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Highnoon in der F1-WM

Die Bilanz zur Saisonhalbzeit, Teil 2: Der Einfluss der neuen Regeln auf die sportliche Ebene, die Kräfteverhältnisse und drei aufstrebende Kometen...

Michael Noir Trawniczek

Teams: Wirklich das Ende der Ferrari-Dominanz?

Auch im sportlichen Bereich zeigte das neue Reglement Wirkung – das verzerrte Kräfteparallelogramm der Königsklasse wurde ein wenig zurechtgerückt. Entscheidende Änderung auf dem Reifensektor: 2002 konzentrierte sich Bridgestone auf Ferrari, während McLaren und Williams mit Michelin Kompromisse eingehen mussten. Heuer arbeiten die Gummigiganten für jedes Team gesondert, das wirkt sich positiv aus – eine der wirksamsten Maßnahmen des FIA-Sparpakets, wenn auch nicht sehr sparsam. Michelin erhält zudem aus den Freitagstests mit Renault wertvolle Streckeninformationen.

Betrachtet man jedoch die WM-Tabelle, erkennt man wenig Auswirkungen im Vergleich zu 2002 – bis auf die Tatsache, dass Michael Schumacher in den ersten drei Rennen nur acht Punkte erzielen konnte. Ab Imola sind es fünf Rennen mit einer Ausbeute von vier Siegen und einem dritten Platz für den fünffachen Weltmeister. Michael Schumacher stand heuer schon viermal ganz oben auf dem Stockerl, alle anderen konnten nur jeweils einen Sieg für sich verbuchen. Wirklich das Ende der Ferrari-Dominanz?

Nein - und aber auch ja. Ferrari hat zwar immer noch einen der oder wenn nicht den stärksten Wagen, kann aber aufgrund der nun eingebauten Reglement-Elemente das Potential nicht immer nützen. Man sieht auch an Rubens Barrichello’s Leistungen, dass Ferrari insgesamt nicht mehr über die Durchschlagskraft des Vorjahrs verfügt. Auch bei anderen Teams passiert es immer häufiger, dass man an einem Rennwochenende sich komplett verzettelt, der sogenannte Wettergott hat heuer bislang zudem kräftig mitgeholfen.

Das neue Qualifying ist eine Herausforderung für alle Beteiligten. Das Einzel- bzw. Einrundenzeitfahren gibt den Piloten eine Plattform, ihr Können zu beweisen, starke Nerven und ein großes Herz sind gefragt. Ein Fehler und man startet womöglich aus der Boxengasse. Jeder, auch ein Michael Schumacher, macht da mal einen Fehler. Problematisch wird es dann, wenn man sich in dieser Situation nicht so recht ans Limit vorwagen kann. David Coulthard spricht auch heute noch davon, wie schwierig es sei, in einer einzigen Runde das Beste zu geben.

Dazu kommt die unterschiedliche Betankung – mit dieser Regel wird der an sich spannende Einrunden-Qualifyingmodus wieder relativiert. Ein Satz wurde zur Standardformel: „Aber wie immer kann man aus den Rundenzeiten nicht viel herauslesen und wir werden erst morgen im Rennen sehen, wo wir wirklich stehen.“

Auch im Rennen wurde das taktische Element größer. Einen Konkurrenten überholt man heute fast nur mehr mit der richtigen Strategie. Überholmanöver sind heute aus Aerodynamikgründen riskant und weniger berechenbar. Bei zwei bis drei Boxenstopps pro Rennen ist es gescheiter, sie für das Plätze gutmachen zu nützen und ansonsten wenig zu riskieren. Fazit: Die Piloten fahren heute unter geänderten Voraussetzungen und müssen dies in ihren Gesamtstil integrieren. Die Teams haben sich großteils bereits taktisch auf die neuen Richtlinien eingestellt.

Unter diesen Voraussetzungen entstand eine kleine Verbreiterung der Spitze. Es gibt mit Ferrari, McLaren und Williams drei siegfähige und mit Renault ein weiteres Beinahe-Top-Team – und mit Jordan einen Lotteriesieger. Am anderen Ende scheint Sauber zurzeit der Absteiger des Jahres zu werden. Minardi ist wie immer die rote Laterne.

Während McLaren im ersten Teil des Halbjahrs Siege an Land zog und bis vor kurzem WM-Leader war, scheint sich in den letzten Rennen das Blatt gewendet zu haben – Williams hat beim FW25 scheinbar ein paar „Knoten“ öffnen können. Doch es kommt noch der neue McLaren-Mercedes MP4-18 – die Frage ist, wann? Und ob sich das noch ausgehen kann. Für Spannung ist aber diesbezüglich zumindest gesorgt.

