
2. Business Eiskart-Challenge | 20.01.2009
Die Höhen & Tiefen im Motorsport am eigenen Leib erlebt…
Rasender Redakteur im Schneehaufen, die Profis im motorline.cc-Team, wie Patrick Winter oder Manfred Pfeiffenberger nahmen es mit Humor…
Michael Noir Trawniczek
Fotos: Laphunters/Polesny, motorline.cc
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der 2. Business Eiskart-Challenge.
Das Team von motorline.cc war ein hochkarätiges: Rallye-Jungstar Patrick Winter, Rallye-Sieger und Eiskart-Experte Manfred Pfeiffenberger (wurde als einer von knapp 40 Bewerbern für den 4. Teamplatz ausgelost, es gab zahlreiche Bewerbungen vorwiegend von Motorsportprofis!), dazu Rallyepilot Manfred Windischbauer, der für den Indoor-Kart-Weltmeister Werner Trügler kurzfristig eingesprungen ist – und dazu ich als Vierter im Bunde.
Meine Erfahrungen als Kartfahrer liegen über 20 Jahre zurück – im Vorjahr konnte ich als „rasender Schreiberling“ die Weiz-Rallye im Rally & more-Suzuki Swift und auf einem Boliden des Teams von Michael Steffny den Lauf zur BMW 325 Challenge auf dem Pannoniaring absolvieren. Eiskart jedoch bin ich noch nie gefahren. Es soll ganz schön rütteln, hat mir unser Teamchef, motorline.cc-Chefredakteur Stefan Schmudermaier verraten – eine maßlose Untertreibung, wie sich später herausstellen sollte…
Alles glatt – zunächst…
Dabei ist es zunächst recht glatt gelaufen. Glatt war nämlich im Qualifying der eisige Belag auf der Strecke, die auf einem zugefrorenen Teich auf der Teichalm ausgelegt war, umgeben von Tiefschnee. 14 Teams zu je vier Piloten waren am Start, wegen der großen Beteiligung mussten die Veranstalter sogar eine Vorqualifikation abhalten, davon waren wir jedoch nicht betroffen. Als Eiskart-Rookie hatte ich die Ehre, das Qualifying zu eröffnen. Die Teams wurden in zwei Gruppen aufgeteilt. Jeder der vier Piloten hatte rund 13 Minuten Training, um eine Zeit zu markieren – davor gab es jeweils ein paar Runden, um sich akklimatisieren zu können.
Das rund 12 PS starke 270 ccm-Viertakt-Kart erlaubt nur Spitzengeschwindigkeiten bis zu 70 km/h – doch auf der vereisten Strecke und bei Minusgraden in der Luft reicht das auch aus. Der Heckantrieb erlaubt Drifts respektive driftet man ohnehin von selber – Ziel ist es jedoch, eine möglichst ideale Linie zu fahren, die gedachte Linie vom Scheitelpunkt an. Dabei möchte das Heck des Karts stets ausbrechen – man merkt bald einmal, dass sich eine weniger spektakuläre Fahrweise in der Rundenzeit positiv auswirkt. Wie immer zählt die „runde Fahrweise“.
Ich markiere von den sechs Piloten die viertschnellste Zeit – zunächst jedoch leide ich Höllenqualen. Die Rennhandschuhe sehen zwar gut aus – doch gegenüber den dicken Skihandschuhen der anderen Piloten haben sie den Nachteil, dass man noch vor Halbzeit glaubt, die Finger würden einem abfrieren. Immer wieder mache ich auf den Geraden ein paar Handbewegungen, was jedoch so gut wie gar nicht hilft. Als ich endlich an die Box gewunken werde, bin ich beinahe erlöst – obwohl das Fahren immensen Spaß bereitet hat. Und: Ich war immerhin nur vier Zehntelsekunden langsamer als Manfred Windischbauer, das freut einen…
Erfolgreiches Qualifying: Startplatz 2
Patrick Winter und die beiden Manfreds können jeweils die zweitschnellste Zeit fahren – die Bestzeit ergeht stets an einen Piloten der „Laphunters“ rund um Rallye-Ass Alfred Kramer. So aber gelingt uns hinter den „Laphunters“ der direkte Aufstieg ins A-Finale. In der Superpole werden die Startplätze ermittelt – es treten drei Piloten pro Team für jeweils eine schnelle Runde an. Logisch, dass ich aussetze und die Profis ans Werk lasse. Was sich auszahlt – Startplatz 2 für den Hauptlauf, schneller waren wieder nur die „Laphunters“, wer sonst?
