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Helden auf Rädern: Chrysler TC by Maserati

Das Auge des Dreizacks

Wenn amerikanischer Turbokapitalismus auf italienische Handwerkskunst trifft, kann Sensationelles entstehen, oder der schlimmste Verhau. Auch wenn die Vorzeichen gut waren, zählte der Chrysler TC by Maserati letztendlich zu letzterem.

Roland Scharf

Das ausgehende letzte Jahrhundert war die Zeit der großen Macher in der Autobranche. Einer davon war der Sohnemann italienischer Einwanderer, der in der US-Industrie viel bewirkte. Nur immer, wenn es um Luxus und Leistung ging, ging der Knoten meist nicht auf. Sein Name: Lee Iacocca. Schon bei Ford schaffte er es eindrucksvoll, das Ruder herumzureißen und wieder die Straße des Erfolgs anzusteuern, wobei sein großer Traum eines Supersportlers ein kapitaler Fehlschlag war. So fand der Italoamerikaner irgendwie Gefallen an einem Herrn namens DeTomaso. Die Idee, dessen Modell namens Pantera mit einem Ford-V8 auszustatten und über das landesweite Ford-Händlernetz zu vertreiben, klappte überhaupt nicht, aber dennoch blieb man lose in Kontakt – man weiß ja nie.

Jahre später war Iacocca auf dem Chefsessel beim maroden Autobauer Chrysler. Die Siebziger waren verlustreich, man befand sich am Rande des Ruins. Da kam Lees Plan, auf einem Einheits-Chassis alle Modellreihen zu bespielen, gerade recht. Auch die Einführung des Voyager rechnet man Iacocca zu, und dass die ganzen neuen Fahrzeuge nur über Vierzylinder und Frontantrieb verfügten, verziehen zum einen die Kunden, weil preiswert und verbrauchsarm. Und andererseits die Eigentümer, weil ordentlich Gewinn abfiel. Das reichte Iacocca aber nicht: Gerne würde er Chrysler ein hochwertigeres Image verpassen, und wo ist Stil und Luxus schließlich mehr zuhause als in Italien?

Lee griff also zum Telefon, rief seinen alten Kumpel DeTomaso an und erzählte ihm von seinen Plänen: Man nehme das verkürzte Chassis des Coupés Daytona und kleide es mehr oder weniger eigenständig komplett neu in Italien ein. Dazu nehme man natürlich feinstes Leder für den Innenraum, ein abnehmbares Hardtop und für Notfälle ein elektrisches Verdeck. Wenn alles fertig ist, schickt man die Autos einfach per Flugzeug über den großen Teich in die neue Welt und verkauft sie an die Reichen und Schönen. Klingt irre? Dass DeTomaso keine Bedenken hatte, war klar. Rosig ging es seinem Unternehmen auch nicht, nachdem er Maserati übernommen hatte und die Konkurrenz seinen Produkten reihenweise um die Ohren fuhr. Da kam so ein Großauftrag aus den USA gerade Recht.

1985 machte man sich schließlich ans Werk und Iacocca war voll des Lobs für sein neues Kind. So handele es sich hierbei um das Schönste, was seit der Emigration seiner Mutter aus Italien nach Amerika kommen würde. Hinter den Kulissen indes brodelte es seit Anfang an. Zahlreiche Missverständnisse zwischen Chrysler- und Maserati-Ingenieure führten zu endlosen Verzögerungen, dazu folgte ein völlig planloses Management, das bei diesem multinationalen Projekt schlicht den Überblick verlor. Und dann kam da noch der Zeitdruck dazu: Da die Ähnlichkeit zum kommenden Chrysler LeBaron fast schon frappierend war (aber auch völlig logisch, denn die Technik ist identisch, somit auch die groben Proportionen), musste der TC – was schlicht für Turbo Coupé steht – unbedingt vorher auf den Markt kommen. Schon früh äußerten Manager aber grobe Bedenken, dass der Kunde mit dem LeBaron eigentlich das absolut gleiche Auto bekommen würde, für einen deutlich besseren Preis. Und außerdem arrangierte GM gerade den Coup, den Cadillac Allante in Italien fertigen zu lassen, der Schmäh mit der hübschen Italienerin würde Iacocca also auch abhanden kommen.

