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Helden auf Rädern: Cord 810

Schau mir in die Augen, Großer

Der Cord 810 ist in der automobilen Geschichte nur eine Fußnote. Aber eine, die vieles davon vorweg nahm, was künftig in allen Autos Standard werden sollte. Und die sogar von Flugzeugen Teile nahm.

Roland Scharf

Die Geschichte von Cord ist insofern beeindruckend, da sie nicht nur technisch interessante Lösungen fand. Sondern auch, dass die Marke an sich nach modernstem Vorbild ein Teil eines großen Konzerns war, der sich aus mehreren Autofirmen zusammensetzte. Alles ging los im Jahre 1929.

Da gab es den Herrn Errett Lobban Cord, der Autos sehr gerne hatte und bereits die Marken Duesenberg, Auburn und den Motorenhersteller Lycoming besaß. Wer so dick im Business ist, möchte sich natürlich auch irgendwie selbst verewigen, also gründete er eine Holding mit dem Namen Cord Corporation und fasste dort alle seine automobilen Buden zusammen. Wenn man also von einem Cord spricht, dann muss immer dazu gesagt werden, dass diese Autos bei Auburn gefertigt wurden und Lycoming die Antriebe lieferte.

Erste Versuche, die in Zeiten der großen Rezession wahrlich keinen leichten Start hatten, liefen schlicht unter dem Namen Cord, doch wirklich in Fahrt kam die Sache erst mit dem 810 von 1935, wo man anscheinend einen echten Lauf hatte, mit Designer Gordon Buehrig einen sehr fähigen und motivierten Designer ins Boot holen konnte und mit dem Typ 810 weit in die Zukunft blickte. Statt des üblichen Reihenmotors schnappte man sich einen V8 von Lycoming, den man zudem über einen Drehzahlmesser bestens überwachen konnte. Dazu gab es dann noch ein halbautomatisches Getriebe, das die Vorderräder antrieb.

Auch die Karosserie – damals überließ man dieses Feld weitgehend noch Coachbuildern, die individuell Aufbauten anfertigten, von den Herstellern kamen meist nur Fahrgestelle – war ein völlig neuartiger Zugang. Erstmals verfolgte man ein Stromlinienkonzept und revolutionierte das Fahrzeugdesign. Wenn man bedenkt, dass damals noch vertikal stehende Kühlergrille en vogue waren, eine echte Palastrevolution, da der Cord-Grill, der schnell den Spitznamen Sargnase erhielt, waagrecht verlief. Aber auch die Scheinwerfer waren eine Premiere – die ersten versenkbaren der Welt. Die Betätigung funktionierte über Hebel am Armaturenbrett, und die Konstruktion an sich war sogar überraschend preiswert, da Herr Cord in seiner Holding auch seine Anteile am Flugzeugproduzenten Stinson Aircraft Company unterbrachte – und sich für sein Autoprojekt die ausfahrbaren Landungslichter aus der Flugzeugproduktion krallte.

Solche Dinge sind heutzutage zwar schon lange verboten. Die anderen Neuigkeiten, die Buehrig verwirklichte, sind hingegen bis heute Standard. Etwa die Scheibenwischer in unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Die vorne angeschlagenen Türen (damals waren hinten angeschlagene noch üblich), oder auch die einteilige, ebenfalls hinten angeschlagene Motorhaube. Ansonsten galt bis damals noch, dass man den Deckel zweigeteilt auslegte und die zwei Hälften jeweils seitlich aufmachen konnte.

Um das in Relation zu setzen: Wir sprechen immer noch von der Vorkriegszeit, wo das knorrige Ford Model T nach wie vor das Maß der Dinge war. Entsprechend rechnete man sich bei Cord hohe Chancen auf einen großen Markterfolg aus – man musste das neue Wunderding nur noch entsprechend vermarkten. Damals ging das noch super über Automessen. Die New York Auto Show bot sich da natürlich an, doch um da teilnehmen zu dürfen, mussten vom Messemodell mindestens 100 Stück produziert worden sein. Und da ging der Ärger schon los.

Das Getriebe – so revolutionär es auch war – hatte massive Probleme, die man einfach nicht in den Griff kriegen konnte. Mister Cord war das egal, also produzierte man einfach 100 Stück ohne Getriebe, nur um bei der Show teilnehmen zu können. Dort rannten die Leute der Holding die Bude ein, es gab Vorbestellungen ohne Ende, was kein Wunder war – wurde den Interessenten schließlich versprochen, ihren neuen 810 noch heuer ausgeliefert zu bekommen. Den anwesenden Technikern dürfte bei dieser Ansage wohl ziemlich schlecht geworden sein.

Schließlich wussten die, wie es um das Getriebe wirklich bestellt war. So dauerte es bis Februar 1936, bis die ersten Exemplare zufriedenstellend liefen. Und bis April, ehe die ersten Kunden im Big Apple ihren 810 in Empfang nehmen konnten. Insofern ist es fast ein Wunder, dass man im ersten Modelljahr schon mehr als 1.000 Stück fertigen konnte. Die anhaltenden technischen Probleme, zu denen sich auch noch Dampfblasenbildung in der Spritleitung gesellte und für reihenweise gestrandete Cords sorgte, ließen das Image aber im Nu abkühlen, sodass Auburn 1937 nach rund 3.000 Stück die Produktion einstellen musste.

Zu der Zeit wusste Herr Cord schon von den Gewitterwolken über seiner Autosparte und hatte sich längst aus den Tätigkeiten zurückgezogen. Für ihn kein großes Drama, da er zum Schluss ein Imperium von gut 150 Firmen kontrollierte. Für Auburn aber war die Sargnase der letzte Sargnagel. Cord veräußerte seine Anteile an eine Investorengruppe aus Manning. Die Hinterlassenschaften von Auburn gingen nach Dallas, und eine Firma namens Felz Motor Company erwarb alles, was von Duesenberg noch übrig war. Doch das ist eine andere Geschichte.

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