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Julian Wagner im motorline-Talk
Fotos: Daniel Fessl

Julian Wagner: Keine leichte Entscheidung…

Julian, der Bruder von Simon Wagner, hat eine schwere Entscheidung getroffen: Verantwortung für die Firma und nur noch vereinzelte Rallyes…

Noir Trawniczek

Kaum jemand hielt es einst für möglich, dass mit Simon und Julian gleich beide Wagner-Brüder im Rallyesport Fuß fassen können - doch die „Wagnerei“ (copyright Sprecherlegende Jimmy Riegler) setzte sich immer wieder durch. Es gab 2WD-Staatsmeistertitel und auch internationale Erfolge. Und: 2019 sah es so aus, als würde Julian, der um zwei Jahre jüngere Bruder, ganz groß durchstarten: Bei Baumschlager Rallye Racing blühte Julian regelrecht auf, gewann die Jännerrallye und wurde von Teamgründer Raimund Baumschlager sogar als dessen Nachfolger im Team in Erwägung gezogen. Dann kam Corona - Julian übernahm mit Vater Fritz die Firma Hinterleitner. Im Vorjahr stand Julian bei fünf ORM-Rallyes auf dem Podium und wurde in der Staatsmeisterschaft Dritter, Bruder Simon feierte den vierten Staatsmeistertitel in Folge…

Heuer hat Julian Wagner eine alles andere als leichte Entscheidung getroffen: Er zieht vorerst einen Schluss- oder Wendepunkt in seiner Karriere, widmet sich vornehmlich der Firma. Wir baten Julian zum Interview.

Julian, du hast dich entschlossen, eine Art Schlusspunkt in deiner bisherigen Karriere zu setzen. Dass du es bevorzugst, in der Firma deines Vaters weiterzuarbeiten und du keine ganze Saison mehr in der ORM bestreiten wirst…

Ich würde es nicht bevorzugen nennen - natürlich würde ich gerne eine ganze Saison fahren. Aber ich glaube, dass ich nun in ein Alter komme, wo ich mir Gedanken machen muss, wie die Zukunft aussieht. Es ist nicht realistisch, dass ich im Motorsport meinen Lebensunterhalt verdienen kann, es wird der Sport für mich ein Hobby bleiben. Komplett aufhören kann ich ohnehin nicht mit dem Rallyesport, denn das ist eine Leidenschaft. Aber ich werde bald 30 und habe vor ein paar Jahren gemeinsam mit meinem Vater die Firma Hinterleitner übernommen und ich habe nun eine ganz andere Verantwortung als ich das noch vor einigen Jahren hatte. Jeder, der einen Betrieb am Laufen halten muss, weiß, wie viel Zeit das in Anspruch nimmt.

Dein Bruder Simon arbeitet jedes Jahr von Neuem daran, eine ganze Saison zu finanzieren - da sagst du jetzt, dass es dir nicht möglich oder nicht wert ist, das zu tun?

Wert wäre es mir schon - aber mir fehlt die Zeit dafür. Die Firma Hinterleitner benötigt so viel Aufwand, damit wir unseren MitarbeiterInnen pünktlich einen guten Lohn auszahlen können - wenn ich mich da pro Woche 10 bis 15 Stunden um den Rallyesport kümmern würde, dann würde es mit der Firma nicht mehr so gut laufen. Dann müssten wir womöglich ein, zwei Mitarbeiter kündigen - ich will das aber nicht! Mir macht die Arbeit in der Firma sehr viel Spaß und ich verdiene mir den Lebensunterhalt eben in der Firma und nicht im Rallyesport.

