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Ausgezockt!

Der Crash bleibt aus, die neuen Klassiker kommen: Oldtimer-Experte KR Franz Steinbacher analysiert den Markt für historische Fahrzeuge.

KR Franz R. Steinbacher

Die in der gesamten Szene derzeit wohl am meisten gestellte Frage ist die über die zukünftige Entwicklung des Marktes und damit untrennbar verbunden auch die Entwicklung der Oldtimer-Preise. Durchaus verständlich angesichts einer der größten Finanzkrisen, die diese Welt je gesehen hat.

Aber völlig anders als bei Aktien- oder Immobilien-Spekulationen, wird beim Kauf eines Oldtimers von den seriösen Sammlern, nicht ausschließlich auf einem Wertzuwachs spekuliert, hier ist primär das, ins Auge gefaßte Objekt, die treibende Kraft für einen möglichen Kauf. Kein ernstzunehmender Sammler würde einen Flügeltürer kaufen, wenn er auf der Suche nach einen Alfa Romeo 8C, einen Mercedes-Benz 540 Typ K-Cabriolet A oder einen Steyr Typ 220 mit Gläser Sport Karosserie ist.

Wenn überhaupt, dann sind Oldtimer-Sammler noch am ehesten mit den Connaisseuren aus der Kunstszene zu vergleichen. Auch in der Welt der Kunst ist das Objekt selbst noch allemal wichtiger als eine mögliche Wertsteigerung.

Was macht der Markt?

Was nun die zukünftige Entwicklung des Marktes selbst anlangt, so weisen doch viele Indikatoren eindeutig darauf hin, dass eine derart unerfreuliche Entwicklung wie am Finanzmarkt auf dem Oldtimermarkt, sowohl international als auch national, nicht wirklich eintreten wird.

Es mag schon sein, dass da oder dort, mal ein Fahrzeug günstiger angeboten wird, die ganz großen Schnäppchen-Jagd, die wird aber in der Oldie-Szene, nicht wirklich stattfinden.

Kein ernstzunehmender Sammler wird eines seiner Prunkstücke bei schwächelnden Tendenzen auf den Markt werfen, wenn alle Indikatoren darauf hinweisen, dass die Post spätestens in einem Jahr wieder rasant nach oben abgeht.

Zu gut haben noch alle Experten die Marktentwicklung nach dem Tod Enzo Ferraris im August 1988, und damit verbunden den unglaublichen Höhenflug der roten Renner aus Maranello, sowie eine atemberaubende Euphorie für den gesamten Oldtimermarkt und natürlich auch den Absturz in den neunziger Jahren vor Augen. Was dann kam, war ein Jahrzehnt von anhaltenden, stabilen und permanent steigenden Preisen, bis hinein ins Jahr 2008.

Alles schon einmal dagewesen, würde mein Großvater sagen, nur die Zeitabstände werden dabei immer kürzer und die Summen werden immer größer.

Les Nouveau Riches

Apropos Summen, die allseits kolportierten knapp 1.500 Milliarden Dollar (Sie haben schon richtig gelesen), die während der aktuellen Finanzkrise vernichtend worden sein sollen, die sind ja nicht wirklich weg. Es hat sie ja nur jemand anderer.

Im gegenständlichen Fall ist die „Kohle“„ eben von den USA oder „Old Europe“ nach China, Indien oder Russland, zu einem der tausend neuen MillionärInnen übergewechselt.

Was spricht eigentlich dagegen, dass eben in Zukunft viele 300 SL, völlig gleichgültig ob Roadster oder Flügel, bzw. so rare Einzelstücke wie ein Ferrari 250 LM oder der Aston Martin DB4/GT-Zagato - aber auch alles was einen springenden Jaguar auf der Motorhaube sitzen hat, und noch vieles andere mehr - eben eine längere See- bzw. Luftreise in den fernen Osten antreten wird?

Auch nicht wirklich etwas Neues, alles schon mal dagewesen, werden viele meiner älteren Oldtimerfreunde sagen, hat doch der Großteil vor allem der teureren historischen Fahrzeuge, die meisten Kilometer bzw. Meilen eher auf den diversen Transportgeräten, als auf den eigenen Rädern absolviert.

Der Crash bleibt aus

Angesichts von nur noch knapp tausend (wenn überhaupt) erhalten gebliebenen 300 SL-Flügeltürern, oder den insgesamt 426mal gebauten BMW 328 Roadster bzw. 32 Ferrari „250 LM-Berlinetta“, erhebt sich für mich schon die Frage, warum gerade jetzt der Markt ins bodenlose abstürzen sollte.

Ich kann mich nur wiederholen: die große „Schnäppchen-Jagd“ am Oldtimermarkt, die wird angesichts aller, derzeit auf den Markt einwirkender Faktoren, gar nicht wirklich stattfinden. Im Gegenteil, es gibt derzeit eine Reihe von seriösen Investoren, die ihre Investments eher in Bereiche verlagern, die letztendlich auch noch ungeheuer viel Spaß machen. Frei nach dem Motto: eine Mille Miglia, Ennstal- oder Südsteiermark Classic in einem Ferrari, Jaguar oder Austin Healey macht immer noch um Klassen mehr Spaß als der leicht verwässerte Blick auf den Auszug eines Wertpapier-Depots.

