Hans Peter Voglhubers Kolumne | 18.02.2008
Die FIA Formel 1-WM - ein Weg und kein Ziel
Hans-Peter Voglhuber beklagt in seiner jüngsten Kolumne die de facto-Einheitsformel Formel 1 und blickt voraus auf die bevorstehende Formel 1-Saison.
Hans-Peter Voglhuber
Was ich seit Jahren kritisiert habe, scheint nun eingetreten zu sein. Die Formel1 in ihrer ursprünglichen Form ist endgültig zu Tode reglementiert. Natürlich würde das keiner der verantwortlichen Totengräber so sehen, aber das gegenwärtige „Produkt Formel1“ spricht für sich. Aus der ehemaligen „Königsklasse Formel1“ ist eine „Einheitsformel Formel1“ mit gleichgeschalteter Technik entstanden. Identisches Chassis, identische Motoren, ein einziger Reifentyp, ein Treibstofflieferant und der beste Fahrer mögen in naher Zukunft gewinnen!
Bezahlen sollen das Ganze weiterhin Autokonzerne, TV-Stationen und Sponsoren, welche dafür die Einheitskarren mit ihren Markennamen und ihrer speziellen Kriegsbemalung versehen dürfen. Damit würde allerdings das Motto „Wer zahlt, schafft an!“ ad absurdum geführt. Aber es ist ohnehin fraglich, wie lange die Konzerne noch zahlen werden, was die FIA sich laufend ausdenkt und anschafft.
Apropos Geld; - es ist schon erstaunlich, welche Unsummen in der Formel 1 Jahr für Jahr für Renner aufgewendet werden (müssen?), deren grundsätzliche Konstruktionsmerkmale seit Jahren beinahe unverändert sind. Immerhin wird nun auch schon von manchen Teams kleinlaut zugegeben, dass es sich bei den „neuen“ Boliden für die Formel1-WM 2008 lediglich um „Evolutionsmodelle“ handelt. Die Präsentationen der 2008er-Boliden fielen daher auch größtenteils dementsprechend leise und bescheiden aus.
Dass seit Jahren nie mehr wirkliche Neukonstruktionen auf die Räder gestellt wurden, liegt zwar größtenteils am einengenden, teilweise unsinnigen FIA-Reglement, aber auch an der mangelnden Kreativität und Betriebsblindheit der Teams, gepaart mit einem guten Schuss Angst vor der eigenen Courage, sprich vor dem Versagen, frei nach dem Motto: „Wer nichts (Neues) schafft, der macht auch keine Fehler!“
Superhirne unter dem Diktat der Windkanäle
Der außergewöhnliche Ideenreichtum eines Colin Chapman ist wohl für immer aus dem Formel 1-Zirkus verschwunden und die Eierköpfe und „Superhirne“ sind endgültig dem Einfluss und Diktat der Computer und Windkanäle erlegen. Kreativität, Hausverstand und logisches Denken haben abstraktem, oftmals praxisfremdem Gedankengut Platz gemacht.
So hilfreich Computer, Stempel-Schwinganlagen, Windkanäle etc. auch sind, die Realität können sie nicht hundertprozentig simulieren. Im Gegenteil, ihre Ergebnisse führen schnell in die Irre, wenn sie etwa ungenau ausgewertet oder falsch interpretiert werden. Doch selbst, wenn alles richtig gemacht wird, auf der Rennstrecke sieht vieles trotzdem wieder ganz anders aus. Die Bedingungen in freier Wildbahn sind eben nur sehr begrenzt künstlich nachzuahmen. Wenn ich mir die Renner ansehe, frage ich mich, was die Teams Tag und Nacht in den Windkanälen tun; - etwa Windgebäck herstellen oder jenen Wind produzieren, den sie in der Öffentlichkeit ständig um ihre Windkanäle in der Öffentlichkeit machen?
Mehr praxisbezogenes Arbeiten und weniger Theorie wären sicher oftmals billiger und zielführender. Eine diesbezügliche Möglichkeit wäre, der Formel 1-Inzucht frisches Blut in Form von versierten, kreativen Quereinsteigern zuzuführen. Quereinsteiger, welche mit Unterstützung aus dem Team ihre Ideen soweit ausbauen, dass diese bei Aussicht auf Erfolg auch schnell realisiert werden können. Das Ganze sollte unabhängig vom aktuellen Geschehen passieren.