Vom Rallyesport zu leben ist für einen Fahrer aber ohnehin so gut wie unmöglich - auch Simon geht arbeiten…

Man muss ja nicht zwingend als Fahrer arbeiten - es gibt genug Einsatzteams, die mit Fahrzeugvermietung Geld verdienen und da sitzen oft die Teamchefs dann auch mal selbst im Auto. Sie sind vom Sport fasziniert und können es eigentlich nicht lassen…

Da hat es ja kurz so ausgesehen, als ob du bei Baumschlager Rallye Racing eine solche administrative Rolle übernehmen würdest…

Diese Pläne hat es gegeben - das ist ja kein Geheimnis. Da gab es einen längerfristigen Plan, der mir sehr gut gefallen hätte. Dass man mit dem Hobby Rallyesport dann doch auch etwas verdienen kann. Mir macht ja nicht nur das Fahren Spaß - sondern auch die Teamwork, die hinter solchen Projekten steht. Da wäre es mir primär gar nicht wichtig gewesen, als Fahrer Geld zu verdienen. Sondern eben auch auf der administrativen Ebene.

Wieso hat sich das zerschlagen?

Der Plan ist mit Corona zerfallen. Die Zusammenarbeit mit BRR hat Corona beendet. Das war auch genau die Zeit, in der Karl Hinterleitner in Pension gegangen ist und eine Entscheidung wollte darüber, was mit dem Betrieb passiert. Und da gibt es viele Mitarbeiter, die schon 30 Jahre oder mehr im Betrieb tätig sind und es war mir und meinem Vater ein Anliegen, diesen Mitarbeitern die gewohnte Arbeitsstelle zu sichern. Mein Vater und ich haben dann entschieden, die Firma Hinterleitner zu übernehmen.

Die Firma Hinterleitner und dein Vater, als Verkaufsleiter, haben ja als Sponsoren maßgeblich eure Motorsport-Aktivitäten unterstützt - wolltest du da auch etwas zurückgeben?

Was Simon und ich machen durften - das kannst du ganz schwer zurückgeben. Wir hatten so eine tolle Kindheit, wir haben einen faszinierenden Sport ausüben dürfen, das hat ja schon mit dem Kartsport begonnen. Das waren Familienausflüge, wo der Papa nicht nur als Geldgeber sondern auch als Mechaniker und Coach dabei war und wo sich die Mama um Catering und Fotos gekümmert hat. Diese Reisen gingen rund um die Welt - was wir da erleben durften, kann ich mit meiner Arbeitskraft gar nicht zurückgeben.

Aber du bist deinem Vater zur Seite gestanden, als er die Firma übernommen hat?

Alleine hätte er es nicht gemacht. Die Entscheidung haben wir gemeinsam getroffen.

Und jetzt hast du die Entscheidung getroffen, keine ganze Saison mehr zu fahren?

Nicht falsch verstehen. Wenn das Geld vorhanden wäre, würde ich liebend gerne eine ganze Saison fahren. Doch der Sport ist ja auch teuer geworden, du brauchst auch Testfahrten, du brauchst Reifen und die Jungs fahren schnell, nicht nur in Österreich. Ich habe einfach nicht die Zeit, nach einem Zwölf-Stunden-Arbeitstag mich um Sponsoren zu kümmern.

Das heißt: Du wirst heuer nur noch vereinzelte Rallyes fahren?

Da ich keine ganze Meisterschaft bestreiten werde, habe ich mir ein anderes sportliches Ziel gesteckt. Allerdings nicht im Motorsport. Ich habe immer schon Ausdauersport betrieben, um mich fit und gesund zu halten. Und Hannes Gründlinger, der frühere Beifahrer von Johannes Keferböck hat mir das Radfahren schmackhaft gemacht. Und so werde ich mich heuer auf das Radfahren, das Laufen und das Schwimmen fokussieren - denn ich habe mich für den Ironman in Klagenfurt (15. Juni) angemeldet. Aber natürlich kann ich das Rallyefahren nicht komplett ablegen - daher werde ich die eine oder andere Rallye bestreiten. Wo das sein wird, in welchem Auto - all das steht noch in den Sternen. Natürlich hätte ich nichts dagegen, wenn sich vielleicht irgendetwas ergeben sollte, dass zum Beispiel ein Importeur sagen würde: ‚Es ist so schade um den jungen Buben!“ - wobei: So jung bin ich ja gar nicht mehr! (lacht). Aber ich wäre schon bereit, wieder eine ganze Saison zu fahren - nur fehlt mir die Zeit, um ein wirklich vernünftiges Projekt zu finanzieren. Ich habe im letzten Jahr gemerkt, dass ich mich für die ORM-Läufe nicht ausreichend vorbereiten kann, weil mir neben der Firma die Zeit dafür fehlt. Ich bin an sich ein Perfektionist und will keine halben Sachen machen. Ich bin ein ehrgeiziger Sportler, der nicht um den vierten, fünften Platz herumfahren möchte. Wenn ich etwas mache, will ich um den Sieg oder zumindest um einen Podestplatz kämpfen können.

