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Rallye-ÖM: Hintergrund

Was bedeutet eine gelbe Flagge?

Obschon klar definiert, gibt es in Österreich Unklarheiten hinsichtlich gelber Flaggen, ein TV-Bericht sorgt für Aufregung - motorline.cc hat recherchiert.

Michael Noir Trawniczek
Fotos: Daniel Fessl, Racingshow, OSK

Eine Onboardaufnahme aus einer ORF-Reportage über die Bosch Super Plus Rallye erhitzt die Gemüter. Es handelt sich um die Onboardaufzeichnung von Raimund Baumschlager auf der zwölften Sonderprüfung „Pinggau Rundkurs lang“, als dieser den verunfallten Mitsubishi von Andi Aigner passiert. Auf einer Bergabpassage sieht man den ersten Streckenposten mit geschwenkten gelben Flaggen, Baumschlager schaltet in den sechsten Gang. Nach einer Kurve führt eine Bergabpassage zur Unfallkurve, dort steht der zweite Streckenposten, der ebenfalls die gelbe Flagge schwenkt. Baumschlager verzögert, fährt langsam an der Unfallstelle vorbei und gibt danach wieder Gas.

Rigl: „Mir geht es um die Sicherheit!“

Einer der Zuseher, Martin Rigl, selbst seit vielen Jahren aktiv im Rallyesport tätig, wirft Baumschlager in einem an die Oberste Nationale Sportbehörde OSK adressierten offenen Brief [den vollen Wortlaut finden Sie über die Navigation oben rechts, d. Red.] vor, er habe die geschwenkten gelben Flaggen ignoriert und damit gegen das Sportgesetz verstoßen. Rigl ortet zudem auch den „strafrechtlich relevanten Tatbestand der fahrlässigen Gemeingefährdung“. Gegenüber motorline.cc betont Rigl: „Es geht mir dabei ausschließlich um die Sicherheit – und nicht darum, einen Fahrer anzuschwärzen.“

Rigl zitiert in seinem offenen Brief das Sportgesetz, Artikel 36.5.1 der "OSK Rallye Sporting Regulations", Version 1.2 vom 27.4.: „Ein Fahrer muss bei Passieren der gelben Flagge seine Geschwindigkeit sofort herabsetzen und mit dieser verringerten Geschwindigkeit bis zum Ende der Sonderprüfung weiterfahren oder den Anweisungen jeden Streckenpostens oder Fahrer eines Sicherheitsfahrzeuges folgen. An allen Funkposten vor dem Zwischenfall werden gelbe Flaggen gezeigt. Jeder Verstoß gegen diese Bestimmungen führt zu einer Bestrafung nach Ermessen der Sportkommissäre.“

Baumschlager: „Ich habe niemanden gefährdet“

Demnach hätte Baumschlager gleich zweimal das Sportgesetz missachtet: Weil er beim ersten Streckenposten nicht sofort gebremst und nach dem Passieren des Unfallorts wieder Gas gegeben hat.

Der achtfache Staatsmeister erklärt dazu gegenüber motorline.cc: „Beim ersten Streckenposten hatte man über die komplette Strecke bis zur Kurve freie Sicht und es war kein Hindernis zu erkennen, nach der Kurve habe ich sofort verzögert und bin langsam an der Unfallstelle vorbeigerollt – ich habe noch überlegt, ob ich aussteigen und helfen soll, doch dann habe ich an die Jänner-Rallye 2009 gedacht und gefürchtet, man würde mir das als Absicht auslegen, die Prüfung abbrechen zu wollen. Daher bin ich weiter gefahren, ich habe niemanden gefährdet und als die rote Flagge kam, bin ich sofort stehen geblieben.“

Schöpf: „Fahrer verunsichert“

IG Rallye-Mastermind Helmut Schöpf, seines Zeichens Veranstalter der Waldviertel-Rallye und oftmals selbst als Rallye- bzw. SP-Leiter tätig, sagt dazu: „Das Vorgehen von Baumschlager war nicht ganz regelkonform, aber angemessen. Er ist ganz sicher nicht der einzige, der es so praktiziert. Das hat sich aus der Praxis der letzten Jahre so ergeben. Es gibt einen Unterschied zwischen der reinen Theorie im Sportgesetz und bei der Umsetzung in die Praxis.“

