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Hintergründe zum Unfall

Motorline.cc fasst den Unfallhergang zusammen und hat mit dem Rennteilnehmer und OSK-Fahrervertreter Hermann Waldy gesprochen.

Johannes Gauglica / Stefan Schmudermaier

In den letzten Tagen war der schreckliche Unfall beim Bergrennen in St. Agatha in so gut wie allen Tageszeitungen zu finden, oftmals aber schlecht recherchiert und offenbar mit aus dem Zusammenhang gerissenen Interviews – siehe rechte Navigation, Statement Gerwald Grössing - versehen.

Motorline.cc hat versucht, die Geschehnisse aufzuarbeiten und so etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Was ist wirklich am Sonntag, den 20. September 2009 um 11:30 Uhr kurz vor dem Ziel des Bergrennens in St. Agatha passiert? Wen trifft die Verantwortung dafür? War so ein Unfall absehbar? Was sind die Konsequenzen für die Zukunft?

Rally&More-Redakteur Werner Schneider war beim Rennen vor Ort, auf seinen Recherchen beruhen die Infos zum Unfallhergang. Der Unfall geschah auf dem geraden Stück zwischen der vorletzten und letzten Kurve der Strecke. Dies ist eine schnelle Passage auf den letzten 300 Metern vor dem Ziel, vor der vorletzten Kurve wird nicht gebremst, sondern nur vom Gas gegangen.

Ernst Zink im Ford Escort Cosworth kam eingangs dieser Rechtskurve auf das außenseitige Bankett. Das Fahrzeug drehte sich nicht von der Strecke, sondern kam nach einigen Metern wieder auf den Asphalt zurück. Dadurch wurde kaum Geschwindigkeit abgebaut.

Nachdem die Räder auf dem Asphalt wieder Grip bekamen, verließ das Auto auf dem geraden Teilstück in einer abrupten Richtungsänderung die Straße – und zwar nach rechts, entgegen allem, was man bei einem solchen Unfallhergang erwarten würde.

Der Wagen rutschte zunächst eine Böschung abwärts, verfehlte dann in der Wiese einen Telefonmast um weniger als einen Meter. Von einer Steigung noch immer kaum gebremst, hob das Auto dann auf einer Bodenwelle ab uns segelte völlig unkontrollierbar in Richtung der Anhöhe.

Dort befand sich auf einer kleinen befestigten Zufahrtsstraße die Zuschauerzone. Und dort wurden durch den Aufprall zwei Zuschauerinnen getötet und zwei weitere schwer verletzt.

Waldy: "Doppelt tragisch"

Hermann Waldy ist bei der OSK einer der Fahrervertreter für den Bergrennsport. Der Kärntner, der in St. Agatha auch selbst mit seinem Formel 3000 am Start war, ist klarerweise zutiefst bestürzt über die Ereignisse:

"Wenn Unbeteiligte zuschaden kommen, ist das doppelt tragisch. Ich fahre seit 1987 Bergrennen, in dieser gesamten Zeit hat es nur zwei Ereignisse gegeben, bei denen Zuschauer zu Schaden gekommen sind, einmal am Alpl und leider jetzt. Ansonsten kann ich mich nicht erinnern, dass bei einem Bergrennen den Zuschauern etwas passiert wäre."

Waldy hat sich die Unfallstelle nochmals genau angesehen, sein Resümee: "Das Verhängnis war, dass sich das Auto nicht gedreht hat. Dann ist es auf das Bankett gekommen, ohne dass die Geschwindigkeit durch einen Rutscher signifikant vermindert worden wäre. Bei dieser Geschwindigkeit hatte der Fahrer keine Chance, noch gegenzulenken."

