Formel 1: News | 19.06.2004
Diskussionen rund um das neue Qualifying!
Ab Silverstone sollen Einzelrunden-Qualifying und Auftankverbot Geschichte sein. Doch es gibt Diskussionen. Droht jetzt ein Boykott der TV-Stationen?
Der neueste Vorschlag von F1-Boss Bernie Ecclestone, der ab dem Großen Preis von Großbritannien in Silverstone greifen soll, sieht dabei zwei 25-minütige Sessions mit einer zehnminütigen Pause dazwischen vor. Die Piloten werden dabei auf maximal vier Reifensätzen mindestens sechs Runden pro Session zurücklegen müssen. Aus der Addition der beiden besten mit "leeren Tanks" erzielten Runden wird dann die Startaufstellung berechnet.
Soweit die graue Theorie. Wie bei allem gibt es aber auch hier Problemfelder: Etwa dass die Piloten zu Beginn der Session, wie noch im alten bis Ende 2002 genutzten Qualifyingformat, nicht auf die „grüne“ Strecke gehen werden oder das Problem, dass die kleineren Teams nun im Gegensatz zum Einrundenqualifying weniger TV-Präsenz erhalten werden. Auch die durcheinander gewürfelten und Spannung versprechenden Startaufstellungen könnten der Vergangenheit angehören.
Dafür steht aber endlich wieder der Schnellste auf der Pole Position. Eine Tatsache welche bei den Taktikspielchen des aktuellen Formats nicht selbstverständlich ist. Und dann gibt es noch die Vermutungen, dass ein neues Qualifyingsystem mit wenig Sprit an Bord den Michelin-Teams und Ferrari-Gegnern in die Hände spielen könnte, da diese auf eine Runde gesehen immer schnell unterwegs sind. Somit könnten die Roten plötzlich hinter sechs bis acht Michelin-Fahrern stehen.
Michael Schumacher sieht die Lage allerdings nicht so prekär: „Wenn wir alle bisherigen Rennen betrachten, dann gab es vielleicht zwei Grand Prix bei denen wir im Qualifying einen kleinen Nachteil hatten“, beschwichtigt Schumacher gegenüber unseren Kollegen von Autosport. „Bei den anderen Rennen waren wir jedoch ziemlich dominant. Deswegen sollten wir uns nicht zu viel Sorgen machen.“
Sollte trotzdem etwas mit dem neuen Format schief gehen, dann müssen die Fans und die Medien auf Bernie Ecclestone und nicht auf die Teams einschlagen, betont der Ferrari-Technikchef Ross Brawn. „Wir alle haben unsere Ideen, deswegen muss Bernie die Verantwortung dafür übernehmen, wenn es nicht funktioniert“, so Brawn, der durchaus weiß, dass es „sehr schwierig“ ist ein System zu finden, welches allen gefällt.
„Aber Bernie ist der Promoter und wir werden versuchen ihn so gut es geht zu unterstützen.“ Trotzdem ist Brawn darüber in Sorge, dass sich die Formel 1 derzeit zu Tode verändern könnte. „Dies ist unser drittes Qualifyingformat innerhalb eines Jahres“, erinnert der Technikdirektor der Scuderia. „Wir müssen es diesmal richtig hinbekommen.“
Und was dies anbetrifft hat David Richards so seine Zweifel. „Bernie ist der Promoter und er hat sich durchgesetzt“, so der B·A·R-Teamboss. „Aber ich persönlich glaube nicht, dass es das Richtige ist.“
Richards wäre lieber einen demokratischeren Weg gegangen. „In dieser Angelegenheit wäre es vielleicht am besten gewesen drei oder vier Optionen auszuarbeiten und dann die TV-Zuschauer und Produktionsfirmen entscheiden zu lassen, was für sie am besten funktioniert.“
Stattdessen hielt Bernie Ecclestone an seiner alten Maxime fest: „Die Formel 1 ist keine Demokratie, die Formel 1 ist eine Diktatur.“ Doch möglicherweise hat Big Bernie die Rechnung ohne die mächtigen TV-Stationen gemacht...
Veto der TV-Stationen?
Die Fernesehstationen sind wichtig. Sie transportieren die Formel 1 in die weite Welt hinaus, dafür bezahlen sie große Summen. Sie sind die Existenzerhalter der Königsklasse. Wenn sie etwas sagen, hat das Gewicht, auch für Formel 1-Drahtzieher Bernie Ecclestone.Das Einzelrundenqualifying hat den TV-Stationen und den kleinen Teams gefallen. Die Fernsehmacher mussten keine leere Piste mehr zeigen, wie dies in den ersten zwanzig Minuten des alten Qualifyings oft der Fall war, es war immer ein Fahrzeug auf der Strecke, die kleinen Teams konnten ihren Sponsoren mindestens zwei Runden TV-Präsenz garantieren.
Die Meinungen der Fans über das 2003 eingeführte Qualifying waren zweigeteilt. Das Auftankverbot brachte eine neue Komponente in die Formel 1-Berichterstattung – das Ungewisse. Wegen der unterschiedlichen und meist unbekannten Spritmengen waren respektive sind die Rundenzeiten eigentlich gar nicht mehr interpretierbar – eine seriöse Berichterstattung war beziehungsweise ist de facto nicht möglich.
Die modifizierte 2004er-Version bot mit dem 1. Qualifying direkt vor dem entscheidenden Lauf eine langweilige und recht unsinnige Prozedur. Nur wenige TV-Stationen brachten den ersten Qualifikationslauf. Jetzt hat man reagiert und ein komplett neues Qualifying etabliert, welches dem Einzelrundenzauber und auch dem Auftankverbot ein Ende bereitet. Binnen einer Stunde sollen in zweimal 25 Minuten alle Piloten mit „leeren“ Tanks auf Zeitenjagd gehen, die besten Rundenzeiten werden addiert, daraus ergibt sich die Startaufstellung. Jeder Pilot muss pro Session mindestens 2 Versuche à 3 Runden unternehmen.
Das neue Qualifying soll ab dem GP von England in Silverstone zur Geltung kommen. Alle zehn Teamchefs haben zugestimmt – Minardi-Boss Paul Stoddart und Eddie Jordan nur zähneknirschend, da man den Sponsoren keine TV-Präsenz mehr garantieren kann. Es fehlt also nur noch die offizielle Absegnung durch die „Formula One Commission“, die am 30. Juni eine Sitzung abhalten wird.
Bei der Beschlussfassung könnte es aber Probleme geben. Denn nicht alle TV-Stationen sind mit dem neuen Modus einverstanden. Laut ITV könnte es sein, dass einige Promotoren das neue Format ablehnen und ein neuerliches Überdenken der Lage verlangen.
Man befürchtet, dass es wie vor 2003 am Beginn der Qualifying-Session eine leere Piste geben wird, da keiner der Piloten als „Pistenputzer“ verkommen möchte. Wenn dann in den letzten zehn Minuten der Session alle Fahrzeuge auf die Piste stürmen, werden die TV-Regisseure herausgefordert, möglicherweise auch überfordert, so die Ängste der Fernsehstationen. Man darf also gespannt sein, was am 30. Juni letztlich beschlossen wird.