RALLYE

  • Motorline auf Facebook
  • Motorline auf Twitter
WRC: Katalonien-Rallye

Minor: Saisonende vor würdiger Kulisse

Henning Solberg wollte in Katalonien mit Ilka Minor dem Asphalt näherkommen, konnte dies aufgrund von Pech aber nicht wirklich tun.

Die spanischen Rallyefans erwarteten bei ihrer Katalonien-Rallye einen Henning Solberg, der vor seinem WM-Comeback auf türkischem "Prügelschotter" kurzfristig vom geplanten Ford Fiesta auf einen Škoda Fabia R5 gewechselt hatte und mit dem für ihn ungewohnten Fahrzeug trotz längerer Pause das WRC2-Feld nicht nur dank seiner umsichtigen Fahrweise, sondern auch "auf der Uhr" im Griff hatte, wobei auch das untertrieben ist – in guter Erinnerung wird Ilka Minor wohl den Moment behalten, als sie dem verdutzten norwegischen Charakterkopf den Vorsprung auf Jan Kopecký gleich fünf Mal sagen musste, weil es der 45jährige einfach nicht glauben konnte.

Dass sich Solberg bei der spanischen Rallye auf gemischtem Belag von der ungewohnten Rolle des Dominators verabschieden musste, war dem norwegisch-österreichischem Duo sonnenklar. Schließlich spielt der Untergrund im Rallyesport eine entscheidende Rolle, und Henning Solberg gilt wie viele Skandinavier als klar definierter Liebhaber der losen Oberflächen; zudem lag seine letzte Asphaltrallye mehr als sechs Jahre zurück, wobei die Rallye Monte-Carlo eigentlich alles andere als eine typische Asphaltrallye ist. Daher absolvierten Solberg und Minor bereits am Montag vor der Rallye einen Test auf Asphalt. "Wir hatten eine gute, repräsentative Strecke zur Verfügung und konnten auch ein super Asphaltsetup bzw. Trockensetup erarbeiten", so Minor. Dass sie das Trockensetup betonte, hat einen guten (in diesem Fall eigentlich schlechten) Grund: "Auch in Spanien regnet es manchmal. Unser Pech bestand darin, dass es ausgerechnet am Samstag regnete, an dem wir von unserem Trockensetup profitieren hätten können."

Eröffnet wurde das spanische Rallyefestival am Donnerstag Abend mit einer Zuschauerprüfung in Barcelona. Die Bezeichnung Festival verdient diese Rallye mit Sicherheit. Minor gerät beim Thema Spanien und Fans ins Schwärmen: "Es waren echte Zuschauermassen entlang der Sonderprüfungen. Die Spanier waren schon immer rallyeverrückt, außerdem ist die Weltmeisterschaft seit dem Vorjahr deutlich spannender als die Jahre davor."

Schon im Vorjahr bot die Rallye-WM all das, was in den Jahren der Loeb- und der Ogier-Dominanz lediglich in den Wunschträumen der Rallyeforenphilosophen existiert hatte: Unterschiedliche Sieger, alle vier Hersteller siegfähig, Entscheidung erst beim Finale. Die Saison 2018 war wieder besser, sicherlich auch dank des märchenhaften Sieges von Sébastien Loeb, in dessen Zeichen die Topklasse am Wochenende stand.

Es ist also, salopp formuliert, die absolute "Einserware", die der WM-Veranstalter den weltweiten Medien bieten kann, doch trotz aller Spannung erlebt die Rallye-WM keinen globalen Boom: In manchen (im eigenen "fact book" als "key market" bezeichneten) Ländern wie Deutschland ist die Rallye-WM in den Tageszeitungen ein seltenes Pflänzlein geblieben, den vom Promotor angebotenen "pay content" nutzen in erster Linie die eingeschworenen Rallyeliebhaber. Auch in Österreich ist eine ständige Präsenz der Rallye-WM in den Tageszeitungen längst keine Selbstverständlichkeit mehr, wenngleich in manchen Redaktionen sehr wohl darauf geachtet wird, dass der Rallyesport präsent bleibt.

Wahre Liebe ist hingegen wie erwähnt die Beziehung vieler Skandinavier zum Schotter. Die Katalonien-Rallye widmete sich am Freitag dem losen Untergrund. Ilka Minor berichtet: "Es lief gut. Die Strecken waren trocken, die Temperaturen schön warm. Auch die Zeiten haben für uns gepasst." Auf der 38,5 Kilometer langen SP 4 La Fatarella - Vilalba markierte Henning Solberg die viertschnellste Zeit in der WRC2, mit – gemessen an der Distanz – winzigen 3,9 Sekunden Rückstand auf Petter Solberg. Hennings Bruder pilotierte einen der neuen VW Polo R5.

Dabei wäre der Rückstand wohl noch marginaler gewesen, wenn diese 38 Kilometer ausschließlich auf Schotter gefahren worden wären. Minor sagt: "Spanien ist halt eine Mischrallye, und auf dieser Prüfung kam ab Kilometer neun eine sechs bis sieben Kilometer lange Asphaltstrecke." Für Solberg wohl noch mehr Herausforderung als mit Asphaltsetup, weil wegen der Optimierung auf Schotter noch weniger Grip vorhanden ist? Spürt Minor mit ihren mehr als 100 WM- sowie insgesamt über 250 Rallyes an Erfahrungsschatz, wenn auf dem Asphaltteil der Strecke quasi das Gegenteil der sonst stets angestrebten Optimierung vorherrscht? Minor bestätigt: "Das spürt man, weil das Auto rutscht, und es sich 'schwammig' anfühlt. Es ist eben auf Schotter getrimmt. In dieser Phase ist es extrem wichtig, dass man die Reifen am Leben erhält und sich nicht zu viel des Belags wegschrubbt."

