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Im Kreuzfeuer der Konzernlenker

Als erstes und letztes Gemeinschaftskind der Zwangsehe von Mercedes und Chrysler nimmt der Crossfire eine ambitionierte wenn auch etwas unglückliche Rolle ein. Es hätte etwas Tolles aus ihm werden können. Aber nicht so.

Roland Scharf

Es ist jetzt auch schon knapp 25 Jahre her, als sich die deutschen Konzerne mehr und mehr Richtung Westen streckten. Verbündete in den USA galten als schick, wenn es darum ging, mehr im Massenmarkt vertreten zu sein. Opel war schon lange mit GM verflochten, BMW hatte zumindest Rover, aber Mercedes Benz? Die waren zwar erfolgreich, aber nur in den oberen Preisligen. Da musste man also etwas tun. Wie gut, dass Chrysler wieder einmal kurz vor der Pleite stand.

Also griff man für einen stolzen Betrag zu und formte den Weltkonzern DaimlerChrysler, wobei man zu Beginn demonstrativ Einigkeit demonstrierte. Das sei keine Übernahme, sondern eine gleichberechtigte Partnerschaft, hieß es versöhnlich. Und als solch glückliche Ehe werde man natürlich konsequent zusammenarbeiten. Schließlich sollte das Projekt auch von der rechnerischen Seite einmal einen Sinn ergeben. Allein, so ganz easy gestaltete sich dieses Geflecht dann doch nicht.

Zuerst verließen die amerikanischen Vorstände einer nach dem anderen das riesige Schiff, dass bald nur mehr deutsche Strategen das Ruder in der Hand hatten. Was aber auch nicht wirklich in gemeinsamen Projekten mündete, was sicher auch am Stolz der US-Autobauer lag. Wir bleiben bei unseren eigenen Plattformen! Logisch, dass die Aktionäre da langsam aber sicher nervös wurden. Die Kosten stiegen zwar konsequent. Aber Synergieeffekte? Na ja, da gab es noch ein wenig Raum für Optimierung, gleichwohl man den Ernst der Lage rund drei Jahre nach der Übernahme erkannte.

Ein gemeinsames Projekt musste also her. Auserkoren als Zeremonienmeister wurde dabei ein schnittiges Coupé, dessen Strahlkraft dann in weiterer Folge auf weitere Modelle abstrahlen soll. So zumindest der Plan. Crossfire als Name stand recht bald fest. Auch die Formgebung, da Chrysler (und zwar nur deren Designabteilung) ein aufregend gezeichnetes Modell ablieferten. Bewusst beschritt man in der Formgebung neue Schritte. Oder sagen wir: alte. Denn der Art Deco-Stil stand im krassen Gegensatz zum Beispiel zum Bauhaus-Look von Audi. Das wäre auch ein schöner Gegenspieler! Und damit man dem hauseigenen SLK keine Konkurrenz machte, durfte der Neue natürlich nur ein Coupé sein.

SLK, ein gutes Stichwort. Man suchte ja krampfhaft nach Synergien. Allerdings nach solchen, die der Konzernmutter nicht weh taten. Schließlich hieß die Bude ja nicht grundlos DaimlerChrysler und nicht ChryslerDaimler. Somit spendeten die Stuttgarter die Plattform des SLK der ersten Generation. Nicht aber jene der zweiten, die 2004 erscheinen sollte – nur ein Jahr nach der Lancierung des Crossfire. Der wiederum büste einige seiner optischen Finessen ein, galt es nämlich, das fixfertige Design an die 20 Zentimeter kürzere Plattform anzupassen.

Irgendwie bekam man dann doch eine spannende Form hin, bügelte sogar ein paar wirre Details aus, machte das Ganze also etwas massentauglicher, und stolz konnte man 2003 ein Auto präsentieren, das für den neuen Anfang dieses übergroßen Konzerns stehen sollte. Als es aber darum ging, wo man die Kiste denn fertigen solle – es stand ja schließlich Chrysler drauf – kam man auf eine unvorhersehbare Idee: Lagern wie die Produktion einfach aus! Schließlich kam die Technik aus Deutschland, amerikanische Fließbänder waren für so kleine Autos und die zu erwartenden geringen Stückzahlen nicht ausgelegt, also rief man bei Karmann in Osnabrück an, die natürlich gerne zusagten.

Die Reaktionen des Publikums waren dann aber eher verhalten. Für Europa war der Wagen eigentlich nix. Ein Jahr später kam schließlich der neue SLK, warum also die alte Technik nehmen? Auch der niedrigere Preis war kein Argument in einem Segment, das man sich gönnte, also gern bereit war, ein wenig mehr auszugeben. Und in den Staaten fehlte es dem kleinen Wagen schlicht an zwei Zylindern. Die V6 waren zwar kräftig, aber eben keine Achtzylinder. Da half auch eine SRT-Version nichts, die hastig nachgeschoben wurde, denn auch die hatte nur den Sechs-Ender unter der Haube, wenn auch mit Kompressor, was im Endeffekt eine abgeschwächte AMG-Variante des Ur-SLK war.

Immerhin brachte die offene Version dann noch ein paar Achtungserfolge, wobei Mitte der Nuller-Jahre dann sowieso eine Zeitenwende anstand. Irgendwie ließen sich Daimler und Chrysler nicht unter einen Hut bringen. Man probierte es zwar, indem man die alten Komponenten der E-Klasse für 300M, Charger und so weiter einsetzte, US-Teile aber für echte Mercedesse zu verwenden, kam einfach nicht in Frage – eine Scheidung war nach einem Führungswechsel in Stuttgart (und zahlreichen erbosten Aktionären) also schon rein rechnerisch einfach die schlaueste Lösung. Und das hieß für den Crossfire: Ende Gelände, zumal Karmann nach der Übernahme von VW ohnehin keine Fremdaufträge mehr durchführen durfte. Es wäre also so oder so für unser Art Deco-Coupé vorbei gewesen.

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