CLASSIC

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So gut wie neu: Jensen Interceptor S

Spirit of West Bromwich

De facto ein Neuwagen: Die britische Firma VEight unterzieht einen britischen Klassiker einer Frischzellenkur inklusive Herztransplantation.

Wem ein Bentley zu fad und ein Mercedes zu bourgeois war, der hatte in den 1960ern und ’70ern eine Handvoll in Kleinserien gebaute Alternativen – in Italien warben zum Beispiel Iso Rivolta oder de Tomaso um die verwöhnte Kundschaft mit dem nötigen Budget, aus der Schweiz kam der Monteverdi, aus Deutschland der Bitter CD. Großbritannien hatte Marken wie Bristol und Jensen zu bieten.

Gemeinsam hatten sie alle die Exklusivität durch geringe Stückzahlen und die Antriebstechnik aus den USA. Der ab 1966 gebaute Jensen Interceptor beispielsweise vertraute auf V8-Motoren von Chrysler mit bis zu 7,2 Litern Hubraum und über 330 PS.

Seine strenge Linienführung war das Werk der italienischen Karosseriefirma Touring, und es gab ihn auch als Jensen FF mit Allradantrieb von Ferguson – weltweit der erste Serien-PKW mit 4x4-Antrieb.

Vom Interceptor wurden bis 1976 insgesamt nur knapp über 7.000 Stück gebaut, dazu 318 Stück FF. Da hatte das elegante Coupé sich bereits den Ruf des Gentleman’s Express schlechthin gesichert.

In der Praxis standen diesem Ruf allerdings ein nicht allzu agiles Fahrverhalten, beständige thermische Probleme und ein elendiglich schlechter Benzinverbrauch gegenüber.

Jungbrunnen und Herztransplantation

Hier setzt die Firma VEight Ltd. an. Die britischen Spezialisten wollen über die reine Restaurierung hinaus bestehende „Klassiker“ in sanfter Weise technisch up to date bringen (Frevel?) und bauen aus ausgesuchten „Spenderfahrzeugen“ praktisch komplett neue Autos.

Die völlig gestrippten Original-Karosserien kommen ins Elektrophorese-Bad und werden dann nach Kundenwunsch neu lackiert. Die Hinterradaufhängung wird gegen eine Konstruktion aus dem Hause Jaguar ersetzt.

Das verbreitert die Spur – deshalb sind die hinteren Radkästen leicht ausgestellt - und reduziert den Tankinhalt, aber nicht die Reichweite, denn auch der durstige Chrysler-V8 wird ausgetauscht.

Standesgemäß kommt wieder ein amerikanischer Achtzylinder zum Zug, aber diesmal ein 414 PS starker LS2 aus dem Hause General Motors, samt dazugehöriger Viergang-Automatik mit Overdrive.

Der moderne(re) Wählhebel der Schaltung ist gemeinsam mit einem dezent-silbernen Startknopf auch praktisch der einzige Hinweis im Innenraum, dass man nicht in einem Original-Jensen sitzt.

Moderner Klassiker

Ansonsten wird das Interieur neu gefertigt (selbstverständlich auch nach Kundenwunsch), das Cockpit bleibt aber originalgetreu. Tip des Verfassers, falls Sie zuschlagen wollen: außen marineblau, innen schwarz, so gehört sich das.

Auch Fahrwerk und Bremsen werden der neuen Leistung angepasst, Dinge wie ABS, ESP oder Airbags sucht man aber vergebens; es ist ja doch immer noch ein Klassiker!

Weil das Ganze auf einem bestehenden Fahrzeug basiert, gilt es zumindest in Großbritannien als Oldtimer mit allen zulassungs- und versicherungstechnischen Vorteilen.

Jensen Interceptor S nennt sich das wiedergeborene Coupé; 50 Stück sollen entstehen, auf Anfrage und bei Vorhandensein eines geeigneten Spenderautos sicherlich gerne auch in „left hand drive“. Der Preis: GBP 74.960,- zzgl. Abgaben.

Jensen?

Die 1934 in West Bromwich gegründete Firma Jensen war auf den Bau von exklusiven Luxusautos spezialisiert; ausgerechnet ein „volksnahes“ Produkt sollte ihr den Hals brechen. Das bekannteste und langlebigste Modell der Marke war der Interceptor in seinen verschiedenen Leistungsstufen.

Von ihm gab es neben dem FF auch eine Cabrio- und eine kurzlebige Stufenheckvariante. Die Luft für solche Superluxus-Autos wurde aber langsam dünn, deshalb wollte man vor allem für den US-Markt eine Alternative anbieten.

Gemeinsam mit Sportwagen-Pionier Donald Healey stellte man deshalb den Jensen-Healey auf die Räder, dessen Entwicklungskosten und anfängliche Qualitätsmängel das Unternehmen schließlich 1975 in den Konkurs trieben.

Es gab verschiedene Neustarts, so entstanden ab 1983 noch einmal 14 Interceptor mit der Bezeichnung Series 4 und 5,9l-Motor. 1999 erlebte die Marke einen kompletten Relaunch unter ehemaligem Rolls-Royce-Management und einem neuen Modell; auch daraus wurde letztlich kein dauerhafter Erfolg.

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