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Genealogie

Ein schmuckes zweisitziges Puch-Mopperl in der Farbkombination Lindgrün/Beige, das uns da vor dem Clublokal/Museum der Puch Freunde Steyrtal zufällig vor die Kamera gestellt wurde.

Wolfgang M. Buchta

VS 50 DS steht auf dem italienischen Büffeltank – und hier werden jetzt die Spezialisten „Aua“ schreien. Weil die VS 50 DS ist ein ganz ein rares Stück, gewandet in rosso corsa - was in Wahrheit Korallenrot heißt – mit hochgezogener Auspuffanlage, Sportlenker und kurzer Sitzbank ein echter Hingucker. Und so selten, dass es mehr aus biederen VS 50 D’s unter Verwendung von MC Tanks entstandene Sportler gibt, als Puch jemals echte DS gebaut hat. Ob das auch bei unserem Fotomodell der Fall lässt sich schwer sagen, weil es angeblich in diesem Zustand samt Tank aus Holland nach Österreich gekommen ist - und die Niederländer ja auch nicht faul beim Kreieren eigener Modellvarianten waren. Bisher jedenfalls ist eine Typisierung an dem Umstand gescheitert, dass es laut Unterlagen der heimischen Behörden dieses Fahrzeug gar nicht gibt.

Aber es liefert einen Vorwand, uns einmal kurz mit der Vergabe von Kürzelcodes anstelle griffiger Typennamen bei den Puch Blechschalen-Mopeds zu beschäftigen, die nicht immer ganz leicht zu durchschauen sind. Das beginnt schon mit dem Urtyp aus 1954 (der Sicke, heute auch gern Baby genannt – wobei man auch da beachten muss: obwohl jede Sicke ein Baby ist, trägt nicht jedes Baby die Sicke), die als MS in den Handel kam. Heute wird MS gerne als „Moped mit Schalenrahmen“ gedeutet, in zeitgenössischen Publikationen liest man aber „Moped mit Schwingrahmen“. Schon im Jahr darauf bekam sie den  Suffix „L“ für Luxus angehängt, weil ihr Tank halbseitig in ein Chrombad getunkt wurde, und auch ihre Felgen glänzen durften – wie es aber auch schon bei manchen Vorgängern der Fall war. 1956 wurde sie wegen der Vollnaben in VS 50 umbenannt, und es kam die Variante MS 50 V. Dessen V steht für „Verstärkt und bezieht sich auf die stärkeren Federbeine. Mit dem Modell wollten die Thondorfer wohl ihre Regale von den sonst nicht mehr benötigten Halbnaben befreien. Auch die VS gab es natürlich als Luxusversion. Auch luxuriös, aber dennoch eine MS, war die mit dem Zusatz K für den Kickstarter. Diese Version benutzte Puch, um sie – versehen mit großdimensionierten Beinschildern und ungedrosselt – als Reaktion auf KTM’s Mecky und Lohners Sissy als Mopedroller anzupreisen. Diesen Trend hatte Puch schlicht verschlafen, das DS kam erst zwei Jahre später, also 1959.


Die VS bekam bald den Buchstaben D hintangestellt: für Dreigang, eine Neuheit ab 1958. 1961 dann die oben angesprochene VS 50 DS, was ausgeschrieben schon einen ganzen Satz ergibt: „Vollnaben-Schwingrahmen 50 Kubik Dreigang-Sport“. Nur ganz wenige Exemplare dürften von der VS 50 RS entstanden sein, was aber nicht wie vermutet für „Rennsport“ steht. Das „R“ bezieht sich vielmehr auf den 60 Kubik-Viergang Motor des Kleinrollers R, das S meint aber wirklich Sport. 


1963 hatten vor allem die Jugend Grund zur Freude, mit einem Moped der Bezeichnung VZ konnte man endlich auch eine Freundin (oder einen Freund) mitnehmen, die Vollnabenmodelle waren zu Zweisitzern - und ab 1966 vom Design gestrafft, modernisiert worden. Was mit dem Zusatz N für „Neu“ betont wurde. Das „A“ in der 1967er MS 50 A steht aber nicht für „Alt“, sondern für „Automatik“ – der erste Schritt zum Maxi. Weil der Buchstabe V schon so strapaziert worden war, hängten die Puch Marketingprofis dem VZ Viergang Modell lieber die Ziffer „4“ an: VZ 50-4. Etwas kompliziert wird es in den 70er Jahren, in denen das Einsitzer Modell unter der neuen Bezeichnung MV 50 weiterleben darf, was aber nichts mit den heißen Maschinen des Conte Agusta zu tun hat. Mit M erinnert Puch seine Kunden wieder daran, dass es sich um ein Moped handelt (blöderweise hat auch das Wort Motorrad ein M vorne dran), und das V für die Vollnaben ist um eine Stelle nach hinten gerückt. Im Lauf der Dekade, in der das MV 50 bis zu seiner Produktionseinstellung 1982 angeboten wurde, erfuhr es einige Modifikationen, darunter der lange Auspuff anstelle des kurzen Topfs. Offenbar ging dessen Montage schneller vonstatten als der Druck von geänderten Abziehbildern oder das Stanzen neuer Typenschilder. Der Zusatz S taucht mit leichter Verspätung auf, und wirft die Frage auf, wofür er denn überhaupt steht. Auf unser diesbezügliches Interesse wurde uns von verschiedenen befragten Spezialisten die Auswahl zwischen „Sport“, „Spezial“ und „Super“ offeriert – aus Graz kam die Erklärung: „Schalenrahmen“. Nach einem Vierteljahrhundert Puch MS, VS, VZ und MV erfährt der Kunde jetzt endlich in aller Deutlichkeit, worauf er da fährt!


Wer jetzt nach diesem nicht ganz ernst gemeinten Exkurs durch den Puch’schen Bezeichnungsdschungel den Durchblick hat, kann sich das Lesen des neuen Buches über die Puch-Blechschalenmopeds sparen. Außer er will wissen, weshalb die MS 50 in Deutschland MS 25 hieß, in der Schweiz Condor und in Italien Sparviero, oder ihn interessiert, dass die Holländer und Skandinavier weitaus kreativer bei der Namensvergabe waren und ihre Puch-Motorfietsen und Knallerter „Skytrack“, „Florida“ oder „California“ nannten - oder er will die Menschen, Sammler, Restauratoren kennen lernen, die sich heute mit dem Thema beschäftigen, und will anhand über 700 farbigen Fotos etwas über die einschlägigen Veranstaltungen, Vereine, Museen erfahren. Dann sei ihm die Lektüre des heuer im Spätherbst im Verlag Hollinek (www.hollinek.at) erscheinenden Buches „Puch MS, MV, VS und VZ Mopeds – Stangelpuch und Maurerbock“ empfohlen. Letzters nur zwei von vielen Bezeichnungen, die der Volksmund für den Puch-Dauerbrenner gefunden hat. Wen der Österreicher liebt, dem gibt er Kosenamen. Das Puch Moped muss er sehr geliebt haben, und er liebt es noch ...

PS.: eine Woche nach unserem Fotoshooting hat uns ein Mail der Puch Freunde Steyrtal erreicht mit einem Foto. Welches das Moped im aktualisierten Zustand zeigt, mit anderem Tank, der jetzt auch zum Typenschild passt. VZ 50 K steht darauf zu lesen, also Vollnaben Zweisitzer 50 Kubik mit Kickstarter. Für das D war kein Platz mehr, aber das steht ja eh ausgeschrieben am Tank: Dreigang. Damit dürfte es jetzt auch keine Probleme mehr bei der Typisierung geben.

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