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"Ich glaube schon, dass ich es in der Formel 1 geschafft hätte"

Vom Mercedes-Junior über die Intensivstation zum erfolgreichsten FIA-GT-Fahrer: Teil 1 unseres Gespräches mit Karl Wendlinger.

Johannes.Gauglica@motorline.cc

Hier sehen Sie Bilder aus der Karriere des Karl Wendlinger!

Streng genommen müsste man "Karl III." zu ihm sagen: denn in der Kufsteiner Familie grassiert schon seit Generationen der Motorsport-Virus. Den am 20. Dezember 1968 geborenen Karl Wendlinger führte sein Weg bis in die Formel 1, und dort sogar fast bis auf's "Stockerl". Für Motorline.cc lässt der Tiroler seine Karriere noch einmal Revue passieren.

Du kommst aus einer Familie von Motorsportlern, schon dein Großvater war aktiv, dein Vater war österreichischer Meister. War Rennfahren schon immer dein Berufswunsch?

Dass daraus auch ein Beruf werden könnte, habe ich damals noch nicht ins Auge gefasst. Rennen fahren wollte ich aber von Anfang an! Also zum Beispiel wie mein Vater im Familienbetrieb zu arbeiten, ihn einmal übernehmen und daneben Rennen fahren; die Ausbildung als Kfz-Mechaniker habe ich gemacht.

Hat deine Familie deine Ambitionen von Anfang an unterstützt?

Unbedingt! Ohne meine Familie wäre das alles nicht gegangen. In meinem ersten Jahr, damals war ich 14, bin ich nur ein paar Mal gefahren; aber im Jahr darauf waren es schon 23 Rennen.

Mein Vater ist mit mir durch die Welt gefahren. Er hat mir den Mechaniker macht und das Ganze natürlich auch finanziell unterstützt. Die endgültige Entscheidung, in Richtung einer Profi-Karriere zu gehen, ist im Jahr 1989 gefallen, mit dem Titelgewinn der deutschen Formel-3-Meisterschaft. Danach ist der Sprung ins Mercedes-Junior-Team gelungen.

Wie war die interne Stimmung im Mercedes-Junior-Team? Wieviel Prozent Kollegialität, wieviel Prozent Rivalität? Hat es seitens Mercedes irgendwelche Bevorzugung gegeben?

Die Stimmung unter uns Fahrern war sehr kollegial. Wir waren alle jung und schnell; und dass der Michael als erster in die Formel 1 kommen wird, war auch allen klar. Bernie Ecclestone wollte für die Formel 1 ja einen schnellen Deutschen. Ich habe kurz danach den Sprung in die Formel 1 letzten Endes auch geschafft, also hat das schon so gepasst.

Du bist damals verschiedenste Autos gefahren: Formel 3, Gruppe-A-Tourenwagen in der DTM (Mercedes 190), Sportwagen in der WM (Sauber-Mercedes C11) – wo hast du dich damals am wohlsten gefühlt?

Sicher im Formelauto. 1990 bin ich bei Helmut Marko Formel 3000 gefahren, damals hatten wir ein Lola-Chassis, das nicht unbedingt konkurrenzfähig war. Im Jahr darauf sind sich wegen des Sportwagen-Programms nur fünf Formel-3000-Rennen ausgegangen, da hatte das Marko-Team aber einen neuen Reynard, und mit dem war ich dann konkurrenzfähig.

1991 folgten die ersten F1-Rennen bei Leyton House, das war ja eine chronisch unterfinanzierte Truppe. War das eine Zeit der Unsicherheit bzgl. Des Bestandes des Teams?

Ich war zunächst einmal froh, in der Formel 1 zu sein. Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass auch für den alltäglichen Betrieb das Geld knapp ist. Von Testfahrten war eh keine Rede. Ivan Capelli hat damals auf die letzten Rennen des Jahres verzichtet, damit ich einsteigen und dem Team mein Sponsorgeld bringen kann – er hatte fürs nächste Jahr eh schon seinen Vertrag bei Ferrari. Als es darum gegangen ist, für 1992 einen Platz zu finden, war March sicher das günstigste Ticket. Auch die Formel 1 hat mitgeholfen, weil man kein Team verlieren wollte.

Insgesamt war ich in der Formel 1 dreimal Vierter; an das Rennen in Montreal erinnere ich mich noch sehr gut. Nach dem Boxenstop bin ich knapp hinter dem Jean Alesi auf die Strecke gekommen, er war so schnell wie ich. Da hat das Getriebe aber zu spinnen angefangen; der fünfte Gang ist am Schluss immer rausgesprungen. Ich habe mir gedacht: besser den vierten Platz sicher ins Ziel fahren, einen Podiumplatz werde ich schon noch einmal schaffen! Leider ist es dann anders gekommen.

Der Unfall 1994 war aber der Wendepunkt der F1-Zeit. Gibt es rückblickend heute noch die Frage "was wäre gewesen, wenn..."? Ein Gefühl des Bedauerns, der "offenen Rechnung" mit der Formel 1?

Ich glaube schon, dass ich es in der Formel 1 geschafft hätte. Aber irgendwann hab ich mich für mich selbst entschieden, dass solche Überlegungen keinen Sinn machen.

Unmittelbar nach meinem Unfall habe ich geringe Überlebenschancen gehabt; Ende 1994 habe ich bei einem Test in Jerez den Sprung zurück ins Team geschafft. Dort war ich nur wenig langsamer als Frentzen, der die ganze Saison gefahren ist. Anfang 1995 habe ich auf einmal Probleme bekommen mit den Reflexen, der Koordination – die Software im Kopf hat nicht mehr gestimmt.

Dazu ist ein Gewichtsnachteil von 15 Kilo gegenüber meinem Teamkollegen gekommen. Unsere Autos waren eh übergewichtig, also hat man alle leichten Teile im Nummer-1-Auto verbaut. Damit bin ich mit 20 Kilo mehr herumgefahren, das macht den Unterschied zwischen einmal oder zweimal tanken. Aber ich war einfach nicht mehr schnell genug. Als hätte mir jemand sagen wollen: die Formel 1 ist nichts mehr für dich.

Zum Ende deiner Formel-1-Karriere: wie viel war den Unfallfolgen zuzuschreiben, wie viel waren "äußere Einflüsse", also Teampolitik?

Sagen wir es so: einem Fahrer, der direkt von der Intensivstation zu einer Pressekonferenz kommt, kann man in der Formel 1 einfach kein Cockpit garantieren.

Hier war die Geschichte um ein Haar zu Ende, aber gottseidank ging es weiter – wenn auch nicht ohne Hindernisse. Mehr über den Weg zum erfolgreichsten GT-Fahrer und einen vorsichtigen Ausblick in die Zukunft lesen Sie im zweiten Teil!

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