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„Ich fahre nie mehr mit Montoya mit!“

Über eine prägende Autofahrt mit Montoya, die geheimnisvollen F1-Handbremsen, wie sich eine Kinokarte in ein F1-VIP-Ticket verwandelte uvm.

Michael Noir Trawniczek
& Stefan Schmudermaier

MNT: Was sagst du zu dem Vorwurf, dass die Eintrittspreise zu den Formel 1-Rennen viel zu hoch sind? Was ja fast schon eine Frechheit ist, irgendwie. Wie ist das für dich? Du bist da jetzt wahrscheinlich ein bisschen gespalten? Wie bist du mit diesen horrenden Eintrittspreisen umgegangen?

Armin Holenia: Grundsätzlich ist die Formel 1 eine Ware, ein Produkt. Wenn dieses Produkt wirklich auch qualitativ dem entspricht, was man sich als Fan vorstellt, dann ist man auch bereit, das zu zahlen. Ich darf vielleicht einen kleinen Sidestep machen: Wir haben für den Grand Prix Werbung gemacht und haben das Minardi-Team mit dem Doppelsitzer verpflichtet und die Preise für die Mitfahrgelegenheit waren sehr hoch. Ich glaube man musste rund 3.500 Euro bezahlen, für drei Runden. Eine Aufwärmrunde, eine schnelle Runde und eine Auslaufrunde. Die Leute waren bereit, das zu bezahlen.

Da sage ich nun einmal: Das Produkt Formel 1 ist, wenn wirklich alles funktioniert, so gut, dass man diese Preise verlangen kann. Was aber wirklich in den letzten zwei Jahren sehr missfallen hat, war der Ablauf der Veranstaltung. Am Rennsonntag wurde der erste Formel 1-Motor um 13.15 Uhr gezündet. Dann war „Pitlane open“, sie sind eine Viertelstunde gefahren, danach wieder „Pitlane closed“ und dann war das Rennen und dann war es aus.

Am Vormittag des Tages, an dem die Massen hinpilgern, hat sich nichts abgespielt. Das einzige ist um 11 Uhr die Drivers Parade. Alles andere, beispielsweise ein Rahmenrennen, wurde nicht gestattet. Weil man Angst hat, dass dort ein Ölfleck entstehen könnte. Und das ist schlecht für die Formel 1. Ich habe gehofft, dass sich die Verantwortlichen für heuer etwas einfallen lassen, es ist aber wieder nichts passiert.

MNT: Es gibt den Vorschlag von Paul Stoddart, ein Doppelsitzer-Rennen abzuhalten.

Armin Holenia: Den gibt es, aber er wurde nicht verwirklicht. Es passiert nichts. Und da – als Gesamtpaket betrachtet - sind die Preise in der Formel 1 sicher zu hoch. Da muss ich billiger werden.

MNT: Der Ecclestone sagt: Wir gehen in den asiatischen Raum. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Leute dort sich den Eintritt leisten können. Die werden dort vor leeren Tribünen fahren.

Armin Holenia: Ich glaube, dass das eine rein finanzielle Geschichte geworden ist. Der Bernie ist ja schon ein betagter Mann, der irgendwann einmal aufhören wird.

MNT: Er sagte unlängst, er würde sich zu Tode langweilen...

Armin Holenia: Seine Aufgabe ist es, den Teams viel Geld zuzuspielen und möglicherweise auch noch einige Teams zu unterstützen in ihren Bemühungen, sodass sie überhaupt noch diesen Sport betrieben können. Und: der Bernie geht dort hin, wo Geld ist. Die Zuschauer sind zwar schön, sie dienen aber möglicherweise nur dem, der das Geld für die Veranstaltung zahlen muss.

Dem Bernie ist die Garantie einer Summe wichtiger, die ihm eine Regierung, ein Konsortium garantiert. Ein Vertrag, der sich jeweils nach einem Jahr um eine gewisse Prozentzahl indiziert, ist ihm lieber. Und wenn er in Bahrain oder Shanghai mehr als das Doppelte bekommt, von dem, was er in Österreich bekommen hat, dann ist es für einen Geschäftsmann unverständlich, wenn man diesen Weg nicht geht. Weil nur Lebkuchenherzen, Steirerhüte und Lederhosen sind zu wenig, damit kann man diese Summen nicht wettmachen.