Aber Peter Sauber brachte es mir gegenüber schon 1998 auf den Punkt: „Es ist uns schlicht und einfach nicht möglich, Vorschläge auf ihre Machbarkeit und Regelkonformität zu überprüfen, selbst auf die Gefahr hin, dass uns dabei etwas Grundlegendes entgeht. . . .“ Alles klar, oder?
Abgesehen davon, was würde wohl der Chefdesigner sagen, wenn der Quereinsteiger am Ende erfolgreicher sein sollte, wie das „Superhirn“ himself? So meinte bereits zwanzig Jahre davor (1978) der selige Harvey Postlewaite zu meiner „10-Zylinder-Philosophie“: „Wenn der Zehnzylinder-Motor die Wunderwaffe wäre, hätten wir ihn längst gebaut.“ Na, ja, das haben sie ja dann auch getan, die „Superhirne“; - zehn Jahre später!
Die heurige Formel1-Saison könnte für manches Team zur WM der Entscheidung werden. Im Gegensatz zur ursprünglichen Formel 1 stellen heute die Autokonzerne die Elite des Starterfeldes: BMW, Mercedes, Renault, Honda und Toyota; - Ferrari war ja immer schon dabei. Da jedoch nur ein Team Weltmeister werden kann, ist bereits der Zweite der erste Verlierer! Das ist zwar bitter, aber zu ertragen. Wenn jedoch ein Team wie Toyota Jahr für Jahr meistens im Mittelfeld herumkrebst, dann ist irgendwann einmal die Schmerzgrenze erreicht. Ein weiteres unterdurchschnittliches Jahr dürfte deswegen für Toyota allein schon aus Imagegründen nur mehr schwer verkraftbar sein.
Sollte den Japanern also heuer wieder nicht der große Durchbruch gelingen, dann wäre es wohl am vernünftigsten, das Unternehmen Formel1 zu canceln, personell auszumisten, die Organisation total neu aufzustellen und mit den vorhandenen Ressourcen in die Rallye-WM oder in die Sportwagen-WM einzusteigen. Unter großen Durchbruch verstehe ich zwei, drei Siege, bei mindestens sechs weiteren Rennen wenigstens einen der Stockerlplätze (2. oder 3.) belegen und in den restlichen Rennen zumindest mit einem Wagen in den Punkterängen zu sein. Das wäre dann zwar immer noch nicht der WM-Titel, aber jedenfalls ein Ergebnis, das ein Team wie Toyota dringend bräuchte und das die Chancen auf einen künftigen WM-Titel wesentlich erhöhen würde.
Es gilt das MUSS
Doch auch für die anderen Automobilkonzerne gilt das MUSS: McLaren Mercedes muss den WM-Titel wieder einmal gewinnen, Ferrari muss den Titel verteidigen, BMW muss endlich ganz vorn dabei sein und Rennen gewinnen, Renault muss wieder den Anschluss an die Spitze finden und Honda muss endlich wieder konkurrenzfähig sein.
Sicher möchte auch Williams im vordersten Drittel des Formel1-Feldes mitmischen, doch wird es schwer genug sein, die roten Bullen und möglicherweise auch deren Ableger Toro Rosso in Zaum zu halten. India Force sollte kein Angstgegner der Engländer sein und für Super Aguri wäre es wahrscheinlich schon ein Erfolg, die gesamte Formel1-WM dabei zu sein.
Auch für manchen roten Bullen dürfte die heurige Saison ein Jahr der Entscheidungen werden. Besonders für „Superhirn“ Newey, dessen „geniale“ Renner voriges Jahr gar nicht so genial waren. Wenn es ganz dumm läuft, könnten nächstes Jahr einige „Genies“ aus dem Bullenstall eliminiert sein.
Bei den Fahrern sollte Ferrari das stärkste Team haben, gefolgt von McLaren-Mercedes, BMW, Renault, Williams, Honda, RBR, Toyota und Toro Rosso.
Uns Formel1-Fans bleibt wie immer, sich mit den Gegebenheiten abzufinden und der bescheidene Wunsch, dass diese Formel1-Weltmeisterschaft nicht wieder durch Prozesse und Entscheidungen am grünen Tisch beeinträchtigt und verfälscht, sondern endlich einmal ausschließlich auf der Rennstrecke entschieden wird.