Die Strecke ist an der Stelle, wo das Fahrzeug den Asphalt verlassen hat, sechs Meter breit: „Berücksichtigt man die Reaktionszeit und die gefahrene Geschwindigkeit, war das Auto schon neben der Strecke, bevor der Fahrer reagieren konnte.“

Wie muss man sich eine Streckenbegehung vorstellen? Die Strecke wird nach einem Protokoll abgenommen, das im Vorfeld von den Verantwortlichen bei der Bezirkshauptmannschaft in Zusammenarbeit mit der OSK festgelegt worden ist, erläutert Hermann Waldy: "In diesem Protokoll sind die Auflagen enthalten, also auch der Minderstabstand der Zuschauerzonen zur Strecke und wo sich Sperrzonen zu befinden haben. Bei gewissen Strecken, wie bei neuen Veranstaltungen, werden auch die Fahrervertreter zugezogen. In St. Agatha wurden seit 1987 laufend Verbesserungen vorgenommen."

An der fraglichen Stelle hat der Veranstalter mehr Abstand zwischen Strecke und Zuschauerzone gelassen als ihm eigentlich vorgeschrieben war.

Welche Lehren können aus einem solchen Unfall, der in seinem Hergang offenbar nicht voraussehbar war, gezogen werden? Waldy sieht eine Möglichkeit in noch strengeren Regeln für Zuschauerbereiche: "An sich ist jede Richtungsänderung theoretisch eine Gefahr. In Hinkunft dürfen wir Zuschauer nur mehr in Zonen lassen, wo sie wirklich sicher sind; alles andere wären dann Sperrzonen."

Diese Regel wird bei Bergrennen seiner Erfahrung nach auch konsequent durchgesetzt: "Heuer in Kitzeck waren Zuschauer in der Gefahrenzone, der Rennleiter hat den Bewerb abgebrochen! Denn es will niemand, dass irgendjemandem etwas passiert. Man trifft Sicherungsmaßnahmen ja nicht für die Behörde, sondern für sich selbst."

Die Geschwindigkeiten am Berg steigen allerdings stetig, immerhin sind dort Fahrzeuge wie Waldys 580 PS starker Formel 3000 oder Allrad-Tourenwagen wie Ernst Zinks Ford Escort RS Cosworth mit ungefähr 620 PS: "Die Strecke in St. Agatha ist seit 1987 unverändert, damals waren die Bestzeiten bei 1:15 Minuten. Heute liegen sie bei 1:07. Man muss sich überlegen wie man die Schnittgeschwindigkeit reduziert. Ein Reduzieren der Leistung bei Bergrennen sehr schwierig, denn es fahren so viele verschiedene Kategorien mit."

Mit einem Schnitt von 160 km/h ist St. Agatha die schnellste Strecke in Österreich. Das liegt daran dass es hier anders als bei anderen Rennen keine Spitzkehren gibt. Die wirksamste Maßnahme zur Drosselung der Geschwindigkeiten sind bauliche Änderungen an der Strecke: "Der Einbau einer Schikane, durch die man zum Beispiel auf 70 km/h abbremst, wo man vorher 230 km/h gefahren ist." - In der Unglückspassage in St. Agatha wäre für eine Schikane allerdings kaum Platz.

Beim Fazit zu dieser Tragödie verfällt Hermann Waldy unwillkürlich, und wohl nicht unbegründet, in die Vergangenheitsform: "St. Agatha war immer ein schönes Rennen, das auch von den Zuschauern sehr gut angenommen wurde. Es waren im Schnitt 15.000 bis 20.000 Menschen dort. Man sieht, wenn es schlecht hergeht, können auch an scheinbar harmlosen Stellen Unfälle passieren."

Die Gedanken aller Motorsportfans und Aktiven sind jetzt bei den Hinterbliebenen der Todesopfer, denen auch Motorline.cc tiefempfundenes Mitgefühl aussprechen möchte. Den beiden Schwerverletzten, die noch dazu einen so tragischen persönlichen Verlust erlitten haben, gelten unsere besten Wünsche für vollständige und baldige Genesung.

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