So eine Entscheidung zu treffen, wie du sie nun getroffen hast, stelle ich mir alles andere als leicht vor…

Das ist auch nicht von einem Tag auf den anderen passiert. Da habe ich mir schon einige Male den Kopf zerbrechen müssen.

Kann man sagen: Es ist kein Schlusspunkt in deiner Karriere, sondern vorerst eine Art Wendepunkt?

Es ist vorerst ein Wendepunkt, wo ich mich zum ersten Mal mehr auf meinen Beruf konzentrieren muss. Es gibt ganz viele Menschen in Österreich, die keine Arbeit haben, die sich also gar nicht um die Arbeit kümmern können, weil sie keine haben. Ich habe das Glück, dass mein Vater und ich arbeiten dürfen, dass wir einen Betrieb führen dürfen, die Mama ist auch im Betrieb tätig, es macht jede Menge Spaß, ich stehe jeden Tag in der Früh gerne auf, ich gehe gerne in die Arbeit und reiße mir gerne den Hintern auf und das ist auch notwenig, denn sonst würde der Betrieb nicht so gut funktionieren. Aber überall dort, wo es Positives gibt, gibt es auch Negatives - und das bedeutet eben, dass der Rallyesport derzeit eben kürzer kommen muss. Doch ganz aufhören werde ich damit nie…

Wenn du zurückschaust: Was war der bislang schönste Moment deiner Karriere?

Als die Zusammenarbeit mit BRR entstanden ist, wo ich vom Zweirad- auf ein Allrad-Auto wechseln durfte und wir bei der ersten Rallye im Allrad-R5 die Jännerrallye gewinnen und wir im ersten Jahr um den Staatsmeistertitel kämpfen konnten. Das war für mich mein Rallye-Highlight - im Kartsport hatten wir ganz viele Highlights. Ich habe da Weltmeisterschaften angeführt, stand auf Poleposition in Deutschland, habe in Italien beim WM-Lauf rundenlang geführt - das sind Highlights, die man nie vergisst.

Dein Bruder Simon hat heuer eine radikale Änderung vorgenommen, wechselte Auto, Team, Beifahrer und konnte mit Hyundai Österreich auch einen Importeur an Bord holen. Wie siehst du das Jahr 2025 für Simon?

Ich ziehe absolut den Hut vor Simon. Ich bekomme mit, wie viel Zeit er investiert und wie viel Nerven ihn das kostet. Auch wie viele Rückschläge es gibt. Aber Simon investiert da seine gesamte Zeit und Kraft, um ein solches Projekt aufzustellen. Allein die Partnerschaft, die er mit Hyundai eingehen konnte, zeigt wie ehrgeizig er ist. Aber er hat es sich absolut verdient - er war die letzten Jahre über der ehrgeizigste und fleißigste Fahrer im ganzen Feld. Der sich am meisten bemüht und der auch am erfolgreichsten ist. Ich traue ihm sehr viel zu, wenn er so weiter arbeitet. Wenn er nach wie vor mit so viel Leidenschaft dabei ist, kann er viel erreichen - obwohl er zwei Jahre älter ist als ich und ich mich schon als zu alt für eine professionelle Fahrerkarriere einstufe. Ich glaube, dass Simon zurzeit der einzige ist, der da irgendwie eine Chance haben könnte. Wobei es ganz, ganz schwierig ist, weil die Chancen sehr gering sind. Aber wenn es jemand in Österreich verdient haben sollte, dann glaube ich, dass es der Simon ist.

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