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Brandgefahr bei E-Autos; Faktencheck
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Viel Rauch um nichts?

Sind E-Autos wirklich gefährlicher im Falle eines Unfalles als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor? Und wie geht es mit den Wracks weiter? Fragen, die mit der steigenden Anzahl an Stromern immer wichtiger werden.

Roland Scharf

Meldungen, die für spannende Schlagzeilen und hinterlistiges Clickbaiting immer wieder ein Garant sind: E-Auto fängt in Tiefgarage zu brennen an. Oder: Akkuzelle geht in Flammen auf, ganze Region muss evakuiert werden. Oder natürlich auch: Keiner fühlt sich für ausgebranntes E-Auto zuständig. Bei all der Polemik, die in diesen Worten steckt (und einer gewissen Schadenfreude ewiger Strom-Gegner), ist nicht von der Hand zu weisen, dass ein brennender Akku so ziemlich das schlimmste Szenario ist, das sich nicht nur der Autoeigner wünscht. Es wird also höchste Zeit, das Thema aufzuklären und klare Spielregeln zu schaffen, weswegen der TÜV Süd zu einer Expertenrunde aufrief, um die Thematik von allen Seiten nicht nur anzugehen, sondern auch konkrete Lösungsvorschläge zu liefern.

Begründete Ängste
Der TÜV Süd beschäftigt 7.000 Spezialisten im Bereich der Mobilität, wobei batteriebetriebene Elektrofahrzeuge einen immer größeren Stellenwert einnehmen. „Ein wichtiger Teilbereich unserer Aufgaben besteht darin, Aufklärungsarbeit zu leisten, da sich die öffentliche Wahrnehmung hinsichtlich des Gefahrenpotenzials von E-Fahrzeugen in vielen Fällen nicht mit dem Stand der Wissenschaft deckt“, sagt Dr. Robert Hermann, Geschäftsbereichsleiter für Green Energy und Sustainability bei TÜV SÜD in Österreich. Und tatsächlich ist es nämlich so, dass diverse Ängste zwar nicht unbegründet, oftmals aber etwas übertrieben dargestellt werden. „Ein weit verbreiteter Mythos ist, dass mit dem Betrieb von E-Fahrzeugen ein höheres Brandrisiko einhergeht. Das stimmt jedoch nicht. Ganz im Gegenteil: Konventionelle Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor haben statistisch betrachtet eine fünf- bis zehnmal höhere Brandgefahr pro gefahrenem Kilometer als E-Fahrzeuge“, so Hermann weiter.

Dass dies in der öffentlichen Wahrnehmung oft etwas untergeht, liegt auch an einem gewissen Gewöhnungseffekt. Meldungen von brennenden Fahrzeugen nimmt kaum einer mehr wirklich wahr – außer eben, es ist ein Stromer – und natürlich stimmt es, dass diese Brände ganz andere Risiken bergen. Geht ein Benziner in Flammen auf, brennt er aus, ein Stück Asphalt ist ruiniert und die Feuerwehr muss den Abschleppwagen rufen. Bei einem batteriebetriebenen Modell hingegen ist der Brand erst aus, wenn er auf alle Akkuzellen übergegriffen hat. Und weil man das nicht von außen sehen kann, müssen diese Havarien in abgesperrte Quarantänebereiche gestellt werden und dort für zwei Wochen warten, ehe die Gefahr wirklich gebannt ist.

