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Retter der Kokosnuss

Eine Legende kann man nicht einfach ablösen, doch mit dieser Erkenntnis tat man sich in England immer schon schwer. Das musste auch der Mini Metro schmerzvoll erfahren, wobei alles recht vielversprechend anfing.

Roland Scharf

Ach, immer dieser Mini. Er ist manchmal ja schon richtig lästig. Wie revolutionär er nicht war. Und wie lustig. Und sportlich. So eine besserwisserische Ikone, an der man auch wirklich nichts aussetzen kann. Und genau hier steigen wir auch schon in die Geschichte ein, denn Mitte der 1970er-Jahre, als British Leyland kurz vor dem Konkurs stand, beschäftigte man sich wieder einmal mit der Frage, wie denn ein Nachfolger für den Mini aussehen könnte. Der verkaufte sich immer noch super, aber wer weiß, wie lange noch? Und zudem haben sich die Rahmenbedingungen gewaltig geändert.

Groß Britannien war jetzt in der EU, und schlagartig gab es eine Heerschar an Konkurrenz zu tollen Preisen. Die sogenannten Super Minis, angeführt von VW Polo oder diversen Fiats, dem Renault 5 natürlich und wie sie nicht alle hießen, zeigten zunehmen, dass man sich schleunigst etwas überlegen musste. Die richtige Lösung wäre natürlich gewesen, etwas passendes völlig neu zu entwickeln. Mit neuen Motoren, neuer Karosserie, neuem Fahrwerk, also einfach ein neues Auto zu entwickeln. Aber Leyland hatte wieder einmal (oder eigentlich wie immer) einfach kein Geld für sowas, also beschloss man, einfach bestehendes weiterzuentwickeln.

Fairerweis muss dazu gesagt werden, dass die überhebliche Haltung, eh schon super Technik im Haus zu haben, diesen Unwillen, etwas Frisches zu entwerfen, nur noch verstärkt hat. Aber wenn die Geschäftsführung dieser Meinung ist, musste somit auch ein derart wichtiges Modell wie der Mini aus dem Teilelager heraus entworfen werden. Es blieb also beim bereits mehr als 20 Jahre alten A-Series-Motor, den man behutsam weiterentwickelte. Es blieb bei den beinahe 20 Jahre alten Achsen, denen man zumindest eine neue Federung spendierte. Und es blieb somit auch bei den grundsätzlichen Proportionen und der Sitzposition, da all diese wesentlichen Komponenten vom Ur-Mini stammten.

Immerhin, die Karosserie war tatsächlich völlig neu. Es kam eine nüchterne, aber durchwegs zeitgemäße Hülle zum Einsatz, die all das bot, was es bei der Konkurrenz schon längst zu erwerben gab: Eine große Heckklappe zum Beispiel. Oder erstmals in einem Auto im Verhältnis 2:3 umlegbare Fondsitzlehnen. Oder Ablagefächer im vorderen Bereich der Kabine. Immerhin. 1980 war es dann schließlich soweit, und BLs Supermini rollte vor den Vorhang, wobei man schon anhand des Namens gut erkennen konnte, dass man eine gewisse Bindung zum legendären Vorgänger – der als Einstiegsversion weiterhin vom Band lief – herstellen wollte: Mini Metro.

In der Tat war der Metro kein schlechtes Auto. Es gab ordentlich viel Platz, der Verbrauch war – sagen wir – ok, Komfort und Fahrdynamik ganz brauchbar, und alles in allem befand man sich in Schlagweite zum Mitbewerb vom Festland, den man in einem liebevoll inszenierten Werbespot gekonnt zurück auf ihre Landungsschiffe verbannte und somit die Insel vor unliebsamen Angriffen abwehrte. Wer in all dem eine gewisse Ironie feststellen konnte, sollte Recht behalten. Denn die Wahrheit hatte mit den entgeltlichen Einschaltungen nämlich wieder einmal überhaupt nichts zu tun.

In Wahrheit nämlich kamen zum neuen Jahrzehnt schon die nächsten Generationen der Superminis von Renault, VW, Citroen, Fiat, Opel, Ford und wie sie nicht alle hießen auf den Markt und ließen den Metro praktisch über Nacht alt aussehen. Sicher, die Briten liebten ihren neuen Kleinen und griffen auch weiterhin gerne zu. Auf dem Weltmarkt waren seine Chancen aber von Anfang an eher mager. Dazu kamen all die Schwachstellen, die all die englischen Autos dieser Epoche nach wenigen Jahren ereilen sollten: Abfallende Teile, Ölverlust, vor allem aber Rost sollte sich als ständiger Begleiter einfinden, was die Sache auch nicht gerade einfacher machte.

Dass es den Metro in immer wieder modifizierter Variante bis 1997 geben sollte, grenzt aber nicht an ein Wunder. Die bis dahin stets klamme Bude musste einfach aus dem Bestehenden etwas zaubern, denn die Chance auf Neuentwicklungen standen von Jahr zu Jahr schlechter. So kam der Metro als Fünftürer. Er kam als Van. Sogar eine Turboversion gab es, und als Rover 100 bestückte man ihn dann sogar mit den völlig neuen K-Series-Motoren, wobei all das auch finanziell ein riesiger Aufwand war – und alles im allem teurer, als wenn man gleich einen Nachfolger entwickelt hätte.

Doch all das war zum Ende 1998 dann schon egal, zumal sich zu dem Zeitpunkt ein trauriges Bild ergab: Der Rover 200 hätte so etwas wie eine Neuauflage werden sollen, geriet aber irgendwie zu groß dafür (wobei es erstaunlich ist, dass das irgendwie niemandem auffiel). Somit blieb der 100 also völlig ohne Nachfolger, wobei: ausgerechnet der Mini, das Auto, das er eigentlich hätte ablösen sollen, lief immer noch am Nebenfließband vom Band, und das sogar noch zwei weitere volle Jahre.

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