Schöpf fügt hinzu: „Die Streckenposten bei der Bosch-Rallye, jene der A1-Sicherheitsstaffel, sind extrem gut geschult, doch sie sind nicht bei jeder Rallye im Einsatz, es gibt auch andere, weniger gut geschulte Streckenposten – es hat in der Vergangenheit Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit gelben Flaggen gegeben, was auch die Fahrer verunsichert hat.“

Konkret geht es um den Artikel 36.5.2. der "OSK Rallye Sporting Regulations": „Jedes Team, dem die gelbe Flagge gezeigt wurde, erhält für die Sonderprüfung eine theoretische Zeit gemäß Artikel 35.“ Im Klartext heißt das: Jeder Fahrer, der einmal die gelbe Flagge sieht, kann oder vielmehr muss sofort „abdrehen“ und die restliche Prüfung im verringerten Tempo zu Ende fahren, seine Zeit wird ohnehin nicht mehr gewertet, er erhält eine Zeit gut geschrieben, die seiner Stärke entspricht. Die Streckenposten sind verpflichtet, jede Startnummer aufzuschreiben, welcher sie die gelbe Flagge gezeigt haben. Sie müssen diese Startnummern der Rallyeleitung mitteilen. Helmut Schöpf sagt: „So weit die Theorie. Nur: Es gibt in dem Sportgesetz Punkte, die in dieser Form in der Praxis nicht durchführbar sind und die noch einer Abklärung bedürfen.“

Inflationäres Wacheln

Ein solcher Punkt sei Artikel 36.5.3. – dort heißt es: „Die gelbe Flagge wird den Teams nur auf Anweisung des Rallyeleiters gezeigt. Sie dürfen nur von einem Streckenposten gezeigt werden, der eine klar erkennbare Weste, vorzugsweise der Farbe wie im Anhang H aufgeführt, mit dem Funksymbol trägt.“ Es dürfen also nur jene Streckenposten die gelbe Flagge zeigen, die ein so genannter „Funkposten“ sind, also über ein Funkgerät mit der Rallyeleitung in Verbindung stehen. Schöpf erklärt dazu: „Aus Sicherheitsgründen, damit man die Teams warnen kann, geben wir aber allen Streckenposten gelbe Flaggen.“ Droht also Gefahr, schwenkt auch ein Streckenposten ohne Funkgerät die gelbe Flagge – nur: Wie teilt dieser der Rallyeleitung mit, dass er einem der Teams die gelbe Flagge gezeigt hat, sodass diese dem Team eine Zeit gutschreiben kann? Schöpf: „Das ist eine dieser Unklarheiten – aus diesem Grund und weil nicht immer die bestens ausgebildeten Streckenposten am Werk sind, gab es die letzten Jahre über Unregelmäßigkeiten beim Zeigen der gelben Flagge.“

De facto kam es quasi zu einer inflationären Anwendung der gelben Flagge. Schöpf sagt: „Es wurde in der Vergangenheit oftmals unnötig mit der gelben Flagge gewachelt, wo keine direkte Gefährdung bestanden hat.“ Zugleich wurde nicht jedem Team, das eine gelbe Flagge gezeigt erhielt, eine Zeit gut geschrieben. Ein Vollblutrennfahrer, der nicht sicher sein könne, ob er nun eine Zeit erhalten würde oder ob er am Ende sogar der große Verlierer sein könnte, weil er die SP in verringertem Tempo zu Ende fuhr, würde im Zweifelsfalle Gas geben – vor allem dann, wenn er den Gefahrenbereich bereits passiert hat, erklärt Schöpf, der in dieser Causa selbst ein „gebranntes Kind“ ist.

Schöpf erzählt, er habe vor ein paar Jahren selbst an einer Rallye teilgenommen und dabei genau das oben beschriebene Szenario erlebt: „Ich bekam gelb, fuhr bis ins Ziel im verringerten Tempo – ich teilte der Rallyeleitung mit, dass ich eine gelbe Flagge gezeigt bekam und mir wurde trotzdem keine Zeit gutgeschrieben.“ Wer als Rallyepilot eine solche Erfahrung macht, wird bei der nächsten gelben Flagge nach dem Gefahrenbereich wieder im Renntempo weiterfahren. Schöpf sagt: „Unsere Probleme sind hausgemacht. Wir brauchen uns nicht zu wundern, wenn wir dieses Problem haben - das haben wir uns die letzten Jahre über selbst eingebrockt, und da nehme ich mich selbst nicht aus.“

„International andere Voraussetzungen“

Ein Problem ortet Helmut Schöpf in der Tatsache, dass man das heimische Sportgesetz meistens maßstabsgetreu von jenem der Internationalen Sportkommission FIA übernehme. „International hast du ganz andere Voraussetzungen – bei der WM-Rallye in Finnland haben alle Streckenposten ein Funkgerät, zudem gibt es dort GPS-Signale, welche direkt ins Auto gefunkt werden und Hubschrauber.“ Das Sportgesetz der OSK würde noch mehr solcher Stellen aufweisen, welche einer Klärung bedürften, fügt Schöpf hinzu.