Er geht in die Märkte hinein, wo Geld ist. In Bahrain sind auch nur wenige Menschen, die sich das leisten können. Die Hersteller werden sich wieder an ihre Märkte erinnern müssen, wo sie wirklich Autos verkaufen. Sicher China ist toll. Aber Malyasien – die kaufen keinen Mercedes. Die paar Bahrani, die Geld haben, die haben eh einen Mercedes. Wichtig sind für die Hersteller jene Märkte, wo sie wirklich vertreten sind.

STS: Volumensmärkte.

Armin Holenia: Volumensmärkte. Ob da Österreich eine Rolle spielt. Das glaube ich eher nicht. Weil das ein Österreicher jetzt einen BMW kauft, nur weil die Formel 1 in Österreich fährt – das wage ich zu bezweifeln. Die Formel 1 wird Bahrain dann wieder verlassen. Aber: Der Bernie hat Geld damit verdient.

MNT: Du sagtest ja: Die Formel 1 ist ein Produkt. Und eine Qualität dieses Produkts ist der Sport. Die Überholmanöver und so weiter. Und: Die Fahrer. Für einen Weltmeister, Jacques Villeneuve ist kein Platz mehr in der Formel 1,obwohl er der letzte Weltmeister außer dem Schumacher war. Ein mittelmäßiger David Coulthard sitzt dafür schon seit ewig im McLaren. Weil man mit ihm besser die Familienkutschen verkaufen kann. Wird dieses Denken nicht zu einer totalen Katastrophe in der Formel 1 führen?

Armin Holenia: Es ist richtig, die Gallionsfiguren in der Formel 1 werden immer weniger. Man würde die Piloten in Zivilkleidung zum Teil gar nicht mehr erkennen. Der Bernie möchte ja einen Valentino Rossi in die Formel 1 bringen, weil er ein Action-Typ ist. Er möchte einen Schwarzen hineinbringen, eine Frau. Er möchte auch wieder mehr Gallionsfiguren.

Ich habe nie geglaubt, dass ein Raikkonen etwas bringt für Mercedes, aber mittlerweile ist er um einiges zugänglicher. Früher hätte sich der Raikkonen einfach umgedreht und wäre gegangen, wenn man ihn etwas gefragt hat. Und der Herr Montoya, der ja künftig bei Mercedes fahren wird, ist ja auch nicht unbedingt der Leichteste. Weil der ist ein Racer. Der pfeift sich nichts um Marketingstrategien.

STS: Den Montoya kennst du ja schon seit einiger Zeit, auch vor der Formel 1?

Armin Holenia: Natürlich. Ich habe die Pressearbeit für das RSM-Team Marko gemacht. Und der Montoya ist ja ein wahnsinnig wilder Hund. Ich hatte einmal die Gelegenheit, dass ich in Silverstone von der Rennstrecke mit ihm ins Hotel gefahren bin.

Und da hat er mir eigentlich gezeigt, was Autofahren ist, indem er immer auf der verkehrten Straßenseite gefahren ist und dann auf einen zugefahren ist, gewartet hat, wie der reagiert und dann erst hat er reagiert, indem wieder rübergezogen ist. Also ich habe die Retourfahrt dann selber bestritten. Ich habe gesagt, ich fahre nicht mehr mit ihm. Weil das tue ich mir nicht mehr an. (Gelächter)

Das waren rund 18 Kilometer, die mein Leben geprägt haben. Aber der Montoya ist ein Typ. Er ist ein Racer. Man muss immer unterscheiden: Die Techniker und die Racer. Der Alexander Wurz hat zu den Journalisten immer gesagt: Ich muss zuerst immer zu meinen Technikern gehen. Weil wenn ich kein gutes Auto habe, dann könnt ihr auch nichts schreiben. Das ist vom Ansatz her richtig.

Der Fisichella, der mit ihm im Benetton-Team war, hat sich sofort nach dem Rennen oder Training für Interviews zur Verfügung gestellt, weil er ein Racer ist. Der Villeneuve ist auch ein Racer, nur ist er jetzt ein erfolgloser Racer. Und mit seinem Schlabberlook passt er halt nicht zu den Marketingstrategien der Hersteller. Einen Massa oder einen Sato kann ich formen, ändern – das kann ich mit dem Villeneuve nicht.

