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Eine Frage der Perspektive

Dass der X1 zu den beliebtesten Modellen der Münchner gehört, ist an sich nichts Neues. Sehr wohl aber, dass der gar nicht mehr so kleine BMW in neuer Ausführung diesen Vorsprung noch weiter ausbauen könnte. Wir schnappten uns den Top-Diesel.

Roland Scharf

Natürlich sind kurze Ladezeiten beeindruckend genau so wie lautloses, emissionsfreies Dahingleiten. Oder auch hohe Literleistungen, große Turbos und deren Sound, wenn man das andere Extrem moderner Fahrzeugtechnik bemühen möchte. Und dennoch kommt bei einem Firmenwagen in vielen Fällen dann eine winzige Zahl daher, die Elektro, Benziner und alles andere beim Autoquartett des modernen Berufskraftfahrers schlagartig aussticht: 1.084. So viele Kilometer nämlich schafft der X1 Diesel, wenn der Tank voll ist, was einmal mehr zeigt, wo die Vorzüge eines modernen Selbstzünders liegen, und auch immer liegen werden. Natürlich darf die Frage jetzt erlaubt sein, was ein so aufwändiger Motor in einem kleinen SUV wie dem X1 verloren hat, denn: der 218 PS starke 23d wie wir ihn hier vor uns stehen haben, kostet in der Basis schon einmal 40.760 Euro netto. Gönnt man sich jetzt noch Dinge wie das Innovations-Paket (3.700 Euro), Sitzheizung vorne (295 Euro), den größeren Kraftstofftank (heiße 40 Euro) oder die Edition Ultimate (4.410 Euro, das M-Lederlenkrad kostet dennoch zusätzliche 220 Euro) kommt man schon verdächtig nahe an die 70.000-Euro-Schallmauer – für einen X1! Doch wie so vieles im Leben muss man auch hier ein wenig relativieren. Ein guter Grund für uns, Münchens neues Wunderkindl näher unter die Lupe zu nehmen.

Rundumschub
In dritter Generation ist X1 nämlich nicht mehr X1. Nach der etwas ratlosen ersten Generation, die nicht so genau wusste, ob sie vielleicht doch lieber ein Kombi sein wollte, und der wirklich sehr kompakt geschnittenen zweiten Variante strotzt die dritte Auflage mit ungeahnten Dimensionen: Mehr Außenlänge, mehr Breite, vor allem aber ein verlängerter Radstand ergeben ein Maß, das nicht nur die bisherigen Auflagen ganz easy in den Schatten stellt. Sie ist sogar sehr sehr knapp an der ersten X3-Generation dran, die lange Zeit eine sehr treue Community besaß. Kein Wunder also, dass für viele der X1 nun das optimale Firmenauto-Maß darstellt, man darf sich von seinem klein klingenden Namen also nicht täuschen lassen. Ja und weil hier das Gardemaß für Flottenkunden schon anvisiert worden ist, kann man natürlich ernsthaft den Kauf eines Diesel diskutieren.

Neben unserem Topselbstzünder gibt es noch zwei schwächere Version des Zweiliter-Vierzylinders namens 18d und 20d. Letzterer kostet gut 2.000 Euro weniger und kommt auf 163 PS. Dass man sich beim Kauf des 18d gleich einmal 3.500 Euro netto spart, liegt nicht nur an den lediglich 150 PS Leistung. BMW entnahm ihm auch das Mild-Hybrid-System – eine Vorgehensweise, die sich übrigens auch bei den Benzinern zeigt: Der 18i für 34.023 Euro mit 136 PS und drei Zylindern arbeitet rein mechanisch. 20i und 23i erhalten jeweils das 48-Volt-Bordnetz samt kleinem E-Motor, wobei der 20i weiterhin mit dem 1500er-Dreizylinder auf 170 PS kommt und 1.500 Euro teurer ist. Der 23i hingegen verfügt über den Zweiliter-Vierzylinder und 218 PS, kostet aufgrund des komplett anderen Technikpakets aber auch gleich einmal 7.450 Euro mehr. Generell hat BMW das Angebot ziemlich gestrafft: Siebengang-Doppelkupplung ist Serie, die Topmodelle haben Allrad, alle anderen Frontantrieb. Nebenbei sei noch bemerkt, dass seit Jahreswechsel auch zwei Plug-in-Varianten mit 245 und 326 PS im Angebot sind, die bei 42.542 Euro netto starten. Und der vollelektrische iX3 geht bei 48.750 Euro los.

