
Concorso d'Eleganza: Geschichte und Geschichten | 04.05.2010
Signor Bravarone lächelt
Wer mit seinem Oldtimer zum Concorso d'Eleganza an den Comer See geladen werden will, braucht mehr als einen guten Restaurator.
mid/jwo, jg
Der 83jährige Italiener mit dem dichten Schnauzbart und den wilden grauen Haaren über der hohen Stirn sitzt als dritter Passagier im Cisitalia-Ford Cabrio, das beim Concorso d'Eleganza vor dem Haupteingang der Villa d'Este am Comer See vorfährt.
Der muntere alte Herr heißt Aldo Brovarone, und er strahlt nicht ohne Grund: Es ist eines "seiner" Autos. Er hat es als Designer vor 58 Jahren maßgeblich mit entworfen, bevor es zu Ford in die USA gegangen ist. Jetzt ist das Cabrio zum ersten Mal wieder in die Heimat zurückgekehrt.
Geschichten wie die des Cisitalia-Ford 808XF von 1952, der heute ein kalifornisches Nummernschild trägt und einem kanadischen Sammler gehört, machen den besonderen Charme der ältesten und wohl auch berühmtesten europäischen Oldtimer-Veranstaltung aus. Das Cabrio wurde von Ford 1951 bei der damals bereits konkursreifen italienischen Firma Cisitalia in Auftrag gegeben.
Henry Ford II., selbst einer der ersten Besitzer eines Cisitalia 202, versprach – so will es jedenfalls die Fama - seinem Vater Edsel auf dem Sterbebett, dessen Traum von einem Ford-Sportwagen mit italienischem Flair wahrzumachen.
Der 3,7-Liter-Sechszylinder und die Technik sollten von Ford kommen, für das Design war Cisitalia zuständig. (Dieses Rezept erinnert frappant an das spätere Abenteuer mit Alejandro de Tomaso und der Pantera der 1970er.)
In Schönheit gestorben
Einer der Designer des Cisitalia-Ford war der junge Brovarone, der später bei Pininfarina zu Weltruhm gekommen und bis 1988 dort Chefdesigner gewesen ist. Von seinem Zeichenbrett stammen unter anderem der Lancia Gamma oder der Ferrari 365P Berlinetta Speciale.Aber ein Cabrio und ein Coupé als Prototypen zeigten den Technikern bei Ford schnell, dass die standardisierte Fließbandproduktion nicht mit der Handarbeit der italienischen Karosseriebauer kompatibel sein würde. Auch Henry Fords Wahrspruch angesichts des Prototypen, nämlich "Das beste italienische Auto, das ich je gesehen habe", half da nicht viel.
Aus der Serienproduktion ist nichts geworden, Cisitalia ist pleite gegangen und kurze Zeit später brachte Ford den Thunderbird auf den Markt.
Solche Geschichten sind gemeint, wenn der Veranstalter der Concorso d'Eleganza, der alljährliche Schönheits-Schau im Grand Hotel Villa d'Este am Comer See, selbstbewusst sagt: "Wir zelebrieren die Mystik klassischer Automobile."
"Der See ruft", aber anders
Neben Pebble Beach in Kalifornien gehört der Concorso, der jeweils am letzten Aprilwochenende eines Jahres stattfindet, zu den wichtigsten Oldtimer-Veranstaltungen der Welt. Entsprechend illuster ist der Fahrzeugpark - und die Auswahl der geladenen Gäste, jedenfalls am Samstag. Tags darauf rollen die Klassiker einen Steinwurf weiter zur Villa d'Erba, deren Park dann für das zahlende Publikum geöffnet wird.Zum ersten Mal wurde der Concorso in der Villa d'Este, einem ehemaligen Bischofspalast mit einem großen Park direkt am Seeufer, im Jahre 1929 veranstaltet. Viele der Prunkstücke, die hier heute mehr oder weniger leise über den Rasen rollen, waren damals noch Science Fiction.
Es ging damals darum, herausragende aktuelle Auto-Neuheiten zu prämieren. Als Siegestrophäe winkte die "Coppa d'Oro Villa d'Este". Bis 1949 hatte dieses Konzept funktioniert - dann hat das Fließband dafür gesorgt, dass es kaum noch prämierungswürdige Einzelstücke gab. Wiederbelebt wurde die Idee dann Mitte der 80er Jahre als Schönheitskonkurrenz für edle Oldtimer, und zunächst noch in eher lockerer Folge.
Munich calling
Zur festen Institution hat sich der Concorso erst entwickelt, als BMW im Jahr 1999 auf der Suche nach einem zugkräftigen Event die Schirmherrschaft übernahm. Beim durchweg fachkundigen Publikum, das aus der ganzen Welt zum Comer See anreist, ist die Veranstaltung auch deswegen beliebt, weil man ohne große Absperrungen den Autos nahe kommen kann.Angreifen gehört sich nicht, aber das ist auch praktisch die einzige stillschweigend vereinbarte Regel. Eingeladen waren 2010 105 Oldtimer und fünf Designprototypen. Wer hier eine Chance haben will, braucht ein perfekt auf den Originalzustand hin restauriertes Fahrzeug mit funktionierender Technik und eingebauter Ästhetik - und eben auch einer spannenden Historie.
Die Münchner Mäzene bringen stets etwas aus ihrem Fundus mit, wie beispielsweise den auch nach dem WK2 noch recht erfolgreichen 328 Mille Miglia von 1937. Er wurde nach einer Odyssee durch den damaligen Ostblock umfangreich restauriert.
Gestern, heute und morgen
Seit 2002 sind am Comer See auch wieder Concept Cars zu sehen, die zum Teil speziell für diesen Anlass entwickelt oder aufgebaut worden sind. Weniger Zukunftsmusik als rührselige Reminiszenz ist die Weltpremiere des BMW 328 Kamm Coupés.Das Original ist Anfang der 1950er Jahre nach einem Unfall verschrottet worden; jetzt haben die Deutschen es für ihr Museum nachgebaut. Für die Gegenwart zweifelsohne relevanter ist der Alfa Romeo TZ3 Corsa von Zagato, eine im Auftrag eines privaten Sammlers entstandene Hommage an die "heiße" Sportwagen-Zeit der Mailänder Marke in den 1960ern.
Ihm zur Seite stehen in diesem Jahr seltene Einzelstücke. Dazu gehören ein zum Shooting Brake umgebauter Bentley Continental, ein goldener Ferrari P540 Superfast Aperta, der ein Auto aus einem Fellini-Film zitiert, ein Alfa Romeo TZ3 Corsa von Zagato und eher futuristisch anmutende Studien von Italdesign und Spardaconcept.
Bei den Vorkriegs-Rennwagen gab es übrigens einen Ehrenpreis für Egon Zweimüllers Talbot-Darracq aus dem Jahr 1926. Die "Coppa d’Oro Villa d’Este" ging an ein wunderschönes Cabrio, den Maserati A6GCS aus dem Jahre 1955. Aldo Brovarone wird das ganz besonders gefreut haben - denn auch dieser Maserati stammt aus seiner Feder.