Diese jungen Piloten wie Raikkonen mussten sich auch nicht durch diese Serienhierarchie durchschlagen. Früher hattest du Formel Ford, Formel 3, Formel 2.

MNT: Jetzt macht man aus der Formel 3000 die Formel GP2.

Armin Holenia: Ja, sie versuchen es wieder so zu machen. Aber siegen tut das Geld, siegen tun die Manager, wichtig sind die Kontakte. Der Aufstiegsweg des Formel 1-Fahrers ist ein anderer geworden.

MNT: Zu den Fahrern: Wenn du dich zurückerinnerst – haben da die Piloten immer schon diese strengen und sterilen Regeln, ein Protokoll erfüllen müssen?

Armin Holenia: ich war durch Zufall engagiert, als Niki Lauda in Estoril zum dritten Mal Weltmeister geworden ist. Da hat BBC live übertragen. Die Pressekonferenz. Es war ein riesiger Rummel um den Niki. Da gab es Prügeleien beim Eingang dieses sogenannten Fernsehstudios, welches BBC angemietet hatte. Und der Niki hat uns gesehen, wie wir da gekämpft darum haben, herein zu kommen. Und er hat also dann diese Ordner dazu gebracht, uns hereinzulassen.

Ich habe Radio gemacht. BBC war live drauf. Und da ist der Verantwortliche zum Niki gekommen und der sagte zum Niki, er solle anfangen. Doch der Niki sagte: „No. First Austria.“ Ich habe mich dort hin gesetzt mit meinem Techniker und habe ein Siebenminuten-Interview gemacht. Das musste wohl oder übel von BBC mitgefahren werden.

Da hat der Niki bestimmt: Zuerst ist Österreich und dann kommt England dran, auch wenn ich für McLaren fahre. Das gibt es heute alles nicht mehr. Selbst ein Michael Schumacher kann heute nicht mehr sagen was er will. Und wenn er es gesagt hat, hat man daraus Übersetzungsschwierigkeiten gemacht.

Sie wollen ja auch nicht, dass Journalisten in den Boxen stehen und mit den Fahrern sprechen, weil das alles mit den Pressesprechern abgestimmt werden muss. Ich erinnere mich da an eine Geschichte. Das war auf dem Nürburgring, als der Gerhard Berger noch gefahren ist. Der hatte uns Österreicher damals immer auf die Hintertreppe des Team-Transporters verbannt. Dort haben wir uns aufhalten dürfen.

Und dann ist er einmal rausgekommen – er hatte zuvor im Renen einen guten Startplatz und ist aber nicht weggekommen - und er sagte: „Ich trau mich’s fast nicht sagen. Aber ich habe die Handbremse nicht aufgebracht.“ Woraufhin selbst ein Helmut Zwickl, ein absoluter Kenner der Materie, gesagt hat: „Was heißt Handbremse?“ Da gab es eine Sperre. Er hat sie als Handbremse bezeichnet. Das war ein Knopf. Das sollte verhindern, dass das Auto am Startplatz nicht zu rollen beginnt.

