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Julian Wagner: „Müssen zusammenhalten“
Foto: Dominik Fessl

„Wir müssen jetzt alle zusammenhalten“

Ein ungewohnt ernster Julian Wagner spricht über die Corona-Krise, die vielen Fragezeichen im Rallyesport und sein Verhältnis zu Raimund Baumschlager...

Noir Trawniczek

„Es ist ein ganz komisches Gefühl“, sagt Julian Wagner. Der Vizestaatsmeister des Vorjahres wohnt neuerdings in Linz, die Maßnahmen zur Beschränkung des Coronavirus haben das Stadtbild jedoch massiv verändert: „Hier war bislang immer viel los. Jetzt ist niemand mehr unterwegs - wenn ich rausgehe, sehe ich keine Leute mehr.“ Wagner verrichtet weiter Dienst in einer KFZ-Werkstatt: „Wir führen einen Notbetrieb, denn es müssen ja weiterhin Autos repariert werden. Es gibt den Chef sowie mich und einen weiteren Mann, er und ich arbeiten in getrennten Hallen.“ Auch die Arbeitswelt wirkt also anders, ungewohnt - Wagner schmunzelt: „Jeder von uns hat eine eigene Halle.“

An der Motorline Rallye Challenge würde er gerne teilnehmen, sagt Julian Wagner, doch: „Ich bin noch nicht lange hier in Linz und im Moment habe ich hier noch keinen PC und auch keine Playstation. Ich vergnüge mich mit Büchern.“ Einmal in der Woche geht Julian einkaufen: „Da sehe ich dann immer noch alte Leute im Supermarkt. Ich hoffe doch, dass die Menschen den Ernst der Lage erkennen. Doch es gibt auch Lichtblicke: Ich habe an der Haustüre einen Zettel gefunden, dass nun junge Leute für die alten Menschen Einkäufe erledigen.“

Dass junge Leute „Corona-Partys“ abhalten, gefällt dem 25-Jährigen ganz und gar nicht: „Das sind oft noch jüngere Menschen, jünger auch als ich. Doch wenn man sich ein Bisschen damit beschäftigt, erkennt man, dass wir die kranken und die alten Menschen schützen müssen - man darf in dieser Situation nicht an sich selbst denken.“

“Ich treffe mich mit keinem mehr“

Soziale Kontakte hat Julian auf ein Minimum reduziert: „Ich treffe mich mit keinem mehr - soziale Kontakte finden bei mir zurzeit nur noch über das Handy statt.“ Soziale Medien meidet Julian, auch wenn er sie auf dem Handy lesen könnte: „Ich bin ehrlich gesagt froh, dass ich noch arbeiten gehe und ich somit gar keine Zeit dafür habe, auf sozialen Medien rumzusurfen. Den ganze Blödsinn kann man sich mit Sicherheit sparen. Ich informiere mich zurzeit ausschließlich über das Radio.“

Über seine Rallye-Karriere verliert Julian Wagner in unserem Gespräch kein Wort - darauf angesprochen sagt er: „Ich will natürlich unbedingt Rallyes fahren - aber wir müssen jetzt alle zusammenhalten, die Gesundheit steht im Vordergrund. Wir müssen jetzt unsere Freizeit einschränken. So schön der Motorsport auch ist - Veranstaltungen haben jetzt keinen Platz in der Gesellschaft. Ich habe es auch gut gefunden, dass Sebastien Ogier schon vor der Mexiko-Rallye dagegen war, einen WM-Lauf abzuhalten. Es ist jetzt einfach nicht die Zeit dafür.“

Julian ist sich bewusst: „Mit dem Geld, das ich als Mechaniker verdiene, kann ich nicht rallyefahren. Die verschiedenen Unternehmen werden aufgrund der nötigen Einschränkungen Probleme bekommen und wir alle wissen nicht, wie lange das noch dauern wird. Man weiß zurzeit also nicht genau, welche Unternehmen wie schwer von der Krise betroffen sind. Das betrifft jeden, der von Sponsoren abhängig ist, in Österreich sind alle Fahrer davon betroffen.“

Eine großartige Promotion, auch für den Rallyesport an sich, ist die Dokumentation „Timehunter“, die auf Amazon Prime ausgestrahlt werden wird. Julian erklärt: „Es geht hier um BRR, das Team, Raimund Baumschlager und mich. Ein Kamerateam hat uns schon im Vorjahr zu den Rallyes begleitet - jetzt wäre noch geplant gewesen, bei der Rebenland-Rallye Material zu filmen. Daher weiß ich nicht genau, ob hier noch Material gedreht werden muss beziehungsweise wann genau die Doku zu sehen sein wird. Es gibt aber bereits einen Trailer. Das ist ein tolles Projekt, auf das man sich freuen und das man sich auch in zehn Jahren noch anschauen kann.“

Wobei: Sollte Julian Wagner in der Zwischenzeit Weltmeister werden.. - Julian hakt ein: „In diese Richtung brauchen wir zurzeit gar nicht denken - ich bin froh, wenn ich nach der Krise überhaupt noch weitermachen kann.“ Freilich hätten BRR-Teamchef Raimund Baumschlager und er das Ziel gehabt, dass Julian in diesem Jahr auch den einen oder anderen internationalen Lauf fährt, doch: „Da haben wir bislang das Geld noch nicht zusammengebracht - was irgendwo auch gut ist, da es derzeit ohnehin keine internationalen Rallyes gibt.“

“Raimund wird mir immer helfen““

Bei der Rebenland-Rallye wären Julian Wagner und sein Teamchef gegeneinander gefahren - dass dies für Spannungen sorgen hätte können, schließt Julian aus: „Wir sind ja schon bei der Rallye W4 gefahren, beide auf Skoda Fabia R5, doch da musste Raimund erst einmal wieder reinkommen ins Fahren. Im Rebenland hätten wir ein internes Markenduell gehabt, da Raimund ja mit dem VW Polo GTi R5 gefahren wäre. Doch da wäre ganz einfach jeder sein eigenes Rennen gefahren.“

Tipps, wie in der letzten Saison, hätte er dennoch von Raimund erhalten, ist Julian überzeugt: „Raimund ist ein extrem guter Teamchef und er gibt mir immer gute Tipps, auch wenn er selber fährt. Es ist ja in seinem Interesse, dass ich schneller werde. Er wird mir immer helfen, denn wir verfolgen beide das gleiche Ziel.“

Mit seinem Bruder Simon sei die Lage freilich eine andere geworden: „Mit Simon gibt es keinen Austausch mehr, weder was das Setup noch andere Dinge anbelangt. Auch wenn er mein Bruder ist, so ist er ein Konkurent wie jeder andere auch.“

Wie schätzt Julian die Lage ein? Wann glaubt er, dass es wieder losgehen könnte? „Ich habe keine Ahnung. Die nächsten zwei Monate rechne ich nicht damit - es wird davon abhängen, welche Schlüsse die Regierung aus den Daten ziehen wird. Zurzeit bin ich aber ohnehin nicht so recht in Rallyestimmung, sondern nütze die Zeit, um mich auf meine Meisterprüfung vorzubereiten, die zwar auch auf ungewisse Zeit verschoben wurde, aber da habe ich genug Lektüre, langweilig wird mir ganz sicher nicht.“

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