Vor dem einstündigen Rennen studieren wir während des B-Finales die Linien der anderen Piloten, die Profis geben Tipps. Zuvor haben wir beim Mittagessen die „Strategie“ entwickelt: Patrick Winter und Manfred Pfeiffenberger werden die ersten Turns fahren, als dritter Pilot wird laut einer alten Teamkart-Philosophie der schwächste Pilot eingesetzt. Ich erhalte also den dritten Slot, Manfred Windischbauer wird den finalen Turn bestreiten. Teamchef Stefan Schmudermaier hat die Aufgabe, die Piloten in einem 3 Minuten-Zeitfenster zum Fahrerwechsel herein zu holen. Ein Turn kann also zwischen 13 und 16 Minuten andauern. Der richtige Zeitpunkt ist wesentlich – denn zugleich dürfen nur zwei Piloten an die Box kommen, sonst heißt es anstellen und warten.
Der Start naht
Nach dem einstündigen B-Finale sieht die Strecke komplett anders aus, sie ist zerfurcht, es gibt zahlreiche Spurrillen, die Karts springen um die Kurven – zwar fährt ein Säuberungsfahrzeug einmal um den Kurs, doch dieses kann letztlich nur Kosmetik betreiben. Patrick Winter steht hinter Alfred Kramer auf dem zweiten Startplatz – wir fiebern dem Rennstart entgegen. Die Karts wurden vor dem Qualifying und auch vor dem Rennen verlost – schon bald sollte sich herausstellen, dass wir für den Hauptlauf nicht unbedingt das schnellste Geschoss gezogen haben…
Denn gleich am Start zieht Kramer davon, Patrick Winter belegt Platz 2, fällt jedoch sukzessive zurück. Winter kann jedoch die aufstürmenden Piloten hinter sich und damit Platz 2 halten, als er an Pfeiffenberger übergibt. Und auch der Eiskart-Profi kann sämtliche Angriffe parieren und den zweiten Platz halten. Kurz vor dem Fahrerwechsel rutscht einer unserer direkten Verfolger in den Tiefschnee – ich atme auf. Denn in der Theorie klingt es zwar gut, als „Noir-Train“ den zweiten Platz verteidigen zu wollen – in der Praxis sah das Ganze dann aber anders aus.
Fahrerwechsel – das Dilemma nimmt seinen Anfang
Der Fahrerwechsel klappt einwandfrei, die Veranstalter führten eine 10 Sekunden-Standzeit ein, sodass die Fahrer auf dem spiegelglatten Untergrund ohne Hektik wechseln konnten. Ich bin beruhigt – denn noch nie zuvor bin ich von der rechten Seite in ein Kart gestiegen – das bleibt mir auch jetzt erspart, da die 10 Sekunden ausreichen, sodass Pfeiffenberger links aussteigen und ich von der gleichen Seite aus einsteigen kann. Kaum sitze ich drinnen, beschlägt sich das Visier. Einzige Lösung: Visier auf – und raus!
Auf der Strecke ereilt mich der große Schock: Die rumpelige Strecke ist wirklich total rumpelig – und zwar viel, viel schlimmer, als es von außen ausgesehen hat – viel schlimmer als man es sich überhaupt vorstellen kann. In den Kurven springt das Ding wie ein wild gewordener Geißbock, ständig werden dem Kart Schläge versetzt, ständig hat man das Gefühl, es klopft hinten jemand an.
Um nicht wieder komplett eingefrorene Hände zu erhalten, bot mir Teamchef Stefan Schmudermaier seine Wollhandschuhe an, welche ich über die Rennhandschuhe zog. In der Theorie eine tolle Lösung - in der Praxis erwies sich dies jedoch als schlechter Zug – denn der Bewegungsspielraum meiner Finger war nun ziemlich eingeschränkt. Nach wenigen Runden war das Kältegefühl wieder da – doch zudem konnte ich die Finger jetzt nicht mehr voll abbiegen. Auf einer Mitfahrt mit Altmeister Stig Blomqvist war es beeindruckend zu sehen, wie elegant und locker der 62-jährige das Lenkrad quasi nur mit zwei Fingern bedient hat – bei mir hingegen ist es so, dass mir das Lenkrad in den Händen herumspringt, weil ich die Finger nicht mehr komplett abbiegen kann. Das Lenken wird immer anstrengender – und längst passiert, was wir vorausgeahnt haben: Die Konkurrenz klopft an.
Ich halte mich an unsere Abmachung: Zur Not sich mit dem Überholtwerden abfinden und den Turn zügig zu Ende fahren – nur eines vermeiden: Einen Abflug in den Tiefschnee.
Der Schneehaufen wartet…
Als ich gerade vom nächsten Fahrer überholt werde, gibt es plötzlich einen Schlag, ich befinde mich nicht exakt auf der Ideallinie und schon rutscht das Ding in einen Schneehaufen – an einer völlig bescheuerten Stelle. Dabei bin ich längst erschöpft – jetzt aber heißt es Aussteigen und das Kart aus dem Schneehaufen befreien. Mit reduzierten Kräften dauert dies jedoch eine Ewigkeit, wir verlieren Platz um Platz, das Kart ist viel schwerer als ich das vermutet hätte. Und weil ich niemandem im Weg stehen möchte, warte ich einige Piloten ab, ehe ich dann endlich das Kart in Position habe, mich rein schwinge und weiterfahre. Die Sitzschale habe ich freilich nicht vom Tiefschnee befreit, was mit einer Wischbewegung recht schnell gemacht werden hätte können – und das Wohlbefinden für den restlichen Turn deutlich gesteigert hätte.
