Motorsport: Starthilfe | 14.09.2005
Dieter Quester: Exklusivinterview & Tipps für Jung-Talente!
Im Gespräch mit Dieter Quester, der auch mit 66 noch Siege einfährt. Der Parade-Rennfahrer beantwortet Fragen von angehenden PilotInnen.
Michael Noir Trawniczek
Fotos: Christoph Aschauer für motorline.cc
Sein Gesicht ist ein Buch, es erzählt viele Geschichten. Am 30. Mai 1939 erblickt Dieter Quester das Licht der Welt. 1956 beginnt er siegreich mit Rennbooten, 1963 wechselt er zunächst auf zwei, 1966 auf vier Räder. 1968 wird Quester erstmals Tourenwagen-Europameister, weitere Titel folgen. Seit damals ist er BMW-Werksfahrer.
Mit 25 fährt er 1974 den ersten und einzigen Formel 1-Grand Prix seiner Karriere, auf dem Österreichring. Mit einem Surtess-Ford TS16 qualifiziert er sich für den 25. Startplatz und wird ein beachtlicher Neunter. Damals musste man sich noch qualifizieren - nur 25 von 31 durften starten. Quester schlug sechs Piloten, darunter Derek Bell, Jean-Pierre Jabouille und Helmuth Koinigg.
Doch Dieter Quester ist im Tourenwagensport zuhause - er ist ein richtiger Berufsrennfahrer geworden, im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen fährt er immer noch - und sammelt stets Siege ein. Mehr als 600 Rennstarts, mehr als 50 Siege - mehr als 250mal stand Dieter Quester auf einem Siegerpodest!
Dieter Quester hilft Rookies
Wenn also tatsächlich jemand auf die Idee kommen sollte, dass er Rennfahrer werden möchte, dann wird er bei Dieter Quester einiges erfahren. Er hat sich bereit erklärt, die Fragen junger RennfahrerInnen oder solcher, die es werden wollen, zu beantworten. Wer in den Motorsport einsteigen will und dazu eine Frage hat, schreibt eine Mail, wir leiten sie an Dieter Quester weiter.
Einige der Rookie-Fragen könnten auch schon im folgenden Exklusivinterview mit dem Rennbarden geklärt werden. Das Gespräch beginnt mit dem Thema "Einstieg in den Motorsport", gleitet dann ab in Thematiken wie "Charisma in der Formel 1", "Der Fall Patrick Friesacher" oder "Red Bull und die Motorsportakademie", um am Ende wieder beim Einstiegsthema zu landen.
Lesen Sie den ersten Teil unseres Gesprächs. Teil 2 finden Sie am Freitag auf motorline.cc.
Exklusivinterview mit Dieter Quester
Wenn Sie heute noch einmal mit dem Motorsport beginnen würden, wie würde sich das darstellen? Was wäre anders gegenüber jener Zeit, in der Sie begonnen haben?Dieter Quester: Wesentlich ist, dass in der Zeit, in der ich begonnen habe, minimalste Beträge gerade recht waren. Und zwar in einer Größenordnung, sodass man sich mit den Beträgen von damals heutzutage nicht einmal einen Reifen kaufen könnte. Da hat sich nämlich viel verändert. So zu beginnen, wie ich das damals getan habe, ist heute undenkbar. Selbst wenn ich heute ein Supertalent bin, brauche ich auch mein Package, mein Money-Package.
Motorsport ist also nur etwas für elitäre Kreise?
Dieter Quester: Das möchte ich nicht wirklich sagen. Das hängt auch davon ab, wie clever die jungen Burschen sind. Ob sie in der Lage sind, sich rein zu beißen. Ob sie in der Lage sind, sich als Werbeträger entsprechend profilieren zu können. Es muss nicht immer so sein, dass die Familie - oder wer auch immer - unbedingt Geld haben muss. Der Bursche muss eben Wege finden - Talent ist natürlich die Grundvoraussetzung...
Wie erfährt der Bursche denn, dass er Talent hat?
Dieter Quester: Naja, ich muss zunächst einmal etwas investieren. Da muss ich entweder zur Racing School von Walter Lechner, oder nach Frankreich - da gibt es also zig Rennfahrerschulen, wo ich ausloten kann: Kann ich es oder kann ich es nicht? Und das sagt aber noch immer nicht aus, ob ich es wirklich kann. Denn zwischen können und wirklich können gibt es auch eine sehr große Bandbreite.
Da gibt es ja den Grundspeed...
Dieter Quester: Ja, also den Grundspeed, den hat man bald. Aber darüber hinaus gibt es auch noch so etwas wie einen Extra-Speed. Und es ist sicherlich auch für den Burschen nicht einfach zu beurteilen: Hab ich ihn oder habe ich ihn nicht, diesen Extra-Speed, der heute aber unbedingt notwendig ist.
Ich bin ja selber vier Jahr Kart gefahren, auch gegen Ihren Sohn, damals auf der Kartbahn in Michelhausen. Ich habe es dann finanziell nicht geschafft. Fährt ihr Sohn noch?
Dieter Quester: Nein.
Damals war der Anfang ja noch relativ easy...
Dieter Quester: Damals war es so: Da hatte man, ich sage einmal 20.000 Schilling und dann hat man sich irgendwie rübergerettet.
Genau, mit nur zwei Satz Reifen pro Saison, zum Beispiel.
