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"Es handelt sich um eine Kombination unterschiedlicher Faktoren"

Von sagenhaften 1,6 Sekunden an Performancegewinn berichteten spanische Medien - jetzt spricht Renault-Techniker Toso über den neuen Boliden.

Foto: Renault F1

Dino, die vergangene Saison zählt aus Sicht des Renault nicht zu den erfolgreichsten. Habt ihr jetzt verstanden, woran der Renault R27 gekrankt hat, und konntet ihr die Defizite ausgleichen?

Es hat zwar eine ganze Weile gebraucht, bis wir die Ursachen für die mangelnde Konkurrenzfähigkeit unseres Fahrzeugs analysiert und begriffen haben, doch jetzt wissen wir, woran es lag - an einer Kombination aus ganz verschiedenen Faktoren. So haben wir zum Beispiel bei dem Wechsel von Michelin- auf Bridgestone-Reifen zahlreiche Details angeglichen, insgesamt die Anpassungsschwierigkeiten in ihrer vollen Reichweite jedoch unterschätzt. Uns fehlten zur damaligen Zeit einfach die entsprechenden Informationen.

Was ist an den japanischen Rillen-Slicks so anders als bei den französischen Pneus, mit denen ihr zweimal Konstrukteurs-Weltmeister geworden seid?

Die Vorderreifen weisen jetzt eine konstruktiv viel höhere Steifigkeit auf, was sich auch auf die Aerodynamik des R27 mächtig auswirkte. Kurz gesagt: Wir mussten die aerodynamische Balance sehr stark in Richtung Vorderachse verschieben, obwohl wir schon fast traditionell eher auf eine leicht hecklastige Auslegung setzen.

Uns war klar, dass wir dieses Gleichgewicht neu austarieren mussten, hatten aber keine Erfahrungswerte, wie. Erst später stellte sich heraus, dass der R27 schon rein konstruktiv gar nicht in der Lage war, die Balance so weit nach vorn zu verlagern, wie es nötig gewesen wäre - damit saßen wir in der Falle. Wir hätten ein völlig neues Auto konstruieren müssen. Das war aufgrund unseres Budgets, unserer Strategie und unserer Logistik jedoch nicht darstellbar.

Du sprachst von einer Kombination unterschiedlicher Faktoren ...

Ja, in der Tat. Die Aero-Balance entpuppte sich nicht als unser einziges Problem. Irgendwann stellten wir zum Beispiel fest, dass zwischen den Daten, die unser Windkanal liefert, und den reellen Bedingungen auf der Strecke eine Diskrepanz auftrat. Damit standen wir vor einer völlig neuen Situation, denn bis dato lag gerade in der Qualität und Umsetzbarkeit unserer Messwerte eine der besonderen Stärken des Renault F1 Teams. Schlussendlich mussten wir die neuen Bridgestone-Pneus auch im Einsatz erst kennenlernen, denn sie zeichnen sich durch eine völlig unterschiedliche Charakteristik aus im Vergleich zu jenen von Michelin, die wir bestens kannten.

Wie beurteilst Du diese Schwierigkeiten aus heutiger Sicht?

Ich glaube, wir hatten einfach Pech - es ist sehr schwierig, drei große Probleme auf einen Schlag zu kurieren, die sich auch noch gegenseitig bedingen. Andere Ex-Michelin-Teams zogen die neuen Reifen auf und waren vom Fleck weg schnell. Auf manche Dinge hatten wir jedoch keinen Einfluss.

Wie habt Ihr auf diese Probleme reagiert, um 2008 wieder an der Spitze mitkämpfen zu können?

Als erstes kümmerten wir uns um die Kalibrierung des Windtunnels, um die dort erarbeiteten Ergebnisse auch auf der Strecke wieder in einen Vorteil ummünzen zu können. Das hat eine ganze Zeit gedauert, ist aber nun bewältigt: Jetzt stimmen die Daten aus der Simulation wieder mit dem tatsächlichen Verhalten des Autos im Fahrbetrieb überein.

