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Ein guter Jahrgang!

Medizinern ist es ja streng genommen ein Dorn im Aug, doch wir Österreicher greifen statistisch gesehen fast alle gern Abends zu einer guten Flasche Wein, um einen anstrengenden Tag gebührend runterzuspülen. Als Sinnbild passt das gut zum MX-5, der mittlerweile genau zur richtigen Zeit im rechten Maße gealtert ist, um dem puristischen Autonarren nach einem ermüdenden Tag voller Elektrisierung, Digitalisierung und Über-E-Motorisierung als perfektes Tröpferl zum Runterkommen zu dienen.

Johannes Posch

Bevor wir zum Auto kommen, lasst uns noch weiter über Wein reden. Dass nicht jeder Wein mit dem Alter besser wird, sollte sich mittlerweile schon ausreichend herumgesprochen haben. Dafür reicht es ja oft auch, selbstbewusst einfach mal die vor zwei Sommern "vergessene" Flasche Welschriesling zu köpfen und nach dem ersten Schluck doch lieber noch schnell zum Supermarkt zu fahren. Doch auch Rotweine werden nicht "alle" besser. Tatsächlich ist die Expertenmeinung, dass nur 10 % der Rotweine und höchstens 5 % der Weißweine nach fünf Jahren besser schmecken als im ersten Jahr nach der Flaschenfüllung. Und um nun endlich wieder zum Thema Auto zu kommen: Das ist bei unseren vierrädrigen Begleitern kaum anders. Der MX-5 hingegen ist definitiv eines dieser 5 bis 10 Prozent!

Acht Jahre hat der Typ ND, wie Insider den aktuellen Mazda MX-5 nennen, nun schon auf dem Buckel. Rund drei Jahre zogen ins Land, seit der Hersteller ihm eine Modellpflege im Sinne von überarbeiteten Motoren angediehen ließ. Nach Auto-Maßstäben ist der kleine Roadster also eigentlich „alt“. Und doch wirkt kaum ein heute erhältliches Fahrzeug so erfrischend wie er.

In Zeiten der zunehmend digitalen Superlativen steht der MX-5 fast wie eine Antithese zu allem da, was in der Autobranche gerade passiert. Während die vornehmlich auf hoch technologisierte SUVs setzt, die zunehmend stärker und größer werden, präsentiert sich der MX-5 als das ziemlich genaue Gegenteil. Selbst gemessen an aktuellen Kompaktwagen wie dem Golf mit seinen 4.284 Metern Länge wirkt der Japaner winzig; ist mit 3,915 Metern fast 37 Zentimeter kürzer. Davon, dass sein Stoffverdeck ungefähr auf Schulterhöhe des Wolfsburgers endet, gar nicht zu sprechen.

Passend zu den Außenmaßen geht’s folgerichtig auch innen eher kuschlig zu. Großgewachsene und solche mit langen Oberkörpern müssen beim Finden der Sitzposition also wohl kreativ werden, denn höhenverstellbar ist das Gestühl nicht. Macht aber nichts: Die Verstellbereiche von Lenkrad und Sitz reichen trotzdem locker, um eine adäquate, also ergonomisch gute Position zu finden. Nur eben vielleicht eine, an die man sich erst etwas gewöhnen muss.

Auf Los geht's los


Und dann hat die Mechanik ihren großen Auftritt. Das Verdeck ist altbekannt mit zwei Handgriffen, die richtige Technik und ausreichend Schwung vorausgesetzt, in schätzungsweise zwei Sekunden geöffnet. Das Schließen dauert auch nur marginal länger. Dann: Motor starten. Unser Testwagen fuhr mit dem Bestseller vor, also dem Einstiegsvierzylinder mit 1,5 Litern Hubraum, 132 PS und putzigen 152 NM maximalem Drehmoment. Nein, kein Tippfehler. Mehr ist‘s nicht. Mehr braucht's aber bei 996 kg Leergewicht auch nicht unbedingt. Klar muss aber erwähnt sein, dass der G-132 kein Sportwagenjäger ist. Dafür gibt’s denn auch sonst „ernster“ abgestimmten G-184 mit seiner Zweilitermaschine, Sperrdiff und Co. Der Basis-MX-5 hingegen ist das perfekte Auto zum Genießen puren Autofahrens.