Fahrer: Die heiligen drei Kometen

Drei Youngstars nützten die neuen Verhältnisse, um in besonderer Weise auf sich aufmerksam zu machen. McLaren’s Kimi Raikkonen feierte seinen ersten Sieg. Renault-Pilot Fernando Alonso entfachte große Anerkennung, und auch Mark Webber beeindruckte mit dem Jaguar. Alle drei zeigten aber auch, dass es einige Fallen in dem aktuellen Modus gibt und erlaubten sich durch die Bank schwere bis mittelschwere Fehler. Ein besseres Lehrjahr wie diese reglementtechnisch und wetterbedingt teils recht absurde Saison 2003 konnte dem Trio gar nicht passieren.

Und einer von ihnen kann heuer ganz sicher noch Weltmeister werden, liegt nur drei Punkte hinter Michael Schumacher – und zwar kein David Coulthard, kein Ralf Schumacher, Juan Pablo Montoya oder gar Rubens Barrichello - sondern Kimi Raikkonen. Auf Platz 3 der aktuellen Wertung findet man Fernando Alonso. Wachablöse also? Werden David und Rubens von Kimi und Fernando abgelöst?

David Coulthard hat ein Problem und das ist nicht nur die WM-Tabelle zur Saisonhalbzeit, in der er nur halb so viele Punkte wie sein Kollege Raikkonen verfügt. Coulthard ist jetzt schon eine Ewigkeit bei McLaren. Nachdem er im Schatten Hakkinens stand und Raikkonen kam, hätte er sich als künftigen Titelaspiranten präsentieren müssen. Das tat er – verbal und jeweils im Winter - auch, lediglich auf der Strecke machte er den gegenteiligen Eindruck. Coulthard ist also ein heißer Kandidat für den „Absteiger des Jahres“. Er müsste jetzt schon ein, zwei oder besser drei Rennen gewinnen, um das noch verhindern zu können.

Rubens Barrichello wirkt heuer um einiges zahnloser als im Vorjahr. Ralf Schumacher konnte sich wieder ein wenig rehabilitieren, wenngleich er nun zwei Rennen aus der Pole-Position heraus verloren hat. Juan Pablo Montoya macht zwar einen schnellen, aber auch einen etwas ungestümen Eindruck. Und Giancarlo Fisichella ließ kurz sein großes Können aufblitzen, nützte eine Gelegenheit, um seinen ersten Sieg feiern zu können – der Mann braucht ein Spitzencockpit, das ist ihm auch klar, deshalb bietet er sich bei Ferrari an. Warum auch nicht?

Fazit: Hilfreiche chemisch erzeugte Spannung!

Alles in allem sind die Rennen spannender geworden, sind die Verhältnisse nicht ganz so festgefroren wie im Vorjahr. An jedem Rennwochenende kann es ein anderes der Top-Teams sein, welches patzt oder ins Volle langt. Diese Spannung hat aber einen chemischen Beigeschmack. Sie ist künstlich herbeigeführt worden, trotzdem wirkt sie natürlich. Man hat mit dem neuen Punktesystem die Tabelle positiv manipuliert, der WM-Stand sieht ausgeglichener aus und ist ein wenig träger geworden – Änderungen vollziehen sich langsamer, ein Sieg ist weniger wert. Man hat im Qualifying den Fahrerfaktor erhöht, im Rennen jedoch wird immer noch nicht wirklich gekämpft, sondern eher taktiert. In den Kurzzusammenfassungen der TV-Stationen sieht man mehr Boxenstopps als Rad-an-Rad-Kämpfe auf der Strecke.

Sehr positiv ist aber die Tatsache, dass niemand wirklich sagen kann, wer am nächsten Rennwochenende das Zepter in der Hand haben wird. Somit kann auch keine Prognose gestellt werden, Freude bei den Wettbüros. Durch das neue Reglement und das heuer recht unberechenbare Wetter ergeben sich aber immer wieder interessante Rennen. Man kann also sagen, dass die neue Formel 1 durchaus gelungen ist, wenn auch mit einigen Abstrichen. Zumindest steht der Weltmeister 2003 noch lange nicht fest – wenn McLaren jetzt nicht locker lässt und Kimi Raikkonen im Qualifying aufpasst, darf man sich auf ein spannendes WM-Duell zwischen dem fünffachen Champion und dem aufstrebenden „Ice-Man“ freuen...

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