Stellvertretend für die vielen Probleme dieses Projekts sei das Topmodell erwähnt, mit dem man versuchte, vieles noch auszubessern, damit aber alles nur noch schlimmer machte. Da die Optik fast wie die des billigeren LeBaron war, wollte man zumindest bei der Technik eines draufsetzen und ließ den Vierzylinder umfangreich überarbeiten. So kam der Zylinderkopf von Cosworth aus England, der Turbolader von IHI aus Japan, das Fahrwerk von Fichtel&Sachs aus Deutschland, die Nockenwellen von Crane Cams aus Florida, die Kolben ebenfalls aus Deutschland von Mahle und der restliche Grundmotor dann aus Detroit. Ein irrer Aufwand mit dem Ergebnis, dass der Kunde nach wie vor nur einen Vierzylinder bekam, während es ums gleiche Geld woanders derer acht gab.

Da half es auch nichts mehr, dass man schleunigst einen Mitsubishi-V6 adaptierte, denn als es 1990 schließlich soweit war und man mit dem mittlerweile völlig überalteten TC die Weltbühne betrat, griffen die, die Kohle hatten, viel lieber zu Cadillacs oder europäischen Coupés. Und die, die keins hatten, waren schon längst im LeBaron unterwegs. Von den ursprünglich angedachten 10.000 Stück blieb man in den zwei Produktionsjahren mit 7.500 Stück zwar gar nicht so weit entfernt. Diese relativ große Menge kam aber auch nur deswegen zustande, weil dies die vertraglich zugesicherte Mindestmenge an Fahrzeugen war, die der findige Alejandro DeTomaso sich zusichern ließ.

Und wie es echte Desaster so an sich haben, hörten sie nicht auf Probleme zu machen, als sie schon bei den Händlern standen. Denn ausgerechnet ein entscheidendes Design-Element, die Bullaugen an den Seiten des Hardtops, hatten es faustdick hinter den Glubschaugen. Für eine geilere Optik waren es nicht flache Gläser, sondern konvex geformte Einsätze, in deren Mitte sich der Maserati-Dreizack im Chrysler-Pentagon wiederfand. Hübsches Detail, bei ungünstiger Sonneneinstrahlung jedoch wirkte diese halbrunde Scheibe wie eine Lupe und bündelte die Sonnenstrahlen so dermaßen dass der Teppich hinter den Vordersitzen regelrecht wegbrannte. Doof, weil genau darunter der Benzintank saß. Dass dennoch von keinem abgebrannten TC berichtet wurde, spricht zumindest für die Qualität der ausgewählten Teppichbezüge.

Es sei alles in allem dennoch nur eine schlechte Positionierung gewesen, meinte Iacocco im Nachhinein über eines der größten Fiaskos seiner Laufbahn. Die Kollegenschaft aus der damaligen Zeit hingegen rechneten schon etwas brutaler ab und bezeichneten diese Mixtur aus amerikanischer und italienischer Autobaukunst als eine Mischung des Schlechtesten aus diesen beiden Welten. Noch radikaler ging ein Vorstand von Crysler mit dem TC ins Gericht. Bob Lutz meinte, dieser Fehlschlag kostete Chrysler an die 600 Millionen Dollar, jedes der Fahrzeuge zu produzieren, kostete also an die 80.000 Dollar. Oder in heutigen Dimensionen: unfassbare 180.000.

1991 stoppte man den Unfug jedenfalls und konzentrierte sich wieder auf die Modelle, die auch Kohle einfuhren. Und Alejandro? Der konnte sich mit der Chrysler-Knete zwar noch ein wenig über Wasser halten, verteile die Dollar schlau auf seine Firmen (Innocenti fertigte die Karosserieteile, Maserati spendete zumindest den Namen), wurde recht bald aber ziemlich knapp bei Kasse und veräußerte Maserati dann an Fiat. Eine Ironie des Schicksals, könnte man sagen, denn viele Jahre später schnappten sich die Italiener dann auch noch Chrysler – gemeinsame Projekte fanden aber dennoch nie mehr statt.

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