Mit dem Gerhard Berger habe ich mein schönstes Wochenende erlebt. Das war 1997. Als er am Donnerstag vor dem Rennen eine Pressekonferenz gegeben hatte – der Bernie hatte ihm keine im Fahrerlager erlaubt - weshalb er sie draußen bei Radio Hockenheim gegeben hat und er schon befürchtete, dass keine Leute kommen, doch es war alles schwarz vor Leuten – und er bekannt gegeben hat, dass er doch weiter fährt. Das war nach dem Tod seines Vaters. Dann fuhr er Bestzeit am Freitag, Pole-Position und dann hat er das Rennen gewonnen. Und ich durfte nach seinen Angaben im Pressesaal die Interviews führen. In Deutsch. Und alle anderen haben mitfahren können und haben mitgeschrieben. Das war für mich das schönste Wochenende in der Formel 1. MNT: Man kommt ja heute als Fan eigentlich nicht mehr ran an die Formel 1. Früher ist man einfach ins Fahrerlager hinein gegangen... Armin Holenia: Früher war das Publikum näher eingebunden. Die Vergnügungszelte waren in der Nähe des Fahrerlagers. Es sind Länderkämpfe zwischen den Fans entstanden. Die Schweizer haben getobt und sind auf die Tische gestiegen für den Clay Regazzoni. Es war sehr viel Alkohol im Spiel. Es ist sehr viel in den Protokollen der Polizei festgehalten worden. Man kann sagen: Der Fan stand mehr im Mittelpunkt. Heute ist diese Vergnügungsmeile weit, weit weg. Damit nicht irgendwas passieren kann, was vielleicht anrüchig ist. Die DTM ist da ganz anders, da können die Leute reingehen, sind nahe am Geschehen. Das beste Beispiel ist der Norbert Haug: In der Formel 1 ist er ein Feldherr geworden, der unansprechbar ist für die Masse. Und eine Woche später, bei der DTM, ist er der gemütliche, liebe, zugängliche Rennleiter von Mercedes. Ein Rollenspiel, das eigentlich unheimlich ist. Jede Woche dreht sich der einmal um. Das ist sicher auch nicht leicht. Ich kann mich gut erinnern: Ein bekannter Zahnarzt hat über die Intervention eines Kollegen von mir eine Karte bekommen für den Paddock, also nicht Paddock-Club, sondern unten für das Fahrerlager. Und der war ganz stolz, dass er diese Karte bekommen hat, die ja wirklich niemand erhält, aber es war halt eine Gästekarte. Und dann sieht er mich und sagt: „Wo kann ich zuschauen?“ (Gelächter) Sage ich: „Naja, hier herinnen kannst du nur zu einem Team reingehen, vielleicht haben die einen Fernseher, nur, da werden sie dich halt wahrscheinlich raus schmeißen..“ Und er sagt: „Aber ich sehe ja nichts. In die Box kann ich nicht hinein. Jetzt ist Training, da fahren sie – und ich sehe aber nichts.“ Sag ich zu ihm: „Du bist eh nicht finanziell unbedacht. Geh raus aus dem Fahrerlager, kaufe dir eine Karte und setz dich auf die Tribüne.“ Was er auch gemacht hat. Dieses Beispiel ist für mich bezeichnend gewesen. Der Mann hat eine Karte, das Heiligtum aller Heiligtümer, und der kann nicht zuschauen. Denn im Fahrerlager siehst du nichts. Er ist dann mit seiner Frau hinaus gegangen, hat sich das Training auf der Tribüne angesehen. Dann ist er wieder reingekommen und sagte zu mir: „Jetzt habe ich etwas gesehen.“ Habe ich ihm gesagt: „Siehst du, so ist das im Leben.“

Da fällt mir übrigens noch eine nette Anekdote ein. Vor mittlerweile rund 50 Jahren bin ich mit dem Fahrrad zum GP von Imola gefahren, mit mehreren Zwischenstationen klarerweise. Unter anderem hab ich in Villach übernachtet und bin dort ins Kino gegangen. Die Karte - sie war knallrot und rot ist in Italien ja bekanntlich heilig - hab ich aber nicht weggeworfen, sondern mit zur Rennstrecke genommen.

Und damals bin ich mit der österreichischen Kinokarte an sämtlichen Wachposten und Kontrolloren vorbeigekommen, jeder hat die Karte für ein VIP-Ticket gehalten. Und als ich so im Fahrerlager meine Runde drehe, spricht mich plötzlich jemand an und meint, dass ich so gar nicht italienisch aussehen würde.

Es war niemand geringerer als Wolfgang Graf Berghe von Trips, der deutsche Rennfahrer. Er freute sich, dass er jemanden gefunden hatte, der Deutsch spricht und hat mich zu ihm an die Box eingeladen, wo ich das ganze Rennwochenende verbringen durfte.

Ich hab mir damals auf einen Notizblock viele Autogramme der Stars geben lassen, u.a. von Sterling Moss und Juan Manuel Fangio, diesen Block hab ich heute noch.

MNT & STS: Danke für dieses interessante Gespräch.

Kommende Woche biegt unsere Serie "F1-Backstage" langsam in die Zielgerade ein, Andi Gröbl wird seine Geschichten rund um die Königsklasse preisgeben, zum Finale folgt noch vor dem Saisonstart ORF-Formel-1-Urgestein Heinz Prüller!

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