Informationsaustausch
Wer natürlich am dringlichsten um eine schlaue Lösung bangt, sind die Einsatzkräfte. „Die österreichischen Feuerwehren haben aufgrund einer geringen Anzahl an Vorfällen mit Elektrofahrzeugen wenig Einsatzerfahrung, die einsatztechnischen und -taktischen Grundlagen sind jedoch vorhanden“ sagt Dipl.-Päd. Ing. Hubert Springer vom Österreichischen Feuerwehrverband. Löschen ist schließlich nicht gleich Löschen. Und einfach viel Wasser oder Schaum in ein Fahrzeug zu pumpen, bringt wahrlich nicht den gewünschten Effekt: „Präventives Fluten der Antriebsbatterie ohne Anzeichen einer exothermen Reaktion ist jedenfalls keine adäquate Einsatzmaßnahme“, so Springer weiter. Für ihn ist daher entscheidend, alle Informationen und Erkenntnisse rund um dieses Thema zusammenzutragen und Aufklärungsarbeit zu leisten. Die Bündelung von Wissen dient der Förderung eines standardisierten Vorgehens, um bei Unfallereignissen noch effizienter agieren zu können. Denn auch hier gilt: Schnelligkeit kann nicht nur Material, sondern vor allem auch Leben retten.

Und dann?
Ist die Gefahr eines Brandes erst einmal gebannt, bleibt dann immer noch die Frage: Was nun mit dem Wrack? Unvergessen der ausgebrannte Tesla im Westen Österreichs, der ewig und drei Tage herumgestanden ist, weil sich keiner verantwortlich fühlte (und sich vielleicht auch nicht traute), das Wrack zu entsorgen. Denn die Sache ist ja die: Wer weiß schon, wie das eigentlich geht? „Momentan sind die meisten Recycling-Konzepte auf ausgebaute, nicht beschädigte Batterien zugeschnitten”, erklärt Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Roland Pomberger von der Montanuniversität Leoben. Die Herausforderungen für die Abfallwirtschaft, die sich beispielsweise im Bereich des Batterie-Recyclings ergeben, sind jedenfalls noch lang nicht gelöst. „Die Möglichkeiten zur Wiederverwendung beziehungsweise -aufbereitung sind jedoch abhängig vom Beschädigungsgrad, hier gilt es, neue Strategien zu entwickeln. Die Montanuniversität arbeitet in diesem Zusammenhang seit Jahren eng mit der Industrie zusammen, um neue Lösungen zu finden.“

Basiswissen
Lädierte Batterien kann man schließlich nicht einfach vom Strom nehmen und auf einen Lkw laden. Es entstehen ganz neue Lager- und Transportrisiken, weswegen es für Pomberger äußerst wichtig sei, „alle Mitglieder der Ressourcenwirtschaft, sprich Hersteller, Demontage, Verwertung, Entsorgung etc. an einen Tisch zu bringen“. Was in einer Batterie alles an Stoffen steckt, ist schließlich nach wie vor streng gehütetes Betriebsgeheimnis – und nicht nur das. Für eine systemische Analyse über die gesamte Wertschöpfungskette fehlt es derzeit noch an Klassifizierungen und Kategorisierungen von E-Altfahrzeugen in Bezug auf Recycling, eine Abfallklassifikation je nach Zustand, die Eignungsprüfungen von bestehenden Recyclingverfahren, vertiefende Emissionsanalysen von verunfallten E-Autos, chemische Analysen von veränderten Batterien sowie die Klärung von abfall- und genehmigungsrechtlichen Fragen. Hört sich jetzt wie ein Berg an Aufgaben an. Ist es auch, doch andererseits: Man steht am Beginn einer Antriebstechnik. Auf Erfahrungswerte des Recyclings herkömmlicher Autos kann praktisch nicht gesetzt werden. Schließlich sind deren Starterbatterien sogar noch simple Bleiakkus.

