CLASSIC

  • Motorline auf Facebook
  • Motorline auf Twitter
Helden auf Rädern: Wismar Hannover

Unter Mithilfe des Gegners

Die Eisenbahn lukrativ zu betreiben, ist seit jeher ein Problem. Vor fast 100 Jahren zeigte die Waggonfabrik Wismar aber mit dem Schienenbus Hannover, wie ausgerechnet mit Kfz-Technik jede Menge Kosten eingespart werden können.

Freie Strecke statt Stau, gemütliches Sitzen statt stressiges Lenken, die Bahn als nervenschonende Alternative zum Automobil lässt sich super vermarkten. In der Praxis aber gibt es dann oft diverse Unwägbarkeiten, die fast jeder von uns kennt. Und abseits der routinemäßigen Verspätungen und Ausfälle bleibt da auch noch das große Problem der Kosten, weswegen schon zahlreiche Klein- und Nebenbahnen eingestellt werden mussten. Und wer glaubt, dass dieses Problem erst in unserem Jahrhundert aufgekommen ist – viel anders war das auch schon rund 100 Jahren auch nicht.

In der Zwischenkriegszeit kam natürlich noch dazu, dass es von allem viel zu wenig gab. Doch gerade in diesen Momenten erwacht der Erfindergeist erst wirklich zum Leben, sodass die Triebwagen- und Waggonfabrik Wismar AG aus Wismar einen genialen Einfall hatte. Für ihren neuen Schienenbus, Typ Hannover, griff man aus Ermangelung echter Eisenbahn-Hardware einfach zu Lkw-Komponenten. Und das war auch sofort ersichtlich: Der vordere Teil stammt praktisch komplett von Ford-Lastern jener Epoche, inklusive des Vierzylinder-Benziners mit 50 PS, der zudem über das standardmäßige Vierganggetriebe verfügte und mittels stinknormaler Kupplung und dazugehörigem Pedal betätigt wurde. Da so ein Triebwagen ja in beide Richtungen fahren muss, packte man ans andere Ende einfach auch einen sogenannten BB-Motor, man ersparte sich somit also wilde Kardanwellen- oder Drehgestellkonstruktionen – ein Griff in das Teilelager der Ford-Werke genügte.

Den Innenraum bestückte man mit zwölf Sitzbänken, zehn Klappsitzen und natürlich den damals obligatorischen Gepäcknetzen, und fertig war ein perfektes Einsatzgerät für regionalen Schienenverkehr, wie es seinerzeit praktisch in jedem Kaff gab. Definitiv war der Typ Hannover für diese Zwecke nahezu ideal, denn dank der Verwendung der Autoteile lagen die Produktionskosten rund bei der Hälfte vergleichbarer Triebwagen, zudem galt die Ersatzteilversorgung sowie die Wartung als äußerst unproblematisch. Das führte zu dem verblüffenden Ergebnis, dass der Triebwagen schon ab einer Passagierzahl von fünf profitabel war. Und das muss ein moderner Zug diesem Mischwerk erst einmal nachmachen.

Im Laufe der Zeit gab es von Betreiber zu Betreiber zahlreiche Versionen, einmal mit Dieselmotoren, dann mit stärkeren Benzinern, dann sogar welche, bei denen beide Motoren zur gleichen Zeit betrieben werden konnten, sollte es einmal zu etwas mehr Fahrgästen kommen. Die maximal 60 km/h reichten jedenfalls für den Einsatzzweck, und weil die Bevölkerung den Zwitter immer mehr ins Herz schloss, gab es recht bald diverse Spitznamen. Von Schweineschnäuzchen über Ameisenbär bis Maus war praktisch alles dabei, und weil es tatsächlich lange keinen adäquaten Ersatz gab, blieben viele davon bis weit in die 1960er im Einsatz. Und die, die bis heute überlebt haben, treiben nur mehr bei Museumsbahnen ihr Unwesen.

News aus anderen Motorline-Channels:

Helden auf Rädern: Wismar Hannover

Weitere Artikel:

Legenden unter sich

Lancia Delta Date in Limburg

Lancia hat die Rallye-Sport- Erfolge des Delta mit einer ganzen Reihe von Sonder- und Kleinstserien gewürdigt, die heutzutage echte Raritäten sind. Einige trafen sich jetzt im hessischen Limburg.

Die Mühen vieler Väter

Helden auf Rädern: Audi 60

Schöne Audis heißen Avant. Früher aber nicht, wobei es Anfangs nicht einmal für einen Beinamen gereicht hat. Die „60“ bekam der F 103 als erster Nachkriegsaudi auch erst später verpasst.

Theorie und wilde Wahrheit

Video: Project Tawny, Teil 6

Heute ist der große Moment: Nach letzten Restarbeiten soll der Elan das erste Mal anspringen. Wie groß die Unterschiede zwischen Theorie und Praxis aber sein können, kam im Laufe der Startversuche immer mehr ans Tageslicht.

Die Ennstal-Classic 2023 ist entschieden

Ennstal-Classic 2023: Schlussbericht

Die Sieger der Ennstal-Classic 2023 heißen Helmut Schramke / Peter Umfahrer auf Jaguar XK150 von 1960, sie gewinnen nach 2003, 2006 und 2012 zum, vierten Mal. Auf Platz 2 landeten Sebastian Klackl und Nicola Kovacic-Klackl auf Mini 1000 MKII, Platz 3 erreichten Peter Schöggl und Wolfgang Artaker auf Alfa Romeo Spider Verloce 1750 von 1970.

Der Freitagabend im Classic-Zelt in Gröbming wird traditionell als „Porsche Night“ gefeiert und stand heuer im Zeichen des 75-Jahr-Jubiläums der Marke.

Das verflixte siebte Jahr

Helden auf Rädern: Alfa Romeo Alfa 6

Als er neu war, war der Alfa 6 gewiss kein schlechtes Auto. Es verstrichen nur leider sechs Jahre, bis er endlich auf den Markt kam. Und gerade damals war die Autowelt eine völlig andere, in der sich der große Italiener wiederfand.