OSK: „Sportgesetz ist eindeutig“

Was sagt die OSK? Dietmar Hinteregger, der Vorsitzende des OSK-Rallyekollegiums, erklärt auf Anfrage von motorline.cc: „Das Sportgesetz ist in diesem Punkt eindeutig. Sobald eine gelbe Flagge gezeigt wird, muss die Geschwindigkeit verringert werden und es muss mit dieser verringerten Geschwindigkeit bis ans Ziel der Prüfung gefahren werden.“ Diesen Passus würde es schon seit ein paar Jahren geben, fügt Hinteregger hinzu. Und es würde jeder Streckenposten, ob Funk oder nicht Funk, der Rallyeleitung jede Startnummer mitteilen, welcher eine gelbe Flagge gezeigt wurde. De facto heißt das für den Piloten: Sieht er eine gelbe Flagge, ist die SP für ihn selbst so gut wie neutralisiert. „Das muss sich in den Köpfen der Aktiven aber auch in jenen der Veranstalter manifestieren, daran gibt es nichts zu rütteln.“

Den offenen Brief von Martin Rigl habe er noch nicht gelesen, er sei auch nicht an ihn adressiert, erklärt Hinteregger. Selbstverständlich würde es aber nachträglich keine Strafen in dem Fall geben: „Das verbietet das Sportgesetz - das ist wie beim Fußball, wenn abgepfiffen wurde.“ Natürlich würde man sich mit dem Thema befassen, natürlich sei man sich des Problems bewusst, sagt Hinteregger. Es habe auch Gespräche, auch mit ÖM-Piloten gegeben und es würden weitere folgen. Allerdings würde man diese Thematik „nicht über Medien oder Internetforen diskutieren“, stellte Hinteregger klar.

Martin Rigl betont, er wollte ganz bewusst mit seinem offenen Brief auf diese Problematik aufmerksam machen. Gerade in sicherheitsrelevanten Dingen müsse Klarheit herrschen. Und deshalb müsse jetzt darüber diskutiert und für die nötige Klarheit gesorgt werden - ehe ein schlimmer Unfall passiert, weil es in diesen wichtigen Punkten wie der Handhabung der gelben Flagge Unklarheiten gab. Das wäre das Ende des heimischen Rallyesports, warnt Rigl.

“Oberstes Gebot“

Das heimische Sportgesetz gleicht in den erwähnten Punkten dem internationalen Sportgesetz. Wie wird diese nicht unwesentliche Frage in der Rallye-Weltmeisterschaft gelöst? Gibt es dort auch Unklarheiten über die Handhabung von gelben Flaggen?

Eine, die es wissen muss, ist Ilka Minor, zurzeit als Co-Pilotin von Henning Solberg in der obersten Spielklasse der WM, der WRC am Start. Minor sagt im Telefonat mit motorline.cc spontan den gesamten Passus in Englisch auf und sagt dazu: „In der WM ist es sonnenklar: Wenn du eine gelbe Flagge siehst, musst du sofort das Tempo reduzieren und im verringerten Tempo bis ans Ziel fahren. Tust du das nicht, erhältst du massive Probleme. Das ist das oberste Gebot der Flaggenkunde, das ist unmissverständlich.“

Fazit

Ein mögliches Fazit könnte lauten: Offenbar hat man die Piloten der heimischen Rallye-Staatsmeisterschaft mit einer inkonsequenten und unregelmäßigen Handhabung der gelben Flaggen verunsichert – daher sollte man jetzt nicht auf die Fahrer oder gar auf einzelne Piloten „einschlagen“, sondern vielmehr dafür sorgen, dass es in einem sicherheitstechnisch derart elementaren Punkt wie der Handhabung von gelben Flaggen endlich Klarheit gibt - und zwar auch in der Praxis.

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