Ganzheitliche Betrachtung
Genau mit diesen Grundsatzfragen beschäftigt sich Dipl.-Ing. Dr. Hannes Kern von IRIS (Industrial Risk and Safety Solutions). Produktion, Nutzung, Verwertung und Entsorgung von Batterien, hier gilt es, Risikolandkarten zu entwickeln, um das gesamte Spektrum der E-Mobilität abzubilden. „Neben der Fahrzeugtechnik selbst bringt die Elektromobilität eine Vielzahl von Veränderungen mit sich, welche weit über die direkte Nutzung von Fahrzeugen hinausgehen.” Das heißt somit, dass bei Risikobewertungen nicht nur Einzelaspekte beleuchtet werden dürfen. Kern plädiert somit für ganzheitliche Themencluster, da neben den technischen Risiken auch Umwelt, Produktionsprozesse oder politische Verkehrsinitiativen einbezogen werden müssen. „Mit dieser Entwicklung ändert sich auch die Risikolandschaft des Mobilitätssektors, beginnend bei der Produktion von Fahrzeugkomponenten über die Nutzung bis hin zum Recycling. Die Kenntnis über die Veränderung der Risiken erlaubt es auch, in Zukunft adäquate Sicherheitskonzepte zu entwerfen, welche die Transformationsprozesse in der Mobilität optimal unterstützen“, so Kern weiter.

Harmloses Ende
Und wenn es soweit ist, dass ein E-Auto den Weg allen Irdischen gehen muss, ja dann gibt es auch für Autoverwerter erst einmal ein paar Fragen zu klären. Sprit und Öl abpumpen, Autobatterie und Radio ausbauen und den Rest in den Schredder, das Szenario gehört der Vergangenheit an, oder? „Wenn die Batterie erst einmal herausgenommen wurde, handelt es sich im Endeffekt um ein herkömmliches Fahrzeug, die Flüssigkeiten werden herausgezogen und die Teile ausgebaut”, kommentiert Sebastian Raubinger von SEDA-Umwelttechnik die Chancen und Herausforderungen für die Fahrzeugverwertung.

Für ihn gibt es zwei entscheidende Veränderungen für die Verwertungsunternehmen, die sich durch den Zuwachs an E-Mobilen und der Schwemme an Altfahrzeugen in zehn bis 15 Jahren ergeben werden: Zum einen das Equipment, da man Platz braucht, um verunfallte Fahrzeuge sicher aufzubewahren. Zum anderen muss das Personal für Themen wie „Arbeiten mit Hochvolt“ oder Risiko-Management geschult werden. Das Einhalten von Genehmigungsverfahren, interner Prozesse und das Erstellen von Flussdiagrammen und Risikoanalysen sei hierbei für die Recycler genau so wichtig wie für alle, die künftig mit diesem Thema zu tun haben werden. Erfahrung hat schließlich niemand. Und rechtzeitig handeln ist das Gebot der Stunde, bevor nicht nur sprichwörtlich der Hut brennt.

Exkurs: das Brandverhalten von E-Autos
Natürlich gibt es Ausnahmen, in denen Stromer irgendwo im Fahrzeuginneren zu lodern anfangen. Generell aber ist Brandherd Nummer eins einzig und allein die Batterie. Diese ist zwar bei praktisch allen Modellen in einem robusten Käfig im Fahrzeugboden montiert und dort weitgehend gut geschützt vor Fremdeinwirkungen. Dennoch kann es aber sein, dass bei einem heftigen Aufprall des Unfallgegners – vor allem von der Seite – dieser Käfig reißt und die Akkuzellen beschädigt werden. Ist dies der Fall, kommt es konstruktionsbedingt bei allen aktuellen Lithium-Ionen-Akkus zum gleichen Effekt: Das flüssige Elektrolyt – das trennende Element zwischen Anode und Kathode – tritt aus und sorgt für einen Kurzschluss, in weiterer Folge zu starker Hitzeentwicklung und im schlimmsten Fall zu einer Entzündung. Das Risiko, das die Flammen nun auf die anderen Batteriezellen übergreifen, lässt sich jetzt nicht mehr vermeiden und kann bedeuten, dass das ganze Batteriepack Stück für Stück abfackelt. Und das bedeutet zum Beispiel bei einem VW ID.3: Je Modul gibt es 24 Zellen. Und bis zu zwölf Module können verbaut sein. Kein Wunder, dass verunfallte E-Autos zwei Wochen lang in einem gesicherten Quarantänebereich abgestellt werden müssen, um sicherzugehen, dass sich nicht doch noch – auch Tage nach dem Unfall – eine Zelle entzündet.

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