Im zweiten Durchgang am Freitag Nachmittag stellten sich leichte Probleme mit dem Differenzial ein, da musste Solberg auf der zweiten Fahrt über La Fatarella - Vilalb etwas zurückstecken. In der WRC2-Wertung belegten Solberg/Minor mit rund einer Minute Rückstand Platz sieben, vorne lagen Camilli/Veillas im VW Polo R5 exakt 11,8 Sekunden vor Rovanperä/Halttunen (Škoda Fabia R5) und Solberg/Engan (VW Polo R5). Minor: "Der Polo lief ausgezeichnet, das war schließlich erst der erste echte Wettbewerbseinsatz."

Am Samstag sorgte der erwähnte seltene Regen in Spanien dafür, dass Solberg/Minor keine Heldentaten vollbringen konnten bzw. diese wegen der suboptimalen Voraussetzungen auch gar nicht vorhatten. Am Ende des Tages belegten die beiden mit 3:33 Minuten Rückstand Platz sechs in der WRC2.

Auch am Sonntag Vormittag waren dem Duo im schneeweißen Škoda Fabia R5 die angestrebten wirklich optimalen Bedingungen offenbar nicht vergönnt. "Im ersten Durchgang war das Setup noch nicht optimal. Das hätte im zweiten Durchgang gepasst, doch da haben wir uns bei der Reifenwahl vertan, denn die waren für diese Bedingungen zu weich", so Minor.

Schließlich konnten Solberg und Minor die Katalonien-Rallye auf Platz sechs in der WRC2 beenden, im Gesamtklassement bedeutete das Rang 17. Im Vorfeld deutete Solberg an, dass er seinen Bruder unbedingt schlagen wolle. Petter Solberg und Veronica Engan (VW Polo R5) standen neben Kalle Rovanperä und Jonne Halttunen sowie Jan Kopecký und Pavel Dresler (beide Škoda Fabia R5) als Drittplatzierte auf dem WRC2-Podium. Minor: "Petter konnten wir auf keiner Prüfung schlagen, doch sein Polo lief wirklich prächtig, und wir hatten wie erwähnt selten optimale Voraussetzungen." Die fehlende Vertrautheit auf festem Untergrund könnte dazu führen, dass Solberg und Minor heuer im Rahmen einer Asphaltrallye noch einmal ins Cockpit steigen, ansonsten steht die Schweden-Rallye 2019 bereits als Fixpunkt im Kalender des Duos.

Ihr kompaktes Saisonresümee zieht Ilka Minor richtig gut gelaunt; zu Recht, denn 2018 war ein gutes, erfolgreiches und lehrreiches Jahr, und das gleich auf mehreren Ebenen. Minor sagt: "Mir ist heuer gemeinsam mit Henning die Rückkehr in die Weltmeisterschaft gelungen. In der Türkei waren wir die Schnellsten im WRC2-Feld, auch ohne WRC2-Punkte, dafür gab's ja als Gesamtsechste mächtig WRC-Punkte. Mit Johannes Keferböck waren wir in Österreich erfolgreich, haben mit dem Vizestaatsmeister das Maximalergebnis erringen können – in seiner ersten ORM-Saison seit zehn Jahren, und mit immer noch steigender Lernkurve. Spannend!"

Aller guten Dinge sind jedoch bekanntlich drei: Mit Eyvind Brynildsen hatte Minor heuer relativ unverhofft den ersten Kontakt, die gemeinsam absolvierte EM-Rallye in Lettland bewertet Minor durch die Bank positiv: "Das war ein super Einsatz mit ihm! Er ist ein guter Fahrer, aber er ist eben auch ein guter Typ!" Den heftigen Abflug erwähnt Minor nicht; vielleicht deshalb, weil für Kooperationen über blinde Kuppen in Highspeed-Kurven das nach einem kurzfristigen, zeitlich limitierten Kennenlernen sogleich vorhandene gegenseitige Vertrauen jener Faktor ist, auf den es ankommt?

Ähnliche Themen:

News aus anderen Motorline-Channels:

WRC: Katalonien-Rallye

Weitere Artikel:

Rebenland: Vorschau & Rallye Radio

Rebenland-Rallye lockt mit Spitzenfeld

Bei der zweiten ORM-Rallye sind sie alle am Start: Simon und Julian Wagner, Hermann Neubauer, ORM-Leader Michael Lengauer, Raimund Baumschlager und viele mehr....

Toyota ist mit den Regeländerungen für die WRC 2025 größtenteils einverstanden, fordert aber weniger radikale Maßnahmen bei der Beschneidung der Fahrzeuge

Achim Mörtl analysiert die Rebenland-Rallye, attestiert eine Unsportlichkeit und sieht die Rallye-Staatsmeisterschaft so spannend wie schon lange nicht mehr.

Fragen an den ORM-Promotor

Interview mit Günther Knobloch, Teil 3

Das große motorline.cc-Interview mit Günther Knobloch, dem Initiator des gemeinnützigen Promotors der Rallye-Staatsmeisterschaft (ORM) - Teil 3.