Der restliche Turn wird zu einer Ewigkeit. Ich sitze im eiskalten Schneesitz und kämpfe gegen die Finger, die ich nicht komplett abbiegen kann. Manfred Stohl sagte mir einmal, dass eine Stärke von Spitzenpiloten wie Sébastien Loeb darin besteht, dass sie sich nach einem Fehler keine Sekunde darüber ärgern, sie sich sofort wieder auf die Fahrt konzentrieren können. Ganz gelingt es mir nicht, ganz im Gegenteil: Ich ärgere mich maßlos über das Missgeschick und die verlorenen Plätze.
Die Freude am Fahren…
Ich versuche dann aber, die Freude am Fahren wieder zu finden, zumal von hinten ohnehin niemand mehr Druck ausübt – doch das ständige Rumspringen, die klammen Finger und die Eiseskälte sorgen dafür, dass mein Blick dennoch auf jeder Runde sehnsüchtig in Richtung Teamchef gleitet: Wann holt mich der endlich rein?
Ich versuche, rund zu fahren und konstant und vor allem versuche ich, das giftige kleine Ding auf der Strecke zu halten. Ich bin nicht der einzige, der im Tiefschnee gelandet ist – immer wieder fahre ich an gestrandeten Konkurrenten vorbei.
Ich übergebe
Dann ist es so weit – ich werde hereingeholt, übergebe an Manfred Windischbauer. Als ich ausgestiegen bin, spüre ich die Erfrierungserscheinungen nicht nur an den Händen und auf dem nassen Hintern, sondern auch in den Füßen, die Kartschuhe waren wohl auch zu dünn. Weil ich ins Auto mich umziehen und aufwärmen muss, sehe ich nicht, wie Manfred Windischbauer unser Rennen zu Ende fährt – Platz 5 belegen wir, Platz 2 wäre möglich gewesen. Den Sieg holen, wenig überraschend, die Kärntner „Laphunters“.
Natürlich geht es bei einer solchen Veranstaltung in erster Linie um den Spaß – doch Profis wie Winter oder Pfeiffenberger wollen immer gewinnen. Trotzdem nehmen sie meinen Lapsus mit Humor – und schließlich steht noch das Pokerturnier auf dem Programm, welches zur Endwertung herangezogen wird.
Poker-Rookies sind unberechenbar
Ich rechne dabei mit dem Schlimmsten, da sich meine Poker-Erfahrungen auf Würfelpoker beschränken. Sehr viel Erklärungen in punkto Spielregeln gibt es nicht – ich lerne quasi am Pokertisch. Ist das Blatt schlecht, setze ich aus – und erfreue mich am Anblick meiner Jetons. Das sprichwörtliche Anfängerglück lässt mich immer länger im Turnier bleiben - die Konkurrenten tun sich sichtlich schwer mit meiner Unberechenbarkeit. Und so bleibe ich am längsten auf dem Spieltisch, während meine Teamkollegen (Stefan Schmudermaier nahm für Manfred Pfeiffenberger Platz, der früh abreisen musste) bereits ausgefallen waren. Irgendwann kommt dann auch für mich das „Olin“ (ist das richtig geschrieben?) und schließlich der Abgang vom Spieltisch.
Platz 3 in der Gesamtwertung
Am Ende belegt unser Team den dritten Platz im Pokerturnier und rückt damit in der Gesamtwertung wieder auf Platz 3 vor. Mehr als Platz 2 hinter den überlegenen „Laphunters“ wäre ohnehin nicht möglich gewesen. Letztlich jedoch war es eine spannende Erfahrung – rein körperlich war das Eiskartrennen anstrengender als die Weiz-Rallye oder das BMW Challenge-Rennwochenende. Es hat Spaß bereitet, es war auch eine Qual – so wie mitunter auch eine solche Qual aus irgendeinem Grund Spaß bereitet – fragen Sie einen anerkannten Psychologen oder einen Dakar- oder Eiskart-Teilnehmer.
Die Veranstaltung war jedenfalls sehr gut organisiert. Und wieder einmal durfte ich quasi die Höhen und Tiefen des Motorsports am eigenen Leib erfahren – das ist auch nötig, um über diesen Sport berichten, um sich in die Protagonisten hineinversetzen zu können. Daher also: Jederzeit wieder bereit – das nächste Mal jedoch mit 5 Paar Socken, speziellen Handschuhen und hoffentlich etwas mehr Glück…