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Die Marke Land Rover steht für Robustheit, höchste Geländegängigkeit und für einen gewissen Lebenstil. Jetzt feiert die Marke ihren 65. Geburtstag.

mid/tl

Der Land Rover war ein typisches Auto-Kind des Zweiten Weltkriegs. "Ein Sonderfahrzeug für den Einsatz in Landwirtschaft und Industrie wird in der Größenordnung von 200 Exemplaren pro Woche bei der Rover Company in Birmingham entstehen.

Der so genannte Land-Rover zeigt eine große Ähnlichkeit mit dem Jeep und soll sich auf der Straße wie im Gelände gleichermaßen wohl fühlen." - Mit diesen Worten kündete die englische Tageszeitung "Times" 1948 den neuen Land Rover an. Unmittelbar nach der Markteinführung übertrafen die Reaktionen des Publikums die Erwartungen des Rover-Managements bei weitem.

Der Bedarf an derartigen, vielfach in Landwirtschaft und Gewerbe einsetzbaren Fahrzeugen war unmittelbar nach dem Krieg weltweit enorm groß. Sogar im besiegten Deutschland förderte der sogenannten "Marshall-Plan" die Entwicklung eines solchen Fahrzeugs, der ab 1947 als Unimog (Universal-Motor-Gerät) in Serie ging.

Die Arbeit am Land Rover begann 1947. Chefingenieur Arthur Goddard verwendete als Basis das Chassis eines amerikanischen Willys Jeeps, das über einen Radstand von 80 inch (2.032 Millimeter) verfügte. Den Fahrersitz und das Lenkrad platzierten die Entwickler in die Mitte des Fahrzeugs, damit für Märkte mit Rechtsverkehr keine Umbauten oder zusätzliche Teile für die Linkslenker-Version erforderlich wurden. Auf Wunsch ließen sich zwei weitere Sitze, rechts und links neben dem Fahrer für zusätzliche Passagiere installieren.

Für die Karosserie kam mangels Stahl "Duraluminium" zum Einsatz. "Duraluminium", auch "Dural" oder "Ergal" genannt, ist eine Aluminiumlegierung mit 3,5 Prozent bis 5,5 Prozent Kupfer, Magnesium und Mangan, die eine besonders große Festigkeit aufweist, und für den Bau von Luftschiffen und Flugzeugen entwickelt worden war. Obwohl drei Mal so teuer wie Stahl, stand Duraluminium für den Land Rover in ausreichenden Mengen zu Verfügung, weil zigtausende von überflüssigen gewordenen Militärflugzeugen zum Abwracken bereit standen.

Antrieb und Getriebe für den Land Rover kamen vom parallel entwickelten Rover P3, der 1948 in Serie gehen sollte. Der Vierzylinder mit 1.595 ccm Hubraum leistete 38 kW/51 PS. Das Viergang-Schaltgetriebe kombinierten die Entwicklungsingenieure für den Land Rover mit einem zweistufigen Reduktionsgetriebe. Der erste Land Rover kannte weder Verdeck noch Türen, schon ein Sitzkissen für den Fahrer zählte zu den optionalen Angeboten, ebenso die seitlichen Verkleidungen zum Einstecken oder das Verdeck aus Canvas.

Bei der Produktionsplanung kalkulierten die Verantwortlichen konservativ. Rover rechnete mit einer wöchentlichen Fertigung von 200 Einheiten. Die Nachfrage nach dem Land Rover übertraf jedoch aus dem Stand heraus alle Erwartungen. Nach 3.048 Land Rovers 1948 waren es 1949 schon mehr als 8.000. Nur zwei Jahre später, also 1950, hatte sich die Produktion auf über 16.000 Autos verdoppelt.

1951 fertigte Rover doppelt so viele Offroader wie Limousinen. Dieser unerwartete Erfolg des Land Rovers hatte auch die ursprünglichen Planungen über den Haufen geworfen, dass der kernige Kletterer nur für vier Jahre in der Produktion bleiben sollte. Der Land Rover lief so gut, dass 1958 eine gründlich überarbeitete zweite Generation folgte. Im Bewusstsein aller Deutschen ab sechs Jahren erlangte der Land Rover ab 1966 Unsterblichkeit, als er die automobile Hauptrolle in der Samstagnachmittags im Zweiten Deutschen Fernsehen ausgestrahlten Fernsehserie "Daktari" über einen Urwalddoktor übernommen hatte.

1971 folgte die dritte Modellgeneration, wobei Land Rover in Kenntnis um den Kultcharakter, den das Auto inzwischen erlangt hatte, auf deutlich erkennbare Veränderungen des Designs verzichtete. Das galt auch für den 1983 eingeführten Nachfolger mit der Bezeichnung "Defender", unter der das Auto noch heute gebaut wird.

Allerdings sind die Tage des Land Rover gezählt, weil die Karosserie, die unverändert aus Leichtmetall auf einen Leiterrahmen aufgenietet ist, nicht einmal mehr im Ansatz den Anforderungen des modernen Fußgängerschutzes genügt. 2011 kündigte Land Rover für 2015 den definitiven Nachfolger des "Defender" an und verstörte die eingeschworene Fangemeinde mit einer Studie, die zu viel vom Charakter des Idols vermissen ließ. Somit finden die im Jahr gefertigten rund 20.000 Defender nach wie vor Absatz wie die sprichwörtlichen "warmen Semmeln". Obwohl beim Antrieb ausschließlich ein 2,2-Liter-Diesel mit 90 kW/122 PS zur Verfügung steht.

Auf den Land Rover wollen bis heute weder Armeen noch Hilfsorganisationen verzichten. Er fährt in 130 Ländern dieser Erde. Nach Auskunft des Herstellers sind etwa 75 Prozent aller mehr als zwei Millionen gebauten Autos noch immer fahrfähig. 65 Jahre als Alter für ein Automodell ist jedoch keineswegs der Weltrekord. Der Roadster von Morgan entsteht seit 1936 praktisch unverändert. Der skurrile Brite feiert somit in diesem Jahr seinen 77. Geburtstag.

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