CLASSIC

  • Motorline auf Facebook
  • Motorline auf Twitter
De-La-Chapelle Typ 55: die 1989 wiedergeborene Legende

Es begann mit einem Bierdeckel

Auf einen eben solchen soll Jean, Sohn des genialen Automobil-Konstrukteurs Ettore Bugatti, 1932 angeblich mit wenigen gekonnten Bleistiftstrichen die Umrisse eines der schönsten Sportwagen aller Zeiten gezeichnet haben: Typ 55, ein zweisitziger Roadster mit scheinbar endloser Motorhaube, schwungvoll-eleganten, langgezogenen Kotflügeln und dem typischen Bugatti-Kühler in Hufeisenform.

mid/mid

Xavier de la Chapelle, Spross einer französischen Industriellenfamilie, die sich schon um 1900 mit den Anfängen des Automobilbaus beschäftigte, ließ die Legende 1989 sodann wieder auferstehen: als De-La-Chapelle Typ 55, in der Linienführung mit dem großen Vorbild identisch, in der Technik jedoch auf dem Stand von damals. Eine glückliche Hand bewies de la Chapelle insbesondere bei der Auswahl des Antriebs: Motor, Getriebe, Kardan und Differenzial sind dem BMW 325i entnommen. Der seidenweiche Sechs-Zylinder begeistert - wie schon im Original - auch hier durch Drehfreudigkeit, Elastizität und eine für ein Cabrio schon fast überzogene Endgeschwindigkeit von 197 km/h.

Das Fahrwerk war ebenfalls vom seinerzeit Feinsten. Einzelrad-Aufhängung rundum, doppelte Querlenker, vorne mit McPherson-Federbeinen, hinten mit Schraubenfedern. Zusammen mit einer idealen Gewichtsverteilung von 45 Prozent vorne zu 55 Prozent hinten ermöglicht diese im Rennsport entwickelte Fahrwerkkonstruktion Querbeschleunigungswerte, wie sie sonst nur noch bei reinrassigen Sportwagen der 90er zu finden sind.

Der besondere Reiz des mit feinstem Leder und poliertem Nussbaum-Armaturenbrett äußerst edel ausgestatteten Renners lag aber weniger im oberen Geschwindigkeitsbereich, zumal das handgenähte Verdeck dank einer wenig sinnreichen Druckknopf-Konstruktion schon ab zirka 80 km/h größere Frischluft- oder gegebenenfalls auch Wasserportionen ins Innere lässt als den Insassen lieb sein kann. Nein, die hier beschriebene Faszination eines solchen Open-Air-Fahrzeuges liegt im ungehinderten Sehen und Gesehenwerden, ohne störendes Verdeck, mit Lederhaube a' la Red Baron, ausgestellten Seitenscheibchen, auf den kurvenreichen Landstraßen des Oberbergischen zum Beispiel oder im Flaniertempo auf der Münchener Leopoldstraße.

Wirkliche Oldtimer-Enthusiasten mögen die Nase rümpfen und etwas wie "billiges Plastikspielzeug" murmeln, aber damit tun sie dem De-La-Chapelle unrecht. In zirka 1.200 Stunden liebevoller Handarbeit entstand mit jedem Typ 55 ein kleines Kunstwerk, in dem gerade die handwerklichen Traditionen weiterlebte, die der Oldtimer-Liebhaber beim Großserien-Automobilbau so schmerzlich vermisst.

Dementsprechend war der Spaß auch niemals billig. Anno 1989 wurden für diese Reminiszenz an die "gute alte Zeit" fast 120.000 DM fällig. Unzulänglichkeiten wie rutschige Sitze, eine stößige Lenkung und die Außenspiegel verstellenden Türen gab es gratis dazu. Sicher war und ist: Spaß macht es.

mid/mid

News aus anderen Motorline-Channels:

Weitere Artikel:

Ein halbes Jahrhundert in sechs Generationen

50 Jahre VW Polo

Autos sind immer Kinder ihrer Zeit – und kaum ein anderes zeigt diesen Schlüssel zu großer Beliebtheit besser als der VW Polo. Je nach Zeitgeist und Geschmack passte er sich den Wünschen und Bedürfnissenn der Kunden an, blieb seinem Grundmotto aber stets treu: leistbare Mobilität ohne Abstriche auf der Höhe der Zeit. Wir blicken zurück auf fünf bewegte Jahrzehnte, erzählt anhand der sieben Polo-Generationen.

Wenn Genossen den Eid genossen

Helden auf Rädern: Shanghai SH760

Automobilbau in China? Vor 70 Jahren nahezu unvorstellbar. Dafür zeigte der SH760, wie schnell sich in diesem Land das Blatt wenden und man in diesem Spiel dazulernen kann. Ein Auto wie ein Spiegelbild der Lernkurve eines Landes.

Kleiner Bruder, das Luder

Helden auf Rädern: Renault 6

Plattformübergreifende Entwicklungen waren schon in Mode, bevor sie wirklich in Mode kamen. Im Falle des Renault 6, brachte das Gleichteileprinzip aber fast mehr Nach- als Vorteile mit sich.

Wenn man ein simples Arbeitstier schon überzeichnet, dann bitte ordentlich. Dass dem Mazda Rotary Pick-up dennoch keine große Karriere zuteil wurde, lag vor allem am schlechten Timing. Aber auch am Charakterdarsteller Wankelmotor.

Schiebung will geformt sein

Helden auf Rädern: Renault Estafette

Wenn sich ein Player nicht an die Spielregeln hält, muss man kreativ werden, um noch mitmischen zu können. Renaults Weg zum Estafette war etwas steinig und warf irgendwie alle Pläne über den Haufen, die man für die Marke hatte.

Ein Zwerg auf der Suche nach Identität? Streng genommen hatte der Rascal sogar viele, dazu mehrere Familiennamen und je nach Marke unterschiedliche Produktionsstandorte mit wilden Zuordnungen.