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Qoros Qamfree: Motor ohne Nockenwelle Qoros Qamfree 2016

Tanz der Ventile

Ein Motor ohne Nockenwelle bringt mehr Leistung und Drehmoment, spart aber an Verbrauch und Abgasen. Qoros hat einen solchen präsentiert.

Text: Georg Koman
Fotos: Qoros, Freevalve, FCA, BMW

Der gute, alte Verbrennungsmotor ist noch lange nicht so tot, wie viele angesichts der jüngsten Abgasdiskussionen glauben, oder uns glauben machen wollen.

Dem wirkungsgrad- und drehmomentstarken, kompakten und leisen Elektromotor gehört wohl die Zukunft. Allerdings muss er von einer Batterie gespeist werden – momentan ein Unding, das trotz seines hohen Gewichts über wenig Energiespeicher-Talent verfügt, und dessen Erzeugung genauso energieaufwändig ist wie seine Entsorgung. Ganz zu schweigen von der üblen CO2-Bilanz, wenn der Strom nicht aus erneuerbaren Energiequellen kommt.

Daher lohnt es sich durchaus, Hirnschmalz in die Weiterentwicklung des Viertakt-Verbrennungsmotors zu stecken. Ein spannender Weg, diesen effizienter zu machen, sind Systeme, die eine Unabhängigkeit von der Nockenwelle herbeiführen, oder diese im Endeffekt sogar völlig verzichtbar machen.

Die Nockenwelle hat nämlich ein paar entscheidende Nachteile: Ihr Betrieb über die Kurbelwelle via Zahnriemen oder Steuerkette kostet Energie, was den Wirkungsgrad senkt, und sie zwingt die Ventilbewegungen in ein enges Korsett, weil die Nocken sowohl Zeitpunkt (= Steuerzeit) als auch Höhe des Ventilhubes exakt vorgeben.

Logisch, dass das Motortechnikern ein Dorn im Auge ist und sie diesen Mangel an Bewegungsfreiheit deshalb schon seit vielen Jahren zu beeinflussen versuchen. Meist mittels hydraulischen oder elektromagnetischen Systemen zur Verstellung der Steuerzeiten – diese definieren die Öffnungszeiten der Einlass- und der Auslassventile.

Mithilfe der Nockenwellenverstellung kann man die Überschneidungszeiten, an denen Einlass- und Auslassventile gleichzeitig geöffnet sind, beeinflussen. Damit führt man unterschiedliche Motorcharakteristika bei niedrigen und hohen Drehzahlen herbei.

Bei niedrigen Drehzahlen erreicht man durch eine geringe Überschneidungszeit mehr Drehmoment, bei hohen Drehzahlen hingegen durch eine größere Überschneidungszeit mehr Maximalleistung. Die Namen dieser Systeme sind Benzinbrüdern und -schwestern seit Jahren bekannt, sie lauten etwa VANOS (BMW - Bild links oben), VTEC (Honda) oder VVT-i (Toyota).

Die erste vollvariable Ventilsteuerung – genannt Multiair (Bild rechts) – präsentierte Fiat gemeinsam mit dem Zulieferer Schaeffler im Jahr 2009 für den Alfa MiTo.

Dieser Motor kommt trotz vier Ventilen pro Zylinder mit einer einzigen Nockenwelle aus, auf der Einlass-Seite erlauben elektronisch geregelte Magnetventil-Übertragungseinheiten nicht nur von der Nockenwelle unabhängige Steuerzeiten, sondern auch variable Ventilhübe. Nur wenn die Magnetventile geschlossen bleiben, folgen die Einlassventile der Nockenbewegung. Wann sie öffnen und schließen, regelt die Elektronik in Abhängigkeit von der Gaspedalstellung und der Drehzahl.

Weiterer Vorteil: Das System kommt ohne Drosselklappe aus. Sie ist zwar als Notsystem vorhanden, bleibt aber im Normalfall völlig geöffnet. Aus Techniker-Sicht ist ja nur eine offene (oder nicht vorhandene) Drosselklappe eine gute Drosselklappe. Der durch ihr Schließen erfolgende Gegendruck ist nämlich ein echter Effizienzkiller und einer der größten Nachteile des Benziners gegenüber dem Dieselmotor, der grundsätzlich ohne Drosselklappe auskommt.

Den entscheidenden Schritt zur Unabhängigkeit der Ventile präsentierte nun der junge chinesische Autohersteller Qoros im April 2016 auf dem Pekinger Autosalon: Die Kompakt-SUV-Studie Qoros Qamfree 3.

Das Spannende daran ist vor allem ihr Motor: Der bekannte 1,6-Liter-Vierzylinder erhielt nämlich von der Firma Freevalve – diese gehört dem schwedischen Supersportwagen-Hersteller Koenigsegg – einen Zylinderkopf verpasst, der ganz ohne Nockenwelle (und natürlich auch ohne Drosselklappe) auskommt. Qoros hat derzeit mit schwachen Stückzahlen zu kämpfen, weil man nicht den klassisch chinesischen Billig-Weg geht, sondern mit viel europäischem Know-how modernste, fesch designte Autos anbietet, die allerdings auch ihren Preis haben. Mutig, dass man diesen Weg sogar noch verstärkt und mit dem Qamfree ein echtes technisches Rufzeichen setzt.

Zwar schweigt man noch über den exakten Zeitpunkt des Serien-Einsatzes, aber die Eckdaten klingen vielversprechend: Die 16 Ventile des Vierzylinder-Turbobenziners werden via Elektronik pneumatisch-hydraulisch betätigt, Öffnungszeiten und Hub sind für jedes Ventil einzeln steuerbar. Leistung und Drehmoment klettern um jeweils fast 50 Prozent auf 231 PS bzw. 330 Nm, der Verbrauch soll gleichzeitig um 15 Prozent sinken.

Noch mehr – um rund 30 Prozent – sinken die Abgas-Emissionen, wie zum Beispiel NOx. Die Wurzel der jüngsten Abgasprobleme ist nämlich die an sich verbrauchssenkende Direkteinspritzung. Der Freevalve-Motor kann aufgrund seiner überlegenen Technik aber auf eine solche verzichten und kommt mit einer herkömmlichen, in Sachen Abgas-Emissionen völlig unverdächtigen, Saugrohreinspritzung aus. Eine Zylinderabschaltung im Teillastbereich ist zudem so einfach realisierbar wie bei keinem anderen Motor.

Anhand von Videos wird demonstriert, dass der Freevalve-Motor im Leerlaufbereich gleich laut ist wie ein herkömmlicher Nockenwellen-Motor, aber angenehm dumpf klingt. Bei hohen Drehzahlen bleibt diese Sound-Charakteristik erhalten, die Lautstärke ist aber um rund fünf Dezibel geringer. Selbst Klang-Connaisseure sollten hier keinen Grund zur Klage finden.

Die Standfestigkeit ist noch ungeklärt, Freevalve verspricht aber Mobilität im Notprogramm selbst bei einem Ausfall von 75 Prozent der Ventile. Sollte sich die Sache in absehbarer Zeit kostenmäßig darstellen lassen, dürfte damit ein echter technischer Meilenstein auf uns zurollen.

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