
Rallye-WM: Exklusiv | 14.03.2008
Heckschleuder oder nicht Heckschleuder - das ist hier die Frage!
FIA-Präsident Max Mosley spielt mit dem Gedanken, die WM-Boliden auf Zweiradantrieb abzurüsten. Subaru droht bereits mit Rückzug! motorline.cc hat bei den Experten Manfred Stohl, Raimund Baumschlager und Günther Aschacher nachgefragt: Sollen die Heckschleudern in die WM zurückkehren? Ist das eine realistische Möglichkeit?
Michael Noir Trawniczek
"Das wäre einfach sensationell", sagt Stohl Racing-Teamchef und Cheftechniker Günther Aschacher - es geht um jene Idee des FIA-Präsidenten Max Mosley, die Boliden der Rallye-Weltmeisterschaft auf Zweirad- respektive Heckantrieb abzurüsten.
Mosley möchte die Rallye-Boliden einerseits abrüsten, die Kosten reduzieren - andererseits möchte er den Zuschauern wieder mehr Spektakel liefern. Obwohl es bereits Pläne für das weitere Vorgehen in punkto Rallye-WM gibt (eine Kombination aus WRC- und Super 2000-Boliden, später nur noch S 2000, allesamt mit Allradantrieb), soll Mosley weiterhin mit dem Gedanken spielen, dem Zweiradantrieb zu einem Comeback zu verhelfen. Und zwar schon ab 2010.
"Zweiradangetriebene Autos mit turbogeladenen 1600 oder 1800 Kubikzentimeter-Motoren bleiben eine Option. Mister Mosley hat klargemacht, was er von den künftigen Regeln erwartet. Ein Zweiradantrieb würde die Kurvengeschwindigkeiten mit Sicherheit reduzieren, das würde seinen Plänen am ehesten entsprechen", zitiert Autosport eine FIA-nahe Quelle. Der Präsident der WRC-Kommission, Morrie Chandler, erklärte dazu: "Ein Frontantrieb ist total unspektakulär - die Leute würden gerne wieder heckangetriebene Boliden sehen, mit schleuderndem Heck, das würde den Zuschauern viel mehr Spaß bereiten."
Aschacher: "Heckantrieb wäre sensationell!"
Der Meinung schließt sich auch Günther Aschacher an: "Für die Zuschauer wäre das einfach super. Ich habe es eben erst selbst erlebt - in Rumänien habe ich einem alten Ford Escort MK II zugesehen, das war ein Wahnsinn, wie der um die Kurven geslidet ist." Österreichs Rallye-Staatsmeister Raimund Baumschlager muss lachen, als er im motorline.cc-Telefonat von der Idee hört. "Sicher wäre das für die Fans eine lustige Geschichte. Wenn du dir einen Sepp Pointinger in seinem historischen Rallyeboliden ansiehst - das schaut einfach wunderschön aus, wie der um die Kurven driftet."
Baumschlager: "Hersteller werden nicht mitziehen!"
Doch Baumschlager glaubt nicht daran, dass sich diese Idee durchsetzen wird: "Wir haben einerseits die aktuellen World Rally Cars, die von den Herstellern um viel Geld entwickelt wurden. Zudem haben einige Hersteller gerade erst neue Super 2000-Autos gebaut."
Die allradgetriebenen WRC- und Super 2000-Boliden waren bislang als künftige Autos für die Rallye-WM vorgesehen, darauf haben sich die WRC-Kommission und die Hersteller bereits weitgehend geeinigt. Die WRC-Autos sollen ab- die S 2000-Autos leicht aufgerüstet werden, nach einer Übergangsfrist mit beiden Fahrzeugtypen sollten die S 2000-Autos die kostengünstigere Zukunft der Weltmeisterschaft darstellen. Baumschlager ist skeptisch: "Dass jetzt auf einmal Heckantriebautos gebaut werden sollen - da kann ich mir nicht vorstellen, dass die Hersteller dabei mitmachen werden. Und wenn du die finanzielle Seite betrachtest - was tust du ohne Hersteller? Ich glaube kaum, dass die Allradphalanx von Subaru und Mitsubishi da mitziehen wird."
Taylor: "Subaru könnte den Stecker ziehen!"
Diese Gedanken hegt auch Morrie Chandler: "So lustig ein Heckantrieb auch wäre - er würde kaum den Markt repräsentieren. Ich denke nicht, dass die Hersteller, die rund 50 Millionen Euro ausgeben davon beeindruckt wären, wenn sie nun Autos bauen sollen, die der Mann auf der Straße nicht kaufen kann." Tatsächlich hat Subaru bereits mit dem Rückzug aus der Rallye-WM gedroht, sollte sich Mosley mit seiner Idee eines Zweiradantriebs durchsetzen. Subaru World Rally Team-Geschäftsführer Richard Taylor erklärte klipp und klar: "Unser Markt ist der Allradantrieb - sollte die WM auf Zweiradantrieb umgestellt werden, könnte es durchaus sein, dass Subaru den Stecker zieht."
Stohl: "Der liebe Gott schuf das Auto mit vier Rädern..."
Manfred Stohl kann die Überlegungen von Max Mosley nicht nachvollziehen - gegenüber motorline.cc erklärte er: "Der liebe Gott hat das Auto mit vier Rädern geschaffen. Wenn alle vier Räder gebremst werden, warum sollen dann nicht auch alle vier Räder angetrieben werden?" Für den WM-Vierten der Saison 2006 steht außer Frage, dass ein modernes Rallyeauto mit Allradantrieb ausgestattet sein muss.
Dass die Fans wieder mehr Spektakel sehen wollen, kann Stohl natürlich verstehen: "Sicher hat sich das im Laufe der Zeit zum Negativen hin entwickelt. Doch das Problem liegt woanders: Die elektronischen Fahrhilfen, die Hightech-Differenziale muss man abschaffen. Das Problem heute sind die hohen Kosten - wenn der Sport wieder kostengünstiger wäre, würdest du auch wieder mehr Kämpfe sehen. Heute ist ja sogar die Gruppe N nicht mehr wirklich günstig." Außerdem ist der Wiener, der zurzeit immer noch ohne WM-Cockpit dasteht, davon überzeugt, dass selbst ein modernes Auto mit Heckantrieb nicht sonderlich spektakulär um die Kurven flitzen würde: "Angenommen, es würden nun Autos mit Heckantrieb gebaut werden, dann würden die so gut ausgerüstet sein, dass sie genauso wenig quer daherkommen würden wie es bei den aktuellen Autos der Fall ist."
Am 26. März wird der FIA-Motorsportweltrat seine nächste Sitzung abhalten. Dort soll die Entscheidung über die Zukunft der Rallye-Weltmeisterschaft gefällt werden - dann wird man vielleicht auch erfahren, ob die Rückkehr des Heckantriebs tatsächlich eine Zukunft in der Rallye-WM haben kann...
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