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Helden auf Rädern: Pontiac Tojan
Knudsen

Viel hilft viel

Gerade in Zeiten der Krisen muss man in die Vollen gehen. So hätte der Pontiac Tojan der erste Supersportwagen überhaupt werden können. Aber irgendwie fehlte es dann doch am notwendigen Mut.

Roland Scharf

Wer amerikanische Muscle Cars kennt, der weiß, was hier die Eckdaten sein müssen: V8, viel Hubraum, Starrachse natürlich und ein möglichst auffälliges Design. Das war lange Zeit das Erfolgsrezept der meist simpel konstuierten Fahrzeuge, doch dann kam die Ölkrise, dann erstmals Emissionsgrenzwerte. Und die beginnenden 1980er-Jahre sollten die wohl schlimmste Zeit werden, die diese Fahrzeugklasse jemals erleben würde. Achtzylinder gab es zwar immer noch, aber mit bemitleidenswerten Leistungen. Pontiag, seinerzeit noch irgendwie selbstständig unter der Haube von General Motors unterwegs, bastelte gerade an der dritten Generation des Firebird. Sie träumten aber davon, nicht einfach nur die Massenware von Chevrolet neu zu verpacken. Lieber wollten sie hervorstehen mit einem echten Technikwunderwerk. Und das hieß zu jener Zeit vor allem: Leistung, und zwar reichlich.

Natürlich konnte man sich nur nach der Decke strecken, sodass man keine völlige Neukonstruktion anging. Aber die Basis des neuen Camaro, auf dem auch der nächste Firebird basiert, könnte ja entsprechend umgestrickt werden. Also ging man zu Knudsen Automotivein Nebraska, einem winzigen Coachbuilder, der den Auftrag bekam das Firebird-Topmodell Trans Am massiv umzubauen. Wilde Verbreiterungen, ein stattlicher Heckflügel und generell eigenartig aufgeblasene Formen ließen eher den Anschein erwecken, man habe es hier mit einem klassischen Kit Car zu tun. Aber weit gefehlt. Pontiac wollte es genauso. Und dass beim Designers Harry Bentley Bradley, der zuvor für Hot Wheels tätig war, etwas derart Verspieltes herauskommen würde, lag ja fast auf der Hand.

Fakt ist, dass der Tojan nach weit mehr aussah als die rund 150 PS, die der heruntergeregelte Fünfliter-Smallblock lieferte. Als Speerspitze von Pontiac musste es natürlich deutlich mehr sein, also nahm man die Hilfe von Gale Banks danken an, der als einer der ersten sich intensiv mit dem Thema Turbolader beschäftigte und rein zufällig ein Setup im Programm hatte, das just diesen V8 doppelt aufgeladen verwendete, ursprünglich aber nur für Marinezwecke vorgesehen war. Wir reden hier jedenfalls von keinen halbherzigen Tuninglösungen denn Banks Power überarbeitete den Motor komplett, tauschte und verbesserte zahlreiche Bauteile und brachte es schlussendlich auf 800 PS – bei voller Ausnutzung der zwei Turbos sogar auf 900.

Man bedenke: Zu jener Zeit waren 200 PS schon eine Ansage. Knapp 1.000 aber, das war fast unvorstellbar. Pontiac gefiel die Idee aber so gut, dass man tatsächlich einen Tojan entsprechend bestückte und mit 330 km/h knackte man so ziemlich alles, was sonst noch auf den Straßen herumkriechte – und nicht nur das. Streng genommen, lieferte man hier das erste Supercar, bevor es diese Kategorie noch nicht einmal gab. Zum Vergleich: Der Ferrari F40 kam auf 321 km/h – zumindest auf dem Papier – und wenn es sich hier nur um akademische Unterschiede handeln sollte, so waren derartige Zahlen handfeste Verkaufsargumente für eine reiche, wenngleich verspielte Kundschaft. Cool, oder? Absolut, aber konnte man das der Kundschaft zumuten? Immerhin schlummerte unterm Blech nach wie vor die nicht sonderlich hochwertige Technik des Firebird. Es kam, was fast klar war: Zum Serienanlauf bekam man kalte Füße und bot den Tojan nur mit den üblichen Fünf- und 5,7-Liter-Saugversionen an.

Immerhin gab es etwas später dann doch die Möglichkeit, einen Kompressor dazuzubestellen, der die Leistung auf 400 PS anhob, aber das war nicht der Punkt: Muscle Car bedeutet halt auch, immer ein wenig übers Ziel hinauszuschießen, den süßen Reiz des Wahnsinns zu spüren, das Gefühl des Übermotorisierten zu erleben. So aber musste man 40 Prozent mehr hinlegen als für einen Trans Am, der technisch gesehen nichts anderes war. Und als Kompressormodell mit voller Ausstattung kam man leicht auf das Dreifache. So ist es zwar erstaunlich, dass der Tojan von 1984 bis 1991 im Programm blieb. Aber auch nur deswegen, weil die Autos je nach Bedarf bei Knudsen gefertigt wurden. Denn sonst hätten sich die 136 Stück wohl noch weniger gerechnet.

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