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Wiedergeburt

Mehr als ein halbes Jahrhundert nach der Geburt der ersten E-Type Lightweight hat Jaguar sieben weitere Exemplare des Rennwagens gebaut.

mid/sta

"Thank you, Mr. Customer" - danke, lieber Kunde! Kev Riches kann sein Glück gar nicht fassen. Der Jaguar-Ingenieur sitzt in einem von nur sieben modernen E-Type Lightweight und saust damit über den alten Flugplatz im deutschen Mendig.

"Das hier ist nicht 'Car Zero', unser Prototyp", sagt Riches. "Das ist 'Car One', es ist verkauft, und der Kunde hat uns erlaubt, vor der Auslieferung damit Demonstrations-Fahrten zu machen."

Auf den ersten Blick mutet es etwas seltsam an, dass jemand ein Auto, für das er deutlich über eine Million Pfund gezahlt hat, zuerst mal verleiht. Aber es gibt dafür eine schlüssige Erklärung, später mehr dazu.

Zunächst: Nicht nur Kev Riches darf im Auto sitzen, er nimmt auch Beifahrer mit. Und die erleben eine Zeitreise zurück ins Jahr 1963. Denn mit dem E-Type Lightweight beendet Jaguar endlich eine Geschichte, die vor mehr als 50 Jahren begonnen hat. Damals sollte der E-Type, der auf den Rennstrecken schon ganz gut unterwegs war, noch besser werden. Man beschloss, ihn vor allem leichter zu machen und ihn statt aus Stahl aus Aluminium zu bauen.

18 Exemplare des E-Type Lightweight waren geplant, auf Basis des E-Type Roadsters mit Hardtop, doch es entstanden nur zwölf Stück, dann war die Luft raus aus dem Projekt - und die sechs fehlenden Fahrgestellnummern fielen in einen Dornröschenschlaf. Bis jemand die Idee hatte, dass man doch jetzt, da es der Firma Jaguar Land Rover wieder richtig gut geht, die Geschichte vollenden könnte. Man wollte aber keine Replika bauen, sondern das Auto genau so fertigen, wie die anderen zwölf Exemplare, die 1963 gebaut worden waren und von denen noch elf existieren.

Wer nun also das hochmoderne Jaguar-Werk in Whitley besucht, findet dort eine abgetrennte Ecke vor, wo so ganz anders gearbeitet wird, als man sich das vorstellt. Roboter sind hier tabu, es sind wenige Arbeiter, die vorgefertigte Aluminiumteile mit Druckluftpistolen zusammennieten. Man kann sich die Konstruktionspläne des Autos auf einem Computerbildschirm ansehen, das ging vor gut 50 Jahren nicht. Aber die Verbindungstechnik ist dieselbe wie anno dazumal.

"Das Auto ist eine Kopie", sagt Riches, "aber eine mit der größtmöglichen Nähe zum Original." Das bedeutet, dass praktisch keine Fortschritte in Sachen Karosseriesteifigkeit zu erwarten sind - weil eben auch unter dem Design alles so konstruiert und gebaut ist wie früher.

Der ebenfalls neu aufgebaute Reihensechszylinder dröhnt und unterbindet weitere Gespräche, Riches weist aber noch auf die unglaubliche Spreizung des Viergang-Getriebes hin: Er benötigt für den Flughafen-Kurs eigentlich nur die ersten beiden Gänge. "Der erste geht bis 80, der zweite bis 120 km/h", ruft der Ingenieur gegen den Lärm.

Diese sogenannte Le-Mans-Übersetzung soll hohe Endgeschwindigkeiten auf langen Geraden ermöglichen, und es wird gemunkelt, dass der E-Type Lightweight mehr als 250 km/h erreicht. Das lässt sich in Mendig nicht ausprobieren - aber selbst wenn es ginge, würde Riches das nicht tun.

"Ich fahre flott mit Ihnen, aber auch sicher", sagt er. Wer sieht, wie penibel am Ende der Transporteur des Autos den E-Type auf mögliche Beschädigungen prüft, ahnt auch, warum sich Riches hier zurückhält.

Alle heutigen E-Type Lightweight fußen auf dem zwölften damals gebauten Modell - weil es Rennwagen waren, wurden sie mit jedem Exemplar weiter entwickelt, und Nummer zwölf beherrschte den Spagat aus Schnelligkeit und Zuverlässigkeit am besten. Man glaubt das zunächst nicht, wenn man hört, mit welchem klingelnden Geräusch das Auto anspringt und wie unwillig der Motor zunächst im Leerlauf läuft.

"So war es damals, so muss es sein", sagt Kev Riches und er fügt hinzu: "Junge Leute würden das vermutlich gar nicht glauben." Erst einmal auf der Strecke, wird der 3,9 Liter große Sechszylinder wach und lässt die Muskeln spielen. 250 kW/340 PS leistet die Maschine von "Car One", sagt Kev Riches.

Diese Leistung, gepaart mit einer Kraft von 380 Newtonmetern, trifft auf gerade mal 1.020 Kilogramm Gewicht. "Homologiert ist der Wagen mit 960 Kilo", sagt Riches, doch je nachdem, welche Zusatzausstattung die Kunden wollen, kann das Gewicht auch wieder steigen.

Mit Zusatzausstattung sind übrigens nicht Dinge wie Klimaanlage oder Servolenkung gemeint - aber über einen Beifahrersitz kann man nachdenken oder über eine andere Tankanlage - Dinge, die den Charakter des puren Rennwagens wieder etwas Richtung Alltagstauglichkeit verändern.

Wobei: Eine Straßenzulassung wird keiner der sechs neuen E-Type Lightweight je bekommen, auch das zuerst gebaute "Car Zero", das bei Jaguar verbleibt, ist nichts für den normalen Straßenverkehr.

Dennoch waren die sechs zum Verkauf stehenden Wagen schnell überbucht, ungefähr 40 Sammler hatten ernsthaftes Interesse angemeldet. Damit erklärt sich auch, warum der Besitzer von "Car One" sein Auto für kleine Probefahrten zur Verfügung stellt: In Ermangelung einer echten Historie gibt die Berichterstattung seinem Auto ein wenig Leben.

"Car One" ist auf diese Weise kein reines Sammlerstück, das in einer klimatisierten Garage auf Streicheleinheiten wartet, "Car One" ist real. Das ist schön für das Auto - und es wird bei einem möglichen Weiterverkauf den Wert nochmals steigern.

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