
Rallye: Pressekonferenz | 28.01.2011
Drei Fragen an FIA-Präsident Jean Todt
Jean Todt war zu Gast in Wien. motorline.cc bat den FIA-Präsidenten im Rahmen des Pressegesprächs um seine Ansichten zur aktuellen Lage der Rallye-WM.
Michael Noir Trawniczek
Fotos: ÖAMTC/APA-Fotoservice/Hautzinger
Im Wiener Hotel Sacher wurde am Donnerstagnachmittag hoher Besuch erwartet. Jean Todt nahm an einem von ÖAMTC-Präsident Werner Kraus initiierten Hintergrundgespräch teil, bei dem der FIA-Präsident die Aktion „Decade of Action for Road Safety“ vorstellte.
Im Anschluss daran konnten die geladenen Journalisten Fragen stellen. motorline.cc nützte die Gelegenheit, um den früheren Rallye-Co-Piloten zur gegenwärtigen Lage der Rallye-Weltmeisterschaft zu befragen.
Herr Präsident, die Rallye Monte Carlo ist eine der größten und bekanntesten Veranstaltungen im Motorsport – die Veranstalter wollen jedoch nicht mehr ein Teil der Rallye-Weltmeisterschaft sein, sie sind lieber in der IRC.
Im TV gab es von der IRC-Monte heuer sensationelle Livebilder, während die WM immer weniger im Free-TV zu sehen ist. Es gibt zudem nur sehr wenige Hersteller in der WM.
Würden Sie sagen, dass sich die Rallye-Weltmeisterschaft in einer Krise befindet? Und wenn ja - was wollen Sie tun, um die WM wieder zum Leben zu erwecken?
Wir sind, wenn auch nicht sofort, sondern Schritt für Schritt dabei, uns aus einer historischen weltweiten Krise heraus zu bewegen. Wir können unter diesen Konditionen nicht erwarten, dass Hersteller sehr viel Geld investieren.
Zudem hat es über die letzten zwanzig Jahre hinweg eine Entwicklung im Rallyesport gegeben, die wahrscheinlich auch nötig war.
Aber meiner Meinung nach können wir mit einem modifizierten Format erreichen, dass wir die verschiedenen Interessen vereinen. Es sind jetzt 15 Monate vergangen, seit wir mit der Umgestaltung der WM begonnen haben und es gab bereits einige Fortschritte, wir erhielten auch sehr viel Aufmerksamkeit.
Aber Sie müssen wissen, dass es sich um eine komplexe Situation handelt – man kann nicht erwarten, dass man in solch einer kurzen Zeitspanne ein komplett neues Format und eine totale Veränderung erwirken kann.
Die Probleme sind jedenfalls bekannt und wir befassen uns damit. Ich habe das Gefühl, dass sich die Umgestaltung der Rallye-Weltmeisterschaft in den nächsten zwei, drei Jahren positiv auswirken wird.
Sie haben die Monte Carlo-Rallye erwähnt. Es stimmt, was Sie sagen – aber Sie wissen ja, die Organisatoren sind frei. In der Vergangenheit waren sie vielleicht unglücklich mit der Rallye-Weltmeisterschaft und so haben sie entschieden, der Rallye eine andere Orientierung zu geben.
Ich muss dazu sagen, dass ich heuer die Rallye, die ja ihr hundertjähriges Jubiläum gefeiert hat, verfolgt habe – und ich bin mir nicht sicher, ob das der bestmögliche Weg war, dieses Jubiläum zu begehen – aber das ist meine persönliche Meinung. Hundert Jahre – das ist eine dermaßen berühmte Veranstaltung!
Ich hoffe sehr, dass die Rallye Monte Carlo in die Weltmeisterschaft zurückkehren wird – in dieser Saison werden wir mit Citroen, Ford und MINI/BMW drei offizielle Werksteams haben.
Hoffentlich werden in den nächsten beiden Jahren weitere Hersteller dazukommen. Und wie ich sagte: Die Dinge bewegen sich zwar langsam, aber sie bewegen sich mit Sicherheit.
Und was Sie hinsichtlich dem Fernsehen und der IRC gesagt haben: Deren Hauptsponsor ist Eurosport - ein sehr guter, sehr respektabler, sehr professioneller Sportsender. Der Promotor der Rallye-Weltmeisterschaft hat neue Abkommen unterschrieben – wir sind hier am Beginn, wir starten mit dem Free-TV.
Und ich hoffe, wenn wir bestätigen können, dass wir die Wirtschaftskrise hinter uns gelassen haben und wenn alles zusammenpasst, dass unsere Situation dann eine andere sein wird.
Eine Vereinigung von WRC und IRC lehnen Sie ab?
Das lässt sich nicht vereinen. Die IRC hat elf Rallyes pro Jahr, die WM hat 13 Rallyes. In allen Top-Kategorien des Motorsports haben Sie immer eine A- und eine B-Liga oder eine erste und eine zweite Division.
Die Priorität der FIA ist es, eine sehr starke Weltmeisterschaft zu haben, als erste Division. Aber es laufen immer noch Gespräche mit dem Promotor der IRC und wir werden sehen, was dabei herauskommt.
Sie sind selbst als Co-Pilot im Rallyeauto gesessen, Sie sind also ein Racer. Unlängst haben Sie erklärt, dass Sie wenig von der ‚Superally’-Regelung halten, wonach ein ausgefallenes Team die Rallye mit Zeitstrafen pro versäumter Sonderprüfung am nächsten Tag fortsetzen kann. Wollen Sie die ‚Superally’-Regelung abschaffen?
Wir befinden uns nicht in einer Bananenrepublik, in der ich tun und lassen kann, was ich will. Wir sprechen mit verschiedenen Leuten, wir haben gute Experten.
In der WRC-Kommission der FIA habe ich einen sehr guten Promotor nominiert - es handelt sich um Jarmo Mahonen, der eine der besten und professionellsten Rallyes im WM-Kalender organisiert. [die Finnland-Rallye, Anm. d. Red.]
Wir haben also frisches Blut an Bord. Wir haben Michele Mouton, die jetzt auch in der Organisation mitarbeitet.
Und ich erwarte, dass wir einige sehr gute Vorschläge und Lösungsansätze erhalten werden. In meiner Position kann ich solche Vorschläge definitiv annehmen oder auch ablehnen. Doch es geht hier immer darum, die richtige Lösung zu finden.
Meine persönliche Ansicht ist: Wenn ein Auto ausgefallen ist, tue ich mir schwer damit, wenn dieses Auto am nächsten Tag wieder fährt und es weiter um WM-Punkte kämpft.
Im Rennsport, wenn Sie die 24 Stunden von Le Mans nehmen, oder ein Formel 1-Rennen – wenn Sie hier ausfallen, dann sind Sie eben ausgefallen.
Wenn man versucht, einen künstlichen Weg zu finden, sodass ein Auto und ein Team nach einem Ausfall wieder an der Rallye teilnehmen kann, dann sollte dieses Team, so denke ich, nicht mehr um WM-Punkte kämpfen dürfen.
Was Jean Todt zur Lage der Formel 1-Weltmeisterschaft erklärte, lesen Sie demnächst auf motorline.cc.