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Helden auf Rädern: Renault Avantime

Renaults große Kreativität brachte nicht nur den Avantime zu Fall, sondern gleich die komplette Produktionsfirma.

Roland Scharf

Ideen hatten sie ja bei Renault, da kann man nichts einwenden. Gerade zu Beginn dieses Jahrtausends gingen in der Konzernzentrale so manche Lichter auf. Das Geld saß noch locker, und da ein Clio mit V6-Heckmotor und der zweisitzige Sportler Spider mit ohne Windschutzscheibe noch nicht reichte, begab man sich an das andere Ende der automobilen Bandbreite – und kombinierte 2001 das Van-Konzept mit der Idee des zweitürigen Grand Tourers.

Hört sich schräg an? Sagen wir einmal so: Hinter dem Wahnsinn steckte durchaus Methode. Auf Basis des erfolgreichen Espace entstand eine komplett neue Karosserie, die wie das Ausgangsmodell aus Kunststoff bestand, die man auf ein Stahlchassis setzte. Das erlaubte den Designern weitgehend freie Hand, und unbestritten kann gesagt werden, dass vor allem das avantgardistische Heck all das bot, was die Zeichner sich nicht einmal in ihren kühnsten Träumen vorgestellt hätten. Auch die Techniker hatten keinen Grund neidisch zu werden. Die durften sich vor allem an den Scharnieren der Türen austoben. Diese waren fast 1,5 Meter lang und entsprechend schwer, und da sie mit konventionellen Anlenkpunkten so weit aufschwingen würden, dass man aus keinem Parkplatz mehr hätte aussteigen können, konstruierte man ein mehrfach bewegliches Hebelwerk.

Da das gesamte GFK-Know How bei Konzerntochter Matra schlummerte, war es nur logisch, dass nicht nur der Espace, sondern auch seine Art Deco-Schwester in Werk in Romorantin-Lanthenay vom Band laufen wird. Achsen, Motoren und Getriebe lagen ebenfalls dort auf Lager, und so blickte man voller Freude in die Zukunft, in der die erlesene Kundschaft die luftige Atmosphäre des großzügigen Innenraums genießt. Sogar die hinteren Seitenscheiben ließen sich vollständig versenken. Es kann ohne Übertreibung gesagt werden, dass das Fahrerlebnis schon fast etwas von einem noblen Zugabteil hatte – ein elegantes Dahinschweben auf feinem Ledergestühl durch die Landschaft.

Allein – das wollte kaum einer. Die Anfangseuphorie verflog schon kurz nach dem Aufschlagen der Auftragsbücher. Lieber saß man seinerzeit in dunklen Dieselkombis oder klassischen Coupés, oder im echten Espace, der nicht nur viel mehr Platz bot, sondern auch noch deutlich günstiger war. Dazu kamen diverse technische Probleme, vor allem mit den aufwändigen Türscharnieren. Aber ein dermaßen massives Fiasko hat sich der Avantime nicht verdient. So war nicht nur nach nicht einmal zwei Jahren und 8545 gebauten Exemplaren im Jahre 2003 bereits wieder Schluss. Die Verluste gingen zudem dermaßen nach oben, dass Renault – so die offizielle Version – nichts andere übrig blieb, als Matra gleich komplett dichtzumachen. Dass der erst kürzlich neu aufgelegte Espace eine Stahlkarosserie bekam und in einem anderen Werk vom Band lief, war wohl nur ein unglücklicher Zufall.

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