Das Fahrwerk etwa ist weich und lässt überraschend viel Karosseriebewegungen zu, was aber in Kombination mit dem geringen Fahrzeuggewicht zu objektiv hoher und subjektiv sogar noch immersiver empfundener Kurvenkompetenz führt. Der Antrieb wiederum hält sich beim lässigen Dahingleiten angenehm zurück, arbeitet sich auf Fußkommando aber herrlich gierig durch das Drehzahlband. Nähert man sich hier sodann dem Begrenzer, sorgt das Getriebe für gleich das nächste Zungenschnalzen. Kurze Wege, knackiges Feeling, griffige Kugel obendrauf … herrlich! Ebenso wie die Tatsache, dass der längs eingebaute Motor bei besagten Schalthebel in unterschiedlichsten Situationen nicht unwesentliche Bewegungen auslöst. Heißt: Hier spürt man das Auto noch tatsächlich arbeiten, während man auch über die Lenkung erstklassiges Feedback von der Straße bekommt und durch die tief ins niedrige Auto gekauerte Sitzposition immer mitten im Geschehen steckt. Gleichzeitig aber bringt der Wagen auf Landstraßen bei allem „Ausdrehen“ und durchaus möglichem „Heck raushängen lassen“ nicht zwangsweise und ständig den eigenen Führerschein in Gefahr. Mehr noch: Ganz nebenbei darf man sich sogar über eine gewisse Sparsamkeit freuen. Nach unserer genormten Verbrauchsrunde landeten wir mit 6,2 knapp unter der WLTP-Angabe von 6,3 Litern Super auf 100 km. Nicht schlecht.

„Der Akt des Schmückens“


Und dann ist da freilich noch die B-Note; der Abgang, um bei Wein zu bleiben. Also das ganze Drumherum beim MX-5, wobei das quasi in zwei Abteilungen zu unterteilen ist: Design und Technologie. In ersterer Hinsicht gilt natürlich, dass Schönheit immer im Auge des Betrachters liegt, doch zumindest unserer Meinung nach ist der kleine Japaner immer noch einer der schönsten Roadster, der überhaupt jemals gebaut wurde. Außen wie innen, wo zudem gerade für den Preis immens hohe Qualität und feines Ambiente geboten wird. Insbesondere natürlich in der für das Modelljahr 2023 lancierten Sonderedition „Kazari“, was auf Japanisch eine tief kulturell verankerte Art und Herangehensweise ans Dekorieren und Schmücken beschreibt. Ein gut gewählter Name, denn gerade in Kombination mit einem hellen Lackton wie hier wird der Kazari mit seinem braunen Dach und ebenso gefärbtem Leder innen zum kleinen Nobelhobel.

Nur die Technologie kann diesen Anspruch Anno 2023 nicht mehr so ganz mitgehen. Der Infotainment-Screen ist klein, die Auflösung „zweckdienlich“ und die Rückfahrkamera, die in der Heckschürze ein wenig die Optik ruiniert, erinnert bei der Bildqualität an die ersten Foto-Handys. Ist aber alles halb so wild. Die Soundanlage "powered by Bose" ist nämlich gut und für Apple Carplay oder Android Auto reicht der Screen allemal. Und da bleiben dann ohnehin keine Konnektivitäts-Wünsche offen …

FAZIT

Nicht trotz, sondern gerade wegen der Tatsache, dass mittlerweile 1.000 PS starke E-Autos mit Luftfederfahrwerk im Markt angekommen sind, ist der MX-5 ein echtes Juwel. Er bietet irrwitzigen Fahrspaß, ganz ohne Reue. Er ist preislich erreichbar, gleichzeitig eine Spaßgranate höchster Güte und dabei wirtschaftlich genug, um im Alltag nie grundsätzlich eine Gefahr für Führerschein oder Bankkonto zu sein. Fest steht: In Zeiten wie diesen, in denen Cabrios schon per se immer seltener werden und Autofahren zunehmend zur digitalen Erfahrung wird, ist der MX-5 eine herrliche, analoge Antithese, die auch nach ein paar Jahren am Markt nichts von seinem Reiz verloren hat. Ganz im Gegenteil … Er ist der perfekte abendliche Tropfen zum Genießen und Runterkommen.

Technische Daten:
Mazda MX-5 Kazari
Hubraum | Zylinder
1.496 cm3 | 4
Leistung 132 PS (97 kW)
Drehmoment 152 Nm bei 4.500/min
0–100 km/h | Vmax 8,3 s | 204 km/h
Getriebe | Antrieb 6-Gang man. | Hinterrad
Ø-Verbrauch | CO2 6,3 l S | 142 g/km (EU6d)
Kofferraum 130 l
Basispreis | NoVA 31.590 € (inkl.) | 8 %

Das gefällt uns: dass Mechanik auch 2023 noch so begeistern kann, wenn sie so gut ist wie hier
Das vermissen wir: höchstens die Option, das Infotainment einfach gleich ganz wegzulassen
Die Alternativen: neu?! Eigentlich keine. BMW Z4 und Porsche 718 sind größer, teurer, digitaler ... keine Alternativen eben. Charakterlich kommen eigentlich nur Toyota GR86 & Subaru BRZ in Frage. Cabrioversionen bleiben uns hier ja aber leider verwehrt.

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