein Frühstück und dann geht es in die Arbeit. Und natürlich - meine Leute wissen: Jetzt kommt der Chef schon mit 200 Prozent Elan, weil der ist schon seit 1,5 Stunden in der Höhe. Das ist für mich das Motto: 'Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper!' - und ich lebe auch danach.

Mit 40 soll angeblich die Reaktionsfähigkeit abbauen, du bist 38. Wie sieht deine Zukunft als Rallyepilot aus? Gibt es da noch Ziele wie einen Titel oder etwas in dieser Art? Oder wie sehen deine Perspektiven aus?

Okay, jetzt ganz ehrlich. So realistisch sind wir - man braucht nur die jungen Burschen anschauen. Der Latvala in der WRC - wie jung die sind! Aber was man nicht vergessen darf: Was die Jungen mit ihrer Jugend machen, das machen wir Älteren (unter Anführungszeichen) mit der Erfahrung.

Der Manfred hat da ein schönes Beispiel gebracht - er war ja in Jordanien draußen und hat uns beobachtet - und er gab uns nicht nur fahrerische Tipps. Ich habe ihn gefragt: 'Du, Manfred, wie schaut es aus von der Linie her?' Und er hat geantwortet: 'Da muss ich dir ganz ehrlich sagen: Da gibt es nichts auszusetzen, perfekt. Das Einzige, was dir fehlt, sind 10 bis 15 Prozent an Tempo.' Und da wissen wir auch, warum - das liegt am Vertrauen, da werden wir schauen, wie es in Griechenland läuft.

Aber er hat es wirklich schön auf den Punkt gebracht - der Manfred wurde gefragt: 'Is this a young guy from Austria?' Da hat er geantwortet: 'No, it is not an old one, it is a middle one.' Weil da ist ihm eingefallen, dass er zwei Jahre jünger ist als ich (lacht). Wir machen die Jugend wett mit unseren Erfahrungen. Ich weiß den richtigen Zeitpunkt, wann ich attackieren muss. Ich weiß, wo ich Meter machen kann. Ich weiß auch, wo man hundertprozentig verliert. Was bei den Jungen, zum Beispiel in der JWRC hinzu kam, der Manfred hat das auch gesagt: Sehr viele hatten Probleme mit der körperlichen und der psychischen Fitness.

Und da muss ich sagen: Da sind wir ihnen um einiges voraus. Bei der Rallye waren einmal 48 bis 52 Grad - da sind die Leute kollabiert und aus dem Auto rausgefallen. Der Manfred hat gesagt: 'Das gibt es nicht, wie du tiptop beieinander bist!' Und da muss ich halt dazusagen: Es spielt sich halt auch alles im Kopf ab. Da muss ich jetzt ganz ehrlich sagen: Da sind wir jetzt bei der geistigen Reife, bei der top-körperlichen Vorbereitung. Was die Herrschaften mit der Jugend machen - wo sie sagen: 'Ah, so viel muss ich nicht trainieren und das geht schon!' - das machen wir mit Ehrgeiz wett! Und da sind wir wirklich schwer dahinter.

Das heißt: Du kannst zwar nicht das Altern aufhalten - aber du kannst es verlangsamen. Und wenn ich schon weiß, genau wie du gesagt hast: Der Stoffwechsel wird langsamer. Dann muss ich meine Ernährung mehr umstellen - weniger Fett, noch mehr Kohlehydrate, noch mehr schauen auf Vitamine. Und die ganzen süßen Sachen lässt du halt weg. Weil du eben weißt: Du brauchst länger dafür, das abzubauen. Und wenn du dich ein ganzes Jahr durchgehend fit hältst, dann hast du auch keine Probleme mit Events wie der Jordanien- oder der Akropolis-Rallye. Wenn du dich nur kurzfristig vorbereitest, dann hat der Körper ein Problem damit.

Weil es immer hin und her geht zwischen Aktivität und Nicht-Aktivität...

Genau - wunderschön gesagt: Hin und her. Wenn ich aber immer meinen Level halte, und das auch gut halte, dann funktioniert es. Weil du kommst als erstes einmal mit einem Klimawandel in Berührung. Wir starten hier in Österreich bei 5 Grad, steigen in den Flieger - und da unten hat es 48 Grad. Da sagen viele immer, dass sie das locker wegstecken würden - aber wenn das keine Umstellung ist...der Michael und ich nehmen uns immer zwei Tage Zeit zum Akklimatisieren.

Und was haben wir gemacht: Wir haben gleich einmal einen Fußmarsch auf einen Berg gestartet, zu einem Gebäude, das von den Mönchen erbaut wurde, ganz oben in Stein gehauen. Und dort steht, man benötigt zirka eine Stunde bis 70 Minuten zum Walken. Wir haben das in 23 Minuten im Laufschritt gemacht. Die Leute haben geschaut - wie Gämse sind wir da rauf gehuscht. Topfit! Es waren vier Teams, die mit uns mitgelaufen sind - ab der Hälfte der Strecke waren sie nicht mehr zu sehen. Obwohl die um zehn oder 15 Jahre jünger waren.

Also jetzt sag mir: Wo sind die Herrschaften? Ganz ehrlich: Wenn wir langsamer werden - da muss ich dazusagen: Übung macht den Meister. Das Einzige, was sich vielleicht wirklich ändert: Man riskiert ein bisschen weniger. Das muss ich ganz ehrlich zugeben - der jugendliche Leichtsinn, dass du sagst: 'Das wird sich schon irgendwie ausgehen...' Das gibt es bei mir nicht mehr.

Wenn du heute auf einen Weltmeistertitel hin fahren würdest, dann natürlich muss man Vollgas geben - wie beim Manfred. Der Manfred kann nur eines: Auf volle Attacke fahren. Er fährt entweder gar nicht oder volle Attacke. Nur: Bei voller Attacke möchte der Manfred auch ein Vertrauen zu seinem Fahrzeug haben. Ich rede jetzt nicht von der Ilka - der vertraut er blindlings.

Aber zurück zum Thema: Jugend ist nicht alles. Man sieht es ja beim Stiq Blomquist, beim Weltmeister - bei der Jänner-Rallye, oder? Bitte - gebt dem einmal ein top-gescheites Auto! Da bin ich mir sicher, dass er immer unter den Top 3 sein wird.

Das heißt: Du wirst mit 50 auch noch Rallye fahren?

Wenn es dem Michael noch möglich ist - hundertprozentig. So lange es uns möglich ist, werden wir sicher immer dabei sein.

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