Was gleich auf den ersten Metern auffällt, ist die fast schon digitale Art der Kraftentfaltung in vielerlei Hinsicht. Frei von Turbolöchern und Einkuppelmomenten strömt der X1 von der Ampel weg. Die elektrische Anfahrhilfe greift dabei so harmonisch in den Arbeitstakt des Schüttelhubers ein. Wo man sich einen Gangwechsel erwarten würde, boostet der E-Motor dezent mit, es fühlt sich also eher nach großvolumigem Sauger an, zumal der Allrad natürlich jeglichen Schlupf gleich einmal wegrationalisiert. 7,4 Sekunden für den Sprint von Null auf 100 km/h können sich in Anbetracht der 1,8 Tonnen Leergewicht jedenfalls sehen lassen, wobei man hier natürlich realistisch bleiben sollte. Die 8,9 Sekunden des 18d sind auch noch allemal schnell genug, zumal dieser auch 40 Liter mehr Kofferraum bietet – schließlich gibt es keinerlei Akkus und Steuerelektronik unterzubringen. Hie wie da aber legt BMW bei der Geräuschkulisse die Messlatte ziemlich hoch. Der Selbstzünder murmelt nämlich dermaßen dezent, dass dagegen sogar manch moderner Direkteinspritz-Benziner des Mitbewerbs alt aussieht. Natürlich ist an dieser Stelle ein wenig Nationalstolz erlaubt, kommen diese Triebwerke ja allesamt aus der Bayerischen Motorenschmiede in Steyr. Es zeigt aber auch schön, was bei den Wärmekraftmaschinen heute noch alles an Potenzial drin ist. Die dafür nötigen Investitionen müssen sich halt irgendwie rechnen.

Fakt ist aber auch, dass sich die 400 versammelten Newtonmeter Drehmoment mit der völlig umgekrempelten Plattform des X1 pudelwohl fühlen. Das Fahrwerk hat die gebotene Leistung ganz locker im Griff, und was BMW nach wie vor deutlich besser kann als praktisch alle anderen auf dem Markt, ist die hart-aber-herzlich-Abstimmung des Fahrwerks: Straff und trocken die Grundabstimmung. Bei groben Stößen und Unebenheiten überzeugen die Dämpfer aber dennoch mit erstaunlichem Schluckvermögen. Umso mehr schmerzt es natürlich, dass die Lenkung hier die üblichen Gene vermissen lässt. Wie auch schon beim Active Tourer in der Sommerausgabe 2022 arbeitet sie zwar exakt und nicht zu indirekt, könnte aber gefühlsechter arbeiten. Und wenn wir schon beim Meckern sind: Die von Magna entwickelte Schaltbox glänzt zwar mit kurzen und weichen Schaltvorgängen, gönnt sich manchmal aber eine Gedenksekunde, was zum Beispiel beim Anfahren an Kreuzungen etwas unangenehm werden kann. Blöd in dem Zusammenhang, dass es nicht einmal Schaltwippen gibt.

Nachdem die Karosse deutlich mehr Platz zulässt, geht es auch im Innenraum ein wenig luftiger zu. Feudales Räkeln ist dennoch nicht erlaubt, gerade das Cockpit ist knapp und um den Fahrer herum geschnitten, was im ersten Moment etwas beengend wirkt. Dafür gibt es aber kein Bedienelement, das entweder schwer zu erreichen noch unlogisch platziert zu sein scheint. Das zeigt sich am schönsten an den Lenkradknöpfen (ja, echte Knöpfe!), deren Anzahl auf den ersten Blick etwas mager wirkt. Die Funktionen sind aber clever verteilt, sodass bei der Bedienung von Tempomat, Bordcomputer oder Radio es einem an nichts fehlt. Das ist aber leider nicht überall so. Die Klimasteuerung etwa erfolgt ausschließlich über den Touchscreen, der naturgemäß während der Fahrt nie ganz treffsicher getroffen werden kann. Zwar gibt es auf der Mittelkonsole noch Lautstärkeregler und die Buttons für Fahrprogramme und andere Basic-Funktionen – das ergonomisch erhabene iDrive-Regelwerk wäre hier aber eine feine Ergänzung gewesen. Viele hätten da auch auf die cleane Optik gerne verzichtet.

Noch ein Wort zum Platzangebot: Der Fond ist nicht übertrieben groß geschnitten, BMW wendet aber auch hier erfolgreich einen Trick an: Die Fondbank lässt sich um 23 Zentimeter in der Länge verschieben. Wer also zu viert einmal unterwegs ist, kann so einfach ein wenig vom Kofferraum abzwacken – und schon gibt es Kniefreiheit auf dem Niveau der gehobenen Mittelklasse.

So viel also die Frage, warum man heutzutage einen X1 noch mit einem starken Diesel ausstaffieren sollte: Die Kombination ergibt für Vielfahrer einfach erstaunlich viel Sinn, wobei sich hierbei eine ganz andere Frage auftut: Wenn das kleine Bayern-SUV schon dermaßen stattlich geworden ist – wer benötigt dann eigentlich noch den X3?

Technische Daten:
BMW X1 23d xDrive
Hubraum | Zylinder
1995 cm3 | 4
Leistung 211 PS (155 kW)
Drehmoment 400 Nm bei 1.500/min
0–100 km/h | Vmax 7,4 s | 225 km/h
Getriebe | Antrieb 7-Gang aut. | Allrad
Ø-Verbrauch | CO2 4,6 l D | 126 g/km (EU6d)
Kofferraum | Zuladung 500–1.545 l | 575 kg
Basispreis | NoVA 50.600 € (inkl.) | 5 %

Das gefällt uns: Platzangebot, Fahrverhalten, Diesel in bester Form
Das vermissen wir:eigentlich nur das gute alte iDrive
Die Alternativen:Audi Q3, Mercedes GLA, als Benziner der Volvo XC40

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