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Das Imperium schlägt zurück

Weder von den Stückzahlen noch von den Erträgen war der RS2 für Audi oder für Porsche eine große Nummer. Und dennoch verhalf er beiden Marken zu richtungsweisenden Höhenflügen, vor allem dank einer Zutat: dem Porsche-Schriftzug.

Roland Scharf

Natürlich können die bei Audi ordentlich Autos zusammenbauen. Und damit Geld verdienen. Bei Porsche verstehen sie auch ihr Handwerk, nur das mit dem wirtschaften, das wollte Anfang der 1990er nicht so ganz hinhauen. Es war sogar so, dass die Zuffenhausener immer mehr zum Übernahmekandidaten wurden. An den luftgekühlten Elfern war wenig zu verdienen, man benötigte dringend Investitionen und neue Modelle, die zwar geplant, aber noch Jahre entfernt waren. Budget gab es für all das sowieso keines mehr – was tun also?

Man wendet sich einfach an die Familie: Schließlich hatte ein mächtiger österreichischer Clan mit Sitz in Salzburg sowohl bei Porsche als auch bei Audi ein gehöriges Wörtchen mitzureden, und daher gab es eine geniale Idee, wie man den Familienbetrieb am Leben halten konnte: Nach dem Auslaufen der Mercedes E 500-Produktion folgte einfach die des Audi RS2! Ein Auto, das vom Marketing her nicht hätte besser sein können. Knallige Farben, dazu Porsche-Räder, Porsche-Bremsen, Porsche-Außenspiegel, Stoßfänger im Look der damaligen 911er und einige Porsche-Schriftzüge, sogar im Motorraum. Ja, im groben war es das dann aber auch. Also nichts, was man nicht auch in Ingolstadt zusammenschrauben hätte können. Aber das wäre dann nur der halbe Schmäh gewesen.

Zumal Porsche selbst erschreckend wenig zur Entwicklung beigetragen hat. Die etwas dickeren Stabilisatoren – OK. Das neue Turbo-Setup des vom S2 übernommenen Fünfzylinder leihte man sich aber schon von Lehmann in Liechtenstein, um auf damals beachtliche 315 PS zu kommen. Und auch der verstärkte erste Gang des vom S2 übernommenen Sechsgang-Getriebes floss im Laufe der Serie generell in die Produktion ein. Aber sonst? Weder Stoßdämpfer noch Federn, Antriebswellen oder sogar der Auspuff – alles entsprach der S2-Serie. Nicht einmal die Ansaugbrücke wurde modifiziert, sondern bekam lediglich den Porsche-Schriftzug verpasst, was aber vielleicht eh die entscheidendste Zutat war. Ja und entsprechend straff (und gewinnbringend) lief dann auch die Produktion ab.

Man verschiffte halbfertige, aber rollfähige S2 Avant von Ingolstadt nach Zuffenhausen, wo man dann erst all das montierte, was eben RS-spezifisch war. Sogar die hübschen Recaro-Sitze gab es seinerzeit schon in der Aufpreisliste, man entschied sich nur für neue Bezüge. Aber die wahre Magie ergibt sich ja immer erst, wenn man das große Ganze betrachtet, und da schlug der RS2 gleich mehrfach ein.

Zuerst natürlich auf dem Markt: Es herrschte 1994 scheinbar eine große Sehnsucht nach starken Kombis. In zwei Jahren entschieden sich fast 1.000 Leute mehr für einen RS2 als für einen S2 Avant, was bei den Preisen schon enorm war.

Zweitens auf dem Bankkonto: Audi hatte das meiste aus der Großserie übernehmen können, es blieb pro verkauftem Auto also einiges hängen. Und Porsche selbst musste nicht mehr um ihre Zukunft bangen. Der Auftrag hielt die kleine Sportwagenmarke so lange am Überleben, bis die neuen wassergekühlten Modelle endlich kamen.

Und drittens – und dafür müssten alle Porsche-Jünger den RS2 eigentlich auf ein Podest heben – bescherte er den Zuffenhausenern gewaltige Visionen: Er zeigte, dass die Zeit reif für viertürige Porsche war. Ohne den RS2 wäre es also wohl nie zu einem Cayenne, Panamera oder Taycan gekommen. Und Porsche wäre nach wie vor ein winziger Player geblieben.

Und als der Laden dann wieder lief, kam es auch nie mehr zu einer Fremdproduktion in den Werkshallen. Schon gar nicht zu einem Modell, an dem das Meiste nicht einmal aus dem eigenen Ingenieursbüro stammt. Selbst, wenn es aus der Familie gekommen wäre.

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