Darüber hinaus haben wir ein sehr ehrgeiziges und aggressives Entwicklungsprogramm gestartet, um unseren Rückstand aufzuholen. Während zum Beispiel Ferrari und McLaren bereits über fast ideal ausbalancierte Fahrzeuge verfügen, müssen wir diesbezüglich noch einige Defizite ausbügeln. Aus diesem Grund wird sich unser 2008er Modell stärker von seinem Vorgänger unterscheiden, als dies bei anderen Teams der Fall sein wird.

Können wir weiterhin davon ausgehen, dass die Aerodynamik noch immer den wichtigsten Einzelfaktor darstellt, wenn es um die schiere Schnelligkeit eines Formel 1-Rennwagen geht?

Ja, eindeutig. Angesichts der Reglementierung des V8-Motors und der Neueinführung einer für alle Teams identischen Standard-Bordelektronik wird es deutlich schwieriger, sich über mechanische Komponenten einen Vorteil herauszuarbeiten - die Unterschiede zwischen den einzelnen Rennwagen werden diesbezüglich immer geringer. Viel größere Entwicklungssprünge verspricht noch immer die Aerodynamik, sie wird 2008 sehr stark über Erfolg oder Misserfolg entscheiden.

Dabei wurde das technische Reglement, was die Aerodynamik betrifft, seit vier Jahren nicht mehr geändert. Ich stelle es mir sehr schwierig vor, angesichts unveränderter Rahmenbedingungen weiterhin einen Vorsprung zu finden ...

Aus meiner Sicht bleibt die Herausforderung die gleiche. Klar wird es nicht leichter, einen Performance-Vorteil zu finden. Dennoch zeigen wir mit dem Renault R28 auf, wieviel Spielraum innerhalb der starren Regeln immer noch entdeckt werden kann. Erweisen sich diese Modifikationen als erfolgreich, glaube ich kaum, dass unsere Konkurrenz lange zögern wird, sie zu kopieren. Doch das gehört zum Spiel.

Wir finden es lustig, die Fahrzeuge unserer Kontrahenten in der Startaufstellung in Augenschein zu nehmen und dort zahlreiche Details zu finden, die wir erfunden haben. Im vergangenen Jahr ist es dem einen oder anderen Team sogar gelungen, bei Testfahrten von uns ausprobierte Neuentwicklungen schneller im Rennen einzusetzen als wir! Ein stabiles Reglement bedeutet halt, dass die einzelnen Fahrzeuge in puncto Performance enger zusammenrücken. 2007 erwiesen sich die Unterschiede schon als sehr gering und wären noch viel knapper ausgefallen, wäre nicht vor Saisonbeginn der Einheitsreifen eingeführt worden.

Also ist ein neu definiertes technisches Reglement der einfachste Weg, um sich wieder einen deutlicheren Vorsprung herausarbeiten zu können?

Mit Sicherheit. 2004 haben wir während der Saison beschlossen, die aerodynamische Fortentwicklung unseres damaligen nicht sehr schnellen Rennwagens frühzeitig zu stoppen, um uns besonders früh auf das neue Modell und die veränderten technischen Regeln für 2005 konzentrieren zu können - mit Erfolg, wie die Geschichte gezeigt hat. Auch wenn es nicht sehr lange dauerte, bis unsere Konkurrenten unsere Lösungen kopierten und in puncto Rundenzeiten zu uns aufschlossen.

Die nächsten massiven Änderungen des Aerodynamik-Reglements stehen uns erst bei der Vorbereitung auf 2009 bevor, erneut eine immense Herausforderung. Damit stellt sich wiederum die Frage: Wann beenden wir die Arbeit am 2008er Renault R28, um uns rechtzeitig der neuen Aufgabe zu widmen? Eine strategische Entscheidung, die so manches Team quälen wird ...

Das Renault-Team kann schon bald sein neues CFD-Center einsetzen, mit dem Strömungsberechnungen angestellt werden können...

Ja, dieses hochmoderne System steht uns schon bald zur Verfügung und wird speziell bei der Entwicklung des Formel 1-Rennwagen für 2009 helfen. Aus meiner Sicht bringt es uns einen riesigen Vorteil.

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