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Rückwärts immer

Wie man einen programmierten Erfolg konsequent und nachhaltig so herunterwirtschaftet, dass am Ende nur mehr eine Lachnummer übrig blieb. Wobei sich der Barkas B 1000 sein Schicksal zumindest mit einem gesamten Staat teilte.

Roland Scharf

Kann man ein Auto, das knapp 30 Jahre lang in Produktion blieb, wirklich als tragischen Held ins goldene Buch der Erinnerungen eintragen? So unerfolgreich kann es ja dann nicht gewesen sein. Und wie er das konnte, denn hinter dieser scheinbar beeindruckenden Zahl steckt ein Schicksal, das so typisch für eine Staatsform war und stellvertretend für zahlreiche gute Ideen steht, die aufgrund wirrer Ideologien mutwillig so lange unterdrückt wurden, bis von ihnen nur mehr Museumsstücke übrig blieben. Wir starten also genau vor 30 Jahren, als ein neuartiger, sympathisch aussehender Kleinlieferwagen das Licht der Welt erblickte. Vorhang auf für den Barkas B 1000.

Osthilfe
Die VEB Barkas-Werke in Karl-Marx-Stadt (dem heutigen Chemnitz) hatten im noch jungen Staate namens DDR einen hervorragenden Ruf. Zuerst gelang mit dem Multicar ein ganz großer Wurf. Nicht nur wegen des durchaus international klingenden Namens. Auch weil es ein kleines, flexibles und vielseitig einsetzbares Fahrzeug in dieser Machart weltweit noch nicht gab. Auch, weil man gleich darauf den Markt für sogenannte Eintonner für sich entdeckte und hier mit schlauen Ideen der Konkurrenz sogar um die Ohren fuhr. Im Gegensatz zur westlichen Konkurrenz hatte man nämlich einen Frontmotor mit Frontantrieb, was Platz und Gewicht sparte. So konnte man nicht nur eine Tonne Nutzlast bewegen. Auch war der Laderaum an sich deutlich größer als bei Transit oder VW Bus. Dank der leichten Konstruktion reichte ein kleiner Einliter-Zweitakter mit 46 PS, um auf mehr als 100 km/h Höchstgeschwindigkeit zu kommen. Sicher auch deswegen sah man bei VEB den Namen Barkas für ihren Schnelltransporter als durchaus angemessen, handelt es sich dabei schließlich um das punische Wort für Blitz.

Planuntergang
In Erinnerung blieb vielen der Barkas aber vor allem aufgrund seiner sympathischen Optik. Tatsächlich stand im Lastenheft seinerzeit die Vorgabe, sich doch bitte um einen „formschönen Wagenkörper“ zu bemühen. Auf Devisen aus dem Westen war man schließlich schon damals angewiesen, da half es, nicht immer eine graue Miene zu ziehen. Alles in allem gelang den Konstrukteuren ein wirklich gelungenes Gesamtpaket. Der B 1000 war auf der Höhe seiner Zeit. So viel Cleverness auf 4,5 Metern Länge bekam man bei der Konkurrenz nicht, und entsprechend lobte sogar die internationale Fachpresse dieses Produkt aus den Tiefen der Planwirtschaft, die in den nächsten Jahrzehnten gleich mehrfach zum großen Problem für unseren tapferen Schnelltransporters werden sollte.

Los ging es mit den Stückzahlen. Die waren vom Zentralkommitte ganz brutal festgelegt worden und verhinderten nennenswerte Exporte. Das führte zeitgleich zu einer brutalen Verknappung des Angebots auf dem Heimmarkt, womit sich der Barkas das Schicksal mit dem Trabant teilte. Richtig lustig sollte es aber erst noch werden.

Wurde zu Beginn des Produktionszyklus nämlich noch Eigenschaften wie Fahrverhalten und Platzangebot gelobt, holten die Konkurrenten in nur wenigen Jahren nicht nur alle Rückstände auf. Sie überflügelten den B.1000 ganz schnell und leicht, sodass dieser seinen Vorsprung nicht einmal wenige Jahre lang halten konnte. Andere Firmen würden spätestens jetzt an einem Nachfolger arbeiten. Das taten die Ingenieure bei VEB zwar, nur wurden all ihre Pläne von den Verantwortlichen im Nu abgedreht. Kein Geld, hieß es immer, oder im Falle des Barkas 1100, einem fixfertig entwickelten Nachfolger gar: Ein solches Fahrzeug werde volkswirtschaftlich nicht gebraucht.

Somit kann man es fast schon als Heldentat einstufen, dass 22 Jahre nach der Einführung des Autos und 15 Jahre nach der letzten Detailverbesserung (Leistungssteigerung von 4 PS) eine erneute Modellpflege vermeldet werden konnte: Tankinhalt und Kühlwassertemperatur werden künftig mittels LED angezeigt!

Dass es nur drei Jahre später erstmals keine seitlichen Klapptüren mehr gab, sondern eine große Schiebetür, muss manch treuem Parteimitglied fast schon wie eine Putschaktion eines westlichen Geheimdienstes vorgekommen sein – ob dieser massive Eingriff wirklich genehmigt war? Das mag in der geschützen Werkstatt der Planwirtschaft noch irgendwie begründbar gewesen sein. In der brutalen Realität des freien Marktes mutierte somit aber nicht nur der B 1000 immer mehr zur Lachnummer.

So ernüchternd und frustrierend es als Ingenieur bei VEB nämlich gewesen muss – es gelang mit dem Barkas ein schönes Sinnbild für den Zerfall des gesamten Staates der DDR zu bauen. Frühe Ideen waren schnell abgenutzt. Und künftig fehlte es an allem, sodass man hilflos und unrettbar in einen Status des Ewig-Gestrigen rutschte – und nicht mehr herauskam.

Dennoch schraubten sich die Handwerker am Band ihre Hände wund, was im Laufe der Zeit sogar buchstäblich zu sehen war. Nach Jahrzehnten des (Ab-)Nutzens waren die Werkzeuge schon dermaßen verschlissen, dass die einzelnen Teile nicht mehr passten. Es musste also aufwändig nachgearbeitet werden, damit überhaupt noch Autos die Werkshallen verließen, bevor es dann zum großen Knall kam. Mit der Öffnung der Grenzen und dem Fall der Mauer schwappten all die schönen und neuen Transit und Bullys in die ehemaligen Ost-Märkte und ließen die Nachfrage im Nu auf Null sinken. Man hätte es sich in den werkseigenen Pausenräumen ja fast denken können, dass das Ende nah war. Als man nämlich mit VW einen Deal einging und dem B 1000 Ende 1989 einen VW-Motor mit 58 PS und erstmals Viertakt-Arbeitsweise spendierte, wälzten die Fließbandarbeiter in ihrer Mittagspause bereits die Anzeigenblätter nach leistbaren Westautos. Keiner hätte auch nur im Traum daran gedacht, noch das zu kaufen, was er für sein täglich Brot zusammenzimmerte.

Das Ende im Jahre 1991 war also unaufhaltsam und völlig logisch, was irgendwie auch wieder schade ist. Hätte man nämlich noch ein paar Jahre durchgehalten, wäre der Barkas 1000-1, wie er zum Schluss hieß, vielleicht schon als Retro-Kult-Bus bei den Hipstern erfolgreich gewesen. Schließlich gibt es ja auch Leute, die für Ostalgie schwärmen.

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