Dieter Quester: Ja. Und heute reichen 20.000 Schilling gerade noch für die Aufkleber vom Sponsor. Da hat sich eben extrem viel verändert. Und es ist auf der einen Seite schwierig, den Einstieg zu finden. Auf der anderen Seite - das Beispiel ist vielleicht nicht so gut, aber doch irgendwie zielführend: Ich habe seit 13 oder 14 Jahren Red Bull als Sponsor. Ich war einer der ersten Werbeträger für Red Bull im Motorsport, der erste war der Gerhard [Berger, d. Red.], der zweite, glaube ich, war ich. Und mein Sinnen war immer: Das ist keine Einbahn. Die geben mir etwas, ich muss ihnen auch etwas geben. Es kann einfach nicht sein - und das ist leider heute bei vielen jungen Leuten so - dass sie nur nehmen und nichts geben. Die nehmen nur. Sie machen sich überhaupt keine Gedanken wie: Was kann ich für meinen Geldgeber tun? Wie kann ich den ins rechte Licht rücken um ein entsprechendes Feedback zu haben? Das muss heute jedem klar sein: Wenn heute Red Bull die Jetons auf mich setzt, dann wollen die ein Come In haben. Und es ist meine Zielsetzung, diesen Leuten ein Maximum zurück zu geben. Und das ist sicher auch der Grund, warum ich Red Bull schon seit 13 oder 14 Jahren als Sponsor habe.
Stichwort Red Bull. Die Motorsportakademie, die in Spielberg geplant war oder ist - das wäre ja etwas Einzigartiges - vor allem auch, weil da weniger gut betuchte Leute die Chance erhalten würden, mittels Stipendien Motorsport zu erlernen.
Dieter Quester: Ja, aber es ist so: Das Konzept ist an und für sich nicht schlecht. Wenn ich heute in die Ski-Akademie gehe, zum Beispiel nach Stams oder sonst irgendwo hin, dann ist die Voraussetzung, dass ich ein perfekter Läufer oder Springer bin. Natürlich werde ich da auch geschliffen zu einem Diamanten, aber ich muss dort als Rohdiamant hinkommen. Weil sonst habe ich keine Berechtigung, dieses Gymnasium zu besuchen. Aber was diese Motorsportakademie betrifft - es ist doch heute so, dass jeder Junge glaubt, er ist Rennfahrer. Die wären doch überschwemmt worden mit Leuten, die meinen, sie kommen über diese Motorsportakademie in den Rennsport. Ich weiß nicht, ob dieses System funktioniert hätte beziehungsweise ob es funktionieren könnte. Sicher - es gibt so etwas ähnliches in Frankreich - aber ich sage es noch einmal: Ich bezweifle es letztlich, dass sich aus dieser Akademie Leute profiliert hätten, die tatsächlich an die Spitze gelangen können.
Es ist ja sehr unterhaltsam, wenn man liest, wie sich früher Leute wie Nigel Mansell, der an der Rennstrecke campiert hat, oder Niki Lauda, der mit diversen Tricks begonnen hat, in den Rennsport geschmuggelt haben...
Dieter Quester: Das machen ja die jungen Leute heute gar nicht mehr. Der Niki hat ja - mehr oder weniger - das Vermögen seiner Familie riskiert. Er hat das auf Schulden aufgebaut - und wenn das nicht aufgegangen wäre, hätte irgendjemand die Schulden zahlen müssen. Wer von den Jungen riskiert heute schon seine Existenz, um in den Motorsport zu kommen? Die riskieren eher die Existenz von Sponsoren - nicht alle, aber doch der Großteil, ist eher bequem und wartet, dass serviert wird.
Da gibt es ja auch einen Zusammenhang zu dem Problem, dass die gegenwärtigen Fahrer in der Formel 1 beispielsweise nicht mehr so eckig und kantig, also eigenständig, daherkommen wie früher ein James Hunt. Vielleicht auch, weil sie einen anderen Zugang zu ihrer Karriere hatten, sich etwas einfallen lassen mussten?
Dieter Quester: Früher war der Zugang zu allem anders. Das fängt heute damit an, dass ein junger Fahrer, der sich in irgendeiner Formel profiliert hat, trotz allem den Zugang nirgends hin hat. Wenn wir beim Hunt bleiben - oder wer es auch immer war, von denen, die extremes Charisma hatten - die haben selbst steuern können. Die haben von sich aus unheimlich viel zu ihrer Profilierung beigetragen. Das ist heute gar nicht mehr möglich, weil es so verkommerzialisiert ist...
Und es ist ja auch gar nicht mehr erwünscht, von den Sponsoren her, dass jemand Charisma hat...
Dieter Quester: Im Gegenteil - solche Fahrer wie ein James Hunt, die wären heute nicht beliebt. Auf der anderen Seite muss man sagen, dass es heute kaum noch Fahrer gibt - die kann man an einer Hand abzählen - die eine Ausstrahlung, ein Charisma haben, was damals aber auf das halbe Starterfeld zugetroffen hat.
Man hat damals auch noch das Leben riskiert. Und man muss ja auch in gewissem Sinne exzentrisch sein, um dann trotzdem Rennsport zu betreiben.
Dieter Quester: Heute wird es nur noch ganz wenigen Fahrern, wie einem Michael Schumacher oder einem Kimi Räikkönen, zugestanden, exzentrisch sein zu dürfen. Alle anderen, die dann irgendwo im Mittelfeld herumkrebsen - die dürfen ja gar nicht exzentrisch sein. Denen spricht man ja eigentlich alles ab.
Teil 2 des Gesprächs mit Dieter Quester finden Sie am Freitag auf motorline.cc.