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Das Wunder von Nilfisk

Mit dem Trans Sport wollten GM die Minivan-Idee nicht nur sexy machen. Man plante eine kleine Revolution im Segment. Bis die Buchhalter bei den Ideen zum Sparen anfingen.

Roland Scharf

Wer General Motors kennt, weiß eigentlich, dass die versammelten Ingenieure durchaus kreativ und visionär unterwegs sein können, wenn man sie denn lässt. Oft gab es Studien, sogar seriennahe, die erstaunliche Kreativität vorwiesen und man sich schon drauf freute, wenn endlich die fertige Version bei den Händlern stand. Diese war dann aber meist so zusammengestrichen worden, dass nur mehr die grobe Silhouette vom ursprünglichen Ideenreichtum berichtete – so auch beim Trans Sport.

Vor fast 40 Jahren waren Minivans vor allem in den USA der letzte Schrei. Chrysler hatte mit dem Voyager, der in den Staaten auch als Dodge Minivan seine Kreise zog, einen echten Boom losgetreten. Sicher, GM hatte den Astro Van und auch den GMC Safari – beide aber waren verhältnismäßig groß außen und verhältnismäßig klein innen, was auf ihre uralte Konstruktion mit Leiterrahmen und hinterer Starrachse zurückzuführen war. Wenn ein großer Konzern sich dann tatsächlich entschließt, eine völlige Neuentwicklung freizugeben, ist das schon ein deutliches Zeichen für erhöhten Handlungsbedarf, und die Eckdaten des neuen Modells standen schnell einmal fest: Außen kompakt, Frontantrieb und Kunststoffkarosserie. Letzteres nicht, weil der Renault Espace damit in Europa auftrumpfte. Eher weil es von den Produktionskosten her interessant war, und die Technik ohnehin beim Pontiac Fiero schon vorhanden war.

Man machte sich also an die Arbeit und ließ den eigenen Ideen bei einer ersten Studie freien Lauf. Und als 1986 die erste Stilstudie der Öffentlichkeit präsentiert wurde, sagen manche tatsächlich eine völlige Neuinterpretation des doch etwas faden Minivan-Konzepts schon in den Startlöchern. Dominiert von riesigen Glasflächen, trumpfte dieser Pontiac mit schnittigem Design, herausnehmbaren Einzelsitzen mit integrierten Lautsprechern und Flügeltüren in der zweiten Reihe (richtig, das was Tesla Jahrzehnte später dann feiern sollte) auf. Und erst der Name: Trans Sport, so witzig und so kreativ, aber eindeutig ein Symbol für den großen Aufbruch einer Fahrzeugklasse, die jeder zwar schätzte, aber irgendwie nicht wirklich lieb haben konnte. No na musste man das Konzept unter dem Namen Pontiac vertreiben. Oder um es anders zu sagen: Die Konzernleitung gab für eine Serienproduktion grünes Licht.

Was jetzt passierte, ist aber nicht nur typisch für General Motors. Sondern für große Konzerne im Allgemeinen, bei denen es in erster Linie nur um eines geht: was unterm Strich übrig bleibt. Die Buchhalter waren also ähnlich kreativ wie die Designer vor ihnen und schwangen munter den roten Buntstift, mit der Folge, dass weder die Flügeltüren noch die großen Glasflächen und auch nicht die herausnehmbaren Schalenhocker eine Chance auf Umsetzung gehabt hatten. Man machte sich sogar Sorgen, dass sich mit den wilden Türen noch jemand weh tun könnte, sodass bei der Präsentation dann ein zwar recht sportlicher, aber dann doch wenig spannender Van übrig blieb.

Aber man wusste sich zu helfen: Zum einen verkaufte man die Kunststoffbeplankte Karosse als praktisch unkaputtbar und natürlich völlig rostunanfällig, und wenn man schon ein wenig Ideenreichtum vermissen konnte, gab es an der Markenvielfalt nichts auszusetzen. Es gab den Trans Sport auch als Chevy und als Oldsmobile, je nach persönlichem Geschmack und Geldbeutel. So oder so hatte der neue Wagen mit ein paar Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen. Das Design wurde schnell verrissen, weil es gerade von der Seite an einen Handstaubsauger erinnerte. Aber auch die Tatsache, dass man die Sitze im Fond zwar ausbauen konnte, diese aber jeweils 15 Kilogramm wogen, kam nicht sehr gut an.
Aber es gab auch coole Details. Etwa die integrierten Kindersitze, die etwas später den Weg in die Serie fanden. Oder der Druckluftanschluss im Heck, der bei Fahrzeugen mit Niveauregulierung serienmäßig war und sich perfekt zum Aufpumpen von Schlauchbooten oder Ersatzrädern eignete. Und nicht zu vergessen natürlich die automatisch öffnende Schiebetür mit Fernbedienung – ein Feature, das es anderswo bislang sogar überhaupt nicht gab.

Warum der Trans Sport nie wirklich funktionierte, ist aber auf viele Gründe zurückzuführen. Gerade in einer so konservativen Fahrzeugklasse kam das ungewöhnliche Styling dann doch nicht so gut an, zumal die riesige, sehr flach stehende Frontscheibe nicht nur die Übersicht stark beeinträchtigte, sondern auch dafür sorgte, dass sich der Wagen im Sommer brutal aufheizte. Auch die etwas lahme Motorisierung mit anfangs 3,1 Litern Hubraum und 120 PS machte wenig Lust auf mehr, sodass es auch nichts mehr nutzte, als viele Jahre später ein 3,8 Liter-V8 mit 170 PS nachgereicht wurde – mit dem der Trans Sport dann sogar als stärkster und agilster Minivan überhaupt galt.
Man sah sich also genötigt, für das Facelift ein wenig nachzubessern, was für viele den Wagen aber alles andere als verbesserte. Die neue Front sollte klassischer aussehen und damit die typische Vorstadtbewohnerkinderzumfußballbringen-Käuferschicht mehr ansprechen. Das machte den Wagen aber nur unstimmiger und so kann man es nur als müden Erfolg bezeichnen, dass man bei den Verkäufen nur den eigenen, maßlos überalteten Astrovan übertrumpfte, nie aber die Konkurrenz von Chrysler.

Und in Europa? Da gab es den Trans Sport natürlich auch, wo zu der Zeit aber jeder nur mehr vom Diesel sprach und das Design alle nur etwas ratlos zurückließ. Aber man versuchte dennoch zu reagieren, zu Beginn mit einem Vierzylinder-Benziner von Oldsmobile, später sogar mit einem 1900er-Turbodiesel, den man extra für die alte Welt bei PSA zukaufte. Kurz vor der Markteinführung blies man dieses Projekt aber ab. Der Wagen galt Mitte der 1990er schon als hoffnungslos überholt, und ein relativ schwacher Selbstzünder hätte den schweren Hobel auch nicht wirklich attraktiver gemacht.

1996 kam also das Unvermeidliche. GM zog den Stecker für die erste Generation des Trans Sport, der Nachfolger war dann einfach nur ein weiterer Minivan mit all den üblichen Details dieser Klasse, ohne aber irgendwie besonders zu sein – also eine ideale Kombination. Dennoch musste man das Ende des wohl gewagtesten Minivan-Projekts mit einem lauten Knall begehen. Wir reden schließlich von Amerika, von General Motors. Think big ist schließlich keine hohle Floskel, und somit schloss man mit dem Ende des ersten Trans Sport auch gleich das Werk in Tarrytown für immer.

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