Ein Blick zurück auf das eben zu Ende gegangene Jahr 2008 kann das alles nur unterstreichen bzw. bestätigen. Trotz kleinerer Aufs und Abs kann man mit Fug und Recht behaupten, 2008 war für den Oldtimermarkt ein durchaus erfolgreiches Jahr, das sich nahtlos an die vorangegangenen Jahre angereiht hat und mit Sicherheit einen Höhepunkt, in der mittlerweile über ein Jahrzehnt anhaltenden „Hausse“ in diesem kleinen, aber feinen Marktsegment, darstellt.

Und das trotz aller Störfeuer, eines mittlerweile weltweit schwächelnden Finanzmarktes. Ein stärkeres Zeichen für einen eigenständigen, sich positiv entwickelnden Markt, kann es eigentlich gar nicht geben.

Frei nach dem Motto, selbst wenn Aktienkurse fallen und die Zinserträge wegbrechen, bleibt der internationale Oldtimermarkt auf einem hohen Niveau stabil. Vorausgesetzt die Qualität der angebotenen Objekte stimmt, sind seriöse Sammler allemal bereit, auch tiefer ins „Eingemachte“ zu greifen.

Indikator Rétromobile

Die wahre Nagelprobe für die zukünftige Entwicklung des Oldtimermarktes, die wird allerdings erst am 7. Februar 2009 stattfinden, wenn das allseits renommierte Auktionshaus Bonhams pünktlich um 19:30 Uhr an der Porte de Versailles im Rahmen der Pariser Rétromobile zur allerersten großen Auktion ruft.

Mit so raren Exponaten wie dem 5-Liter Bugatti Typ 18 Sport (ex-Roland Garros/Louis Coataden/Colonel Giles/Peter Hampton) aus dem jahr 1913 oder dem Bugatti Typ 57 Ventoux Jahrgang 1934 aus der Sammlung Jean Michel Céréde müsste aber ein Erfolg, gewissermaßen vorprogrammiert sein.

Der wahre Hammer im Rahmen der Pariser Rétromobile wird aber mit Sicherheit der Bugatti Typ 57S Atalante aus dem Jahr 1937 sein - ein über 50 Jahre verschollenes, nach dem Tod eines englischen Sammler wiederaufgetauchtes, einzigartiges Original-Exponat. Man darf gespannt sein, ob die Prognosen der internationalen Experten mit einem Hammer-Preis von über 6 Mio. Euro auch tatsächlich realisiert werden können.

Neue Klassiker

Aber auch einige Etagen tiefer, bei den seit einiger Zeit so überaus stark nachgefragten Youngtimern, wie den diversen Alfa Spider , den Audi Quattro der achtziger Jahre, dem Autobianchi A112, den 6er-BMW-Coupés der 70er und 80er Jahre, den Ritmo Abarth der 80er, der gesamten Datsun-Z-Serie, den diversen Jaguar XJ-S, dem Toyota MR 2, den Porsche 924, 944 und 928 und so ziemlich allem, was bei Mercedes-Benz unter der Modellbezeichnung SL gebaut wurde und wird.

All diesen Fahrzeugen und noch vielen anderen Prunkstücken aus längst vergangenen Tagen, prophezeien internationale Experten über die nächsten Jahre hin eine durchaus plausible Wertsteigerung. Ganz abgesehen vom Spaß mit einem Alfa Spider, Porsche 928 oder Datsun 280 ZX, durch den beginnenden Frühling 2009 zu rollen.

Und das der Szene einmal der „Stoff“ ausgeht, auf dem unsere Träume basieren, lässt sich nicht wirklich absehen. Das Volumen wird von Jahr zu Jahr größer, und mittlerweile boomt die historische Geländewagen-Szene in einem schier unglaublichen Ausmaß.

Ausgehend aus Großbritannien haben frühe Puch/Mercedes-Benz G-Klassen den absoluten Klassikerstatus erreicht. Nicht das die Briten keine eigenen Allrad-Fahrzeuge hätten, aber die ursprünglich aus Österreich stammenden Geländewagen genießen bei den autobegeisterten Insulanern schlichtweg einen Kultstatus.

Unter Einbeziehung all dieser Faktoren bin ich eigentlich sehr zuversichtlich, was die zukünftige Entwicklung, sowohl aus nationaler als auch aus internationaler Sicht anlangt und wünsche allen Oldtimer-Freunden viel Spaß im Oldtimer-Jahr 2009, beim realisieren Ihrer Träume!

Zum Autor: Franz Steinbacher war von Herbst 1962 bis Ende 1967 (mit einer Unterbrechung 1965 zwecks Ableistung des Militärdienstes) bei Abarth am Turiner Corso Marche 38 als Renn-Mechaniker beschäftigt. Heute betreibt er gemeinsam mit seiner Frau Riki, einer ehemaligen Castrol Werbe- und Presse-Lady, ein Sachverständigen-Büro in Wien, mit Spezialisierung auf den nationalen und internationalen Oldtimerbereich und, wie könnte es bei dieser Vergangenheit auch anders sein, mit einem großen Schwerpunkt auf die Rennsportwagen der Nachkriegszeit. Seit knapp 20 Jahren publiziert Franz Steinbacher auch regelmäßig in einschlägigen Motor-Magazinen zum Thema “Beurteilung und Bewertung von historischen Fahrzeugen”.

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