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Der Rallyesport einst und jetzt

Werner Riedl hat sich in den letzten Jahrzehnten einen Namen als Videofilmer in der Rallye-Szene gemacht, der Betreiber der Website rallyearchiv.at blickt zurück auf die Goldenen Zeiten des Sports.

Werner Riedl

Der Rallyesport hat sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend geändert. Auch in Österreich. Nicht nur auf technischer Seite, sondern auch im Ablauf der Veranstaltungen. Während heute die Rallyes quasi nach einem gewissen Schema „X“ ablaufen, 2 oder 3 SP`s, dann Regrouping mit permanentem Servicepark, elendslange Pausen, keine Nachtsonderprüfungen, maximal 150 SP Kilometer, möglichst kurze Verbindungsetappen und das Rallyezentrum meist auf seelenlosen Parkplätzen oder aufgelassenen Festwiesen, fernab von Stadtzentren, waren die Rallyes früher noch mittendrin, in der Zivilisation sozusagen.

So verkriechen sie sich heute in Ecken um ja keine Misstöne zu erzeugen.
Start- und Ziel auf Hauptplätzen wie in Waidhofen/Thaya, Heidenreichstein, Wolfsberg, Liezen, Aspang, Bad Hofgastein und Klagenfurt, sogar vor dem Lindwurm – um nur einige zu nennen – und die früher populären Ortsdurchfahrten bei Sonderprüfungen kann man heute auch an einer Hand abzählen. Bewohntes Gebiet wird ebenfalls gemieden. Unvergessen der Grazer Rundkurs 2001 als Auftaktprüfung für die Wechselland Rallye, der den Stenggs sicher einige graue Haare mehr beschert hatte.

Es ist ein Weg, den die Veranstalter in den letzten 20-30 Jahren einschlagen mussten, um überhaupt überleben zu können. Sprich eine Genehmigung zu erhalten. Dazu fehlt das Budget, Sponsoren sehen keinen Sinn mehr, 6-stellige Beträge ohne Gegenwert (Mediale Anerkennung in Print und TV) zu investieren. An allen Ecken und Enden musste der Sparstift angesetzt werden, wobei im Gegensatz dazu die Einsatzkosten von Rallyefahrzeugen in die Höhe schossen. Eine ÖM-Rallye mit einem siegfähigen Fahrzeug kostet – gemietet - bald schon das Jahresgehalt des Durchschnittsösterreichers.

Wenn man die Rallye Weltmeisterschaft nimmt, so gab es in den 1980er Jahren mit Monte Carlo, Schweden, Korsika, Finnland, Portugal, Safari, San Remo oder RAC Veranstaltungen, die unterschiedlicher nicht hätten sein können, auch vom Ablauf her. Und es gab keinen Fahrer, der bei all diesen Rallyes gewinnen hätte können. Korsika den Franzosen, Finnland den Skandinaviern, RAC meist mit britischem Co (Besichtigungsverbot wer sich noch erinnern kann) und für die Safari gab es ohnehin eigene Spezialisten und Hersteller. Und die Millionen Fans in Portugal oder Italien waren auch eine eigene Herausforderung.

Heute? Einem Ogier, Tänak, Neuville, Evans könnte man zutrauen alle diese Rallyes – sofern es sie noch gibt – zu gewinnen. Wenn denn die Startreihenfolge nach deren Geschmack ist. Auch ein Kriterium der Neuzeit. Die Rallyes? Zum Verwechseln ähnlich. Legendär die Zwangsrasten in Siena oder Pisa bei der San Remo Rallye, wo die Menschen, welche zuvor vielleicht noch nie etwas von Rallye gehört haben sich für den Sport begonnen haben zu interessieren. OK, Italien ist ein schlechtes Beispiel, da war der Rallyesport eine eigene Religion.

Auch bei uns könnten solche Zwangsrasten an prominenten Plätzen durchaus nicht wenigen Menschen den Sport näherbringen. Auch das früher obligatorische Parc Ferme VOR der Startrampe lockte immer sehr viele unbeteiligte Menschen an, mit der nicht selten gestellten Frage, was denn da los sei und wo die bunten Autos denn fahren. Der Fan von heute fährt dank Internet direkt zu SP 1.

Programmhefte braucht man nicht mehr, alles Online. Natürlich nicht ganz so ausgeprägt wie in der WM, aufgrund der Topographie, war die Situation in Österreich. Jedoch kann man durchaus sagen, dass eine Semperit-Rallye und eine Lavanttal- oder Jänner-Rallye der 1980er Jahre durchaus schon mal drei grundlegend verschiedene Charakter hatten. Als Beispiel die Lavanttaler-Mitternachts-Rallye 1985, die dieser Tage vor bereits 36 Jahren zur Austragung gekommen ist.

Meist also Ende März oder Anfang April, und damit zur Schneeschmelze in den Bergen. Eine spezielle Veranstaltung, abgesehen vom Zeitplan. Als dritter Lauf zur Staatsmeisterschaft in jenem Jahr, insgesamt standen 24 Sonderprüfungen (12 verschiedene!) über rund 280 Kilometer auf dem Programm. Die Hälfte davon auf losem Untergrund. Die längste Prüfung war 21 Kilometer (der heute noch bekannte Theklagraben), die kürzeste Prüfung jene am Stadtrand von Wolfsberg als Auftaktprüfung über 4 Kilometer. Die einzige Prüfung übrigens mit 100% Asphalt. Gesamtlänge der Veranstaltung: 588 Kilometer.

