
BMW F 800R - schon gefahren | 06.07.2011
Harte Schale - weicher Kern
Wer hätte das gedacht, dass BMW einmal Motorräder vom Schlage einer F 800R bauen würde. Doch mit dem Mut kamen die Käufer, zu recht!
mid/tm
Es ist noch nicht allzu lange her, dass BMW genau die altbackenen Modelle auf die Räder stellte, die die damalige Klientel der Weißblauen haben wollte. Das hat sich gründlich gewandelt. Und prompt stellte sich dank einer bedeutend breiteren Käuferschicht der Erfolg ein.
Ziemlich finster kommt die F daher, fast wie ein Cyberbot guckt das Bike aus der Wäsche mit seinen beiden ungleich großen Scheinwerfern. Sicher liegt Schönheit stets im Auge des Betrachters, doch eines ist die F 800R sicher nicht: ein Bike wie jedes andere.
Das Styling polarisiert. Was aussieht wie ein Tank ist die Abdeckung des Luftfilterkastens, getankt wird in die rechte Flanke des Bikes. Am Heck schmiegt sich der bullige Endschalldämpfer eng ans Fahrzeug.
Das kleine Windschild ums Cockpit herum ergänzt die Streetfighteroptik à la Triumph Speed Triple ideal.
Aufsteigen und wohl fühlen heißt das Motto, sobald man den Rücken der F erklommen hat. Die Fußrasten sind relativ weit hinten montiert, was aber den Fahrerrücken spürbar entlastet.
Damit die F 800R für alle Fahrer passt, gibt es die Sitzbank neben der standardmäßigen Höhe von 80 Zentimetern auch 2,5 Zentimeter niedriger und höher. So erreichen kürzere Fahrer den Boden sicher, und für größere Biker wird damit der Kniewinkel nicht zu unangenehm.
Mit einem Druck auf den Starterknopf nimmt der 87 PS starke Reihenzweizylinder seine Arbeit auf. Was der Motor dabei in den Schalldämpfer entlässt, ist nicht von schlechten Eltern - ein blechern-kehliger Klang, der selbst den Boxern aus gleichem Hause gut zu Gesicht stehen würde.
Gang einlegen und schon schiebt der bei Rotax gebaute Motor bereits ab Leerlaufdrehzahl sanft, aber mit Nachdruck voran. Die F hängt dabei sauber am Gas und setzt jegliche Befehle der rechten Hand willig um.
Gasaufreißen im oberen Drehzahlbereich quittiert sie mit einem durchdringenden Hämmern aus dem Ansaugtrakt. Der Bayern-Fighter macht in allen Lebenslagen Spaß, auch wenn er einen Tick mehr Power vertragen könnte.
Einzige Ausnahme ist die Autobahn, denn der Gleichläufer-Twin entlässt bei mittleren Drehzahlen enorme Vibrationen in den Lenker. So enorm, dass dem Fahrer bereits nach kurzer Distanz die Hände einschlafen. Hier sollte der Hersteller dringend nachbessern.
Doch das Metier der 9.250 Euro teuren F 800R ist ohnehin eher die Landstraße. Je winkeliger das Geläuf, desto besser. Beeindruckend leichtfüßig lässt sich die Bajuwarin von einer Kurve in die nächste werfen.
Allenfalls richtig heftige Stöße dringen bis zum Kreuz des Fahrers durch. Treibt man es auf holperigen Strecken zu bunt, so muss hin und wieder schon einmal der unter dem Lenkkopf montierte Lenkungsdämpfer das eine oder andere Lenkerschlagen aus dem Fahrwerk fischen.
Nicht so stur wie andere BMW-Getriebe, aber dennoch recht knochig zu schalten, präsentiert sich die Transmission der F 800R. Ein Meisterstück sind die Bremsen, die zwar vehement zupacken, aber stets feinfühlig zu dosieren sind.
Und kommen die Räder dabei an die Blockiergrenze, so greift das einwandfrei regelnde ABS ein.
Für die Sozia muss die Liebe zum Fahrer allerdings groß sein, denn der Sitzkomfort in der zweiten Reihe reicht für den Weg zur Eisdiele, größere Strecken malträtieren das untere Rückenstück arg.
Das Grinsen, zumindest beim Fahrer - kehrt jedoch an der Zapfsäule zurück. Bei verhaltener Landstraßenfahrt gehen noch nicht einmal vier Liter Superbenzin pro 100 Kilometer durch die Einspritzdüsen, zieht man etwas mehr am Kabel, so werden es 4,5 und auf der Autobahn lässt sich der Bayern-Fighter mit gerade einmal 5,5 Liter bewegen.
Unterm Strich hat BMW mit der F 800R ein agiles, gutmütiges und überaus sparsames Mittelklassemotorrad in seinem Programm, mit dem es sich trefflich durch Berg und Tal räubern lässt. Wer hingegen längere Autobahnetappen überbrücken können will, sollte eher zu einem anderen Bike greifen.
Technische Daten BMW F 800R
Straßenmotorrad mit flüssigkeitsgekühltem Reihen-Zweizylinder-Motor, 798 ccm, Leistung 87 PS bei 8.000 U/min, max. Drehmoment 86 Nm bei 6.000 U/min, elektronische Kraftstoffeinspritzung, G-Kat, Sechsganggetriebe, Sekundärantrieb per Kette, Sitzhöhe 80 cm (niedrige Sitzbank: 77,5 cm, hohe Sitzbank: 82,5 cm), Tankinhalt 16,0 Liter, Reifen vorn 120/70 ZR 17, hinten 180/55 ZR 17, 43-mm-Telegabel, Lenkungsdämpfer, Aluminiumschwinge mit Zentralfederbein, Federvorspannung und Zugstufe einstellbar, Gewicht fahrfertig 199 Kilogramm, Zuladung 206 Kilogramm, Höchstgeschwindigkeit über 200 km/h, Verbrauch 4,5 Liter Super auf 100 Kilometer; Preis: 9.250 Euro.