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Einer für alle, alle gegen einen

Möchte man wissen, warum die britische Automobilindustrie so elendig vor die Hunde ging, muss man sich nur die Geschichte des Triumph Stag ansehen. Vom Konzept und Design ein goldrichtiges Auto. Nur reicht das alleine nicht, um Geld verdienen zu können.

Roland Scharf

Natürlich war auch Pech dabei. Aber unbestritten kann gesagt werden, dass die Briten immer dann die besten Ideen haben, wenn wirklich Not am Mann ist. So auch Anfang der Siebziger. Die USA, der wichtigste Exportmarkt seinerzeit, wollte strengere Sicherheitsbestimmungen für Cabrios einführen. Eigentlich kamen diese einem Verbot für Open Tops gleich, doch bei Triumph hatte man eine Idee: Bauen wir doch ein Coupé, mit Türrahmen und Steg vom Windschutzscheibenrahmen bis zur Heckscheibe. Aber oberhalb der zwei Sitze lassen wir einfach das Blech weg! Eine aufwändige Konstruktion, die natürlich eine Menge Geld verschlang und damit der Anfang des Endes für Triumph war, denn die USA überlegten es sich noch einmal und beschränkten die Convertibles dann doch nicht. Doch die Kohle war schon investiert. Und damit fingen die unnötigen Ausgaben bei diesem Projekt erst an.

Um das Schlamassel aber wirklich zu verstehen, muss man sich das Firmenkonstrukt ansehen, in dem der Stag auf die Welt kam. Damals bündelte man praktisch alle britischen Firmen unter einem Konzerndach. British Leyland war ein Gigant unüberschauberer Größe, der sich intern in vielen Punkten nicht einig war. Natürlich war die Zusammenlegung damit begründet, Kräfte zu bündeln und so Kosten zu sparen. In Wahrheit aber war man tief verfeindet und wollte den andern nichts gönnen. Es gab nach wie vor die Leute von Austin und die von Morris. Die von MG wollten nichts mit denen von Triumph zu tun haben und so weiter. Schließlich war man noch bis vor kurzem Konkurrent, was sich bis zum Händlernetzwerk auswirkte. Nach wie vor gab es für jede Marke einzelne Stützpunkte, was die Kosten natürlich weiterhin hoch halten ließ. Und da es über sechs Jahre dauerte, bis man einmal das Vertriebsnetz vereinheitlichte, darf man sich nicht wundern, dass man bei Triumph auch lieber sein eigenes Süppchen kochte – und zwar richtig.

So entwickelte man für den Stag praktisch alles neu. Keine bestehende Plattform war gut genug. Es musste grundlegend neu konstruiert werden, was seine skurrilsten Auswirkungen beim Motor haben sollte. Anstatt den bewährten und legendären 3,5-Liter-V8 von Rover zu nehmen, der dank Alu-Bauweise leicht, drehfreudig und kompakt war, schnappte man sich lieber zwei Dolomite-Vierzylinder und strickte diese zu einem eigenen Achtzylinder in V-Bauform um. Im Nachhinein wäre es interessant zu wissen, mit welchen Stückzahlen im Kopf die Buchhalter damals diese Investitionen frei gaben. Aber selbst wenn der Stag klaglos funktioniert hätte, wäre es für ihn wohl mehr als unmöglich gewesen, die nötigen Gelder in entsprechender Höhe wieder reinzuspielen.

Aber so weit sollte es gar nicht kommen. Der hastig zusammengesteckte V8 hatte nämlich gleich mehrere Probleme, die zum Teil an konstruktiven Schwächen, zum Teil aber auch minderwertigem Material lagen. Eine verheerende Kombination: Besonders brutal war es, wenn sich Verbrennungsabgase über die schlecht passende Zylinderkopfdichtung in die knapp am Zylinder liegenden Wasserkanäle vorbeipressten. Das ließ das Kühlsystem im Zeitraffer überkochen, wenn der Motor nicht durch einen Hitzestau beim siebenten Zylinder aufgrund des engen Motorraums ohnehin schon Probleme hatte.

Aber all das bekam man in den Griff. Sogar das Händlernetz war irgendwann einmal halbwegs vereinheitlicht, sogar in den USA überrissen die Vertragshändler langsam, wie man diesen Euro-V8 servicierte, nur wie so oft, gab es da zwei gravierendere Probleme, und Pech noch obendrein: Zum einen war das Image dermaßen ruiniert, dass es völlig egal war, wie gut der Stag mittlerweile lief – ihn wollte niemand mehr. Dazu kam, dass British Leyland wieder einmal keinen Cent an dem Projekt verdiente. Das hätte auch nur ganz knapp mit den kalkulierten Stückzahlen funktioniert, von denen man aber so oder so weit entfernt war. Ja und dann kam noch hinzu, dass die geplante Gesetzesänderung der Staaten doch nicht in Kraft treten sollte. Man durfte also ganz normal weiterhin Cabrios verkaufen, womit sich die eigentlich geniale Konstruktion des Stag ad absurdum führte.

Und die Moral von der Geschichte? Gute Ideen machen noch lange kein gutes Auto. Und ein Konzern, der alle paar Jahre in die Pleite rasselt, weil er einfach zu verzweigt, zu groß und zu unkontrollierbar war, ist fast automatisch zum scheitern verurteilt. Der Stag hielt sich dennoch bis 1977.

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