Gestartet wurde im Stadtzentrum von Wolfsberg, am Samstag um 13 Uhr, danach standen 16 Sonderprüfungen am Programm. Ohne Regrouping, ohne Servicepausen, bis zur letzten Prüfung dieser Sektion, die um 22 Uhr gestartet wurde. Von 23 Uhr bis Mitternacht gab es eine Stunde Zwangsrast in Wolfsberg, ehe die letzten 8 Sonderprüfungen bis ins Ziel um 6:30, wieder in Wolfsberg in Angriff genommen wurden. Wobei die zwei Königsprüfungen, der Theklagraben und Gräbern (19 km) als Abschluss je 2 Mal in den frühen Morgenstunden gefahren werden mussten.

Die Rallye selbst wurde vom späteren Staatsmeister Wilfried Wiedner im Audi Quattro A2 dominiert, mit Bestzeiten auf allen 24 Sonderprüfungen. Allerdings auch mangels Konkurrenz, denn der zweitplatzierte Franz Wittmann fuhr in diesem Jahr einen Werks VW Golf GTi in der Rallye WM und ausgesuchte Läufe zur ÖM. Platz 3 ging damals an das wohl extremste Rallyefahrzeug jener Zeit, dem Lancia rally 037 des Kärntners Heinz Klausner, eine Ohren- und Augenweide sozusagen. PS: Das Nenngeld betrug damals, mit Veranstalterwerbung zum ersten Nennschluss (4 Wochen vor Veranstaltungsbeginn), 2.500 Schilling! Es ist jedem selber überlassen, dies in Relation zur heutigen Zeit zu rechnen.

Es war eine Zeit, in der man die Fahrzeuge und auch die Fahrer von weitem am Sound erkennen konnte, während es heute, trotz guter Markenvielfalt, nahezu unmöglich ist, die verschiedenen Hersteller voneinander zu unterscheiden. Weder vom Sound, bald auch nicht mehr vom Aussehen. Es waren damals Fahrzeuge – vor allem natürlich dann in der Gruppe-A-Ära – die man selbst gerne in der eigenen Garage gehabt hätte. Und auch konnte. Genau DIESE Fahrzeuge, als Serienmodell: Lancia Delta HF Integrale, Toyota Celica GT-4, Audi Quattro, Ford Sierra RS Cosworth und wie sie alle hießen. Heute heißbegehrte Kultfahrzeuge. Im Gegensatz dazu: Yaris, Polo, i20, Fiesta?

Es war eine Zeit, die es HEUTE nicht mehr geben KANN in dieser Art, da sich einfach das Leben grundsätzlich geändert hat. Mit all den Rahmenbedingungen wie Umweltbewusstsein und natürlich Technik, und auch die Schotterstraßen gibt es zum Großteil gar nicht mehr, wenn man ins Detail gehen will. Und bewohntes Gebiet? Wenig Chancen da sich Anrainer sehr schnell in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt fühlen, was aber auch ihr gutes Recht ist.

Früher hatte man das Gefühl, die Leute freuen sich, wenn DIE Rallye, einmal im Jahr, an ihrer Haustüre vorbeizieht. Schäden an Straßen oder Zäunen lassen sich die Besitzer und Gemeinden heute von den Veranstaltern fürstlich entlohnen. Vor 28 Jahren zum Beispiel stellte ein Waldbesitzer im Waldviertel nach einem Unfall dem (prominenten) Team, trotz heftiger Baumschäden, gerade einmal eine Rechnung über umgerechnet 300 Euro aus. Heute würde das 10-fache nicht reichen.

Auch die Rallye-WM hat den Charme der 1980er und 90er Jahre längst verloren. Ein Blick auf den Livestream der Monte Carlo Rallye 2020, also VOR Corona hat genügt: Col de Turini, 2020 ein Armutszeugnis für den Rallyesport. Man konnte fast glauben, am letzten Tag – früher die Nacht der langen Messer – wäre wie zu Corona Zeiten Zuschauerverbot. Nicht nur am Turini, auch auf der folgenden Prüfung dieser Schlussetappe.

Dazu knapp mehr als ein halbes Dutzend Fahrzeuge der höchsten Kategorie, wobei sich diese sowohl fast im Aussehen, aber zu 100% im Sound und auch von der Linienwahl her wie ein Ei dem anderen gleichen. Am Ende entscheiden 1/10 Sekunden um den Sieg (was der Spannung aber grundsätzlich gut tut), die Technik unbesiegbar, und dass ausgefallene Teams am nächsten Tag wieder antreten können, zeugt eigentlich nur wie dünn das Fahrerfeld an der Spitze ist dass man diese Fahrer im Klassement noch braucht.

Man darf aber natürlich eines nicht außer Acht lassen: Die heutige Generation an Aktiven und Fans sind in einem komplett anderen Umfeld aufgewachsen. Sie haben nie den Sound der Gruppe-B oder frühen Gruppe-A live miterlebt, nie die Emotionen die es an den Rallyestrecken – damals – noch gab. An den Servicepunkten die frei gewählt mit knappen Zeitlimits irgendwo in einer Ortschaft am Straßenrand passiert sind. Die nicht selten gestressten Fahrer erlebt. Das kann man ihnen natürlich nicht zum Vorwurf machen, wenn es heute am Simulator bei Online-Challenges zum ersten Kontakt mit dem Rallyesport kommt.

Eines aber ist unverändert: Der Rallyesport ist Motorsport zum Anfassen. Ganz im Gegensatz zur Rundstrecke. Nur, wenn niemand mehr da ist der ihn anfassen will? Und da ist nicht zwingend der Fan damit gemeint …

www.rallyearchiv.at

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