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Schlechte Zeiten für die Klassensieger

Schnell zu sein genügt nicht - die Sieger der Nachwuchsklassen wie Montagny, Farfus, Wirdheim oder Briscoe müssen sich hinter den Paydrivern anstellen...

Michael Noir Trawniczek

Die Königsklasse des Automobilrennsports – die Spitze einer Pyramide, bestehend aus den verschiedenen Nachwuchsklassen. Die Gipfelluft ist dünn, nur 20 Renncockpits sind zu haben. Blauäugig betrachtet sollte man nun meinen, es wäre in der Formel 1 ähnlich wie im Fußball, dass also die Tabellen der verschiedenen Kategorien über den Aufstieg der Bewerber entscheiden würden. Dass also in der Königsklasse die aufstrebenden Sieger und die Champions der unteren Ligen den etablierten Formel 1-Stars das Leben schwer machen würden... – doch die Realität spricht eine andere Sprache...

Wer steigt im kommenden Jahr in die Königsklasse auf? Zsolt Baumgartner hat ein Angebot von Minardi auf dem Tisch liegen, der Ungar bestritt 2003 bereits zwei Grand Prix für Jordan – Baumgartner wurde 2003 in der Formel 3000 „glorreicher“ Vierzehnter der Gesamtwertung. Gianmaria Bruni ist einer der Aufsteiger, der Italiener hat seinen Minardi-Vertrag bereits in der Tasche – in der Euro-F3000 wurde er 2003 Dritter, doch der überlegene Klassensieger heißt Augusto Farfus. Der Mann holte nicht nur den Fahrertitel, sondern auch für seinen Rennstall den Sieg in der Teamwertung, und das beinahe im Alleingang - Teamkollege Sven Heidfeld konnte nur einmal Punkte an Land ziehen.

Noch ein Mann hat in diesem Jahr einen überlegenen Klassensieg gefeiert – der Schwede Björn Wirdheim, in der Formel 3000. Doch Wirdheim kam über Testgastspiele nicht hinaus. Ebenfalls überlegener Meister wurde der Franzose Franck Montagny in der Nissan World Series. In der Formel 3-Euroserie heißt der Klassenbeste Ryan Briscoe. Den F3-International Cup gewann Pierre Lapierre. Britischer F3-Meister wurde 2003 Allan van der Merwe. Blauäugig betrachtet sollte man meinen, die Teams würden sich auf diese Dominatoren geradezu stürzen. Doch weit gefehlt – in den Formel 1-Startaufstellungen der Saison 2004 wird man sämtliche der genannten Klassensieger vergeblich suchen. Montagny und Briscoe dürfen testen, Farfus und Wirdheim müssen sich nach Alternativen umsehen – immerhin konnte mit Christian Klien der Vizemeister der F3-Euroserie bei Jaguar ein Renncockpit ergattern...

Doch ohne Red Bull-Millionen wäre vielleicht auch der Österreicher durch den Rost gefallen. Das Problem in der Formel 1 heißt Geldknappheit. Als Nachwuchspilot genügt es heutzutage nicht mehr, „nur“ den Klassensieg an Land zu ziehen, man muss schon auch mit einem anständigen Sponsorenpaket das Überleben des künftigen Arbeitgebers in der Formel 1 finanzieren. Im wahrsten Sinne des Wortes ein Armutszeugnis für die Königsklasse...

Die Formel 3000 beispielsweise – von der Theorie her gilt sie als die oberste Nachwuchsklasse direkt unter der Formel 1. Mit Justin Wilson schaffte es 2003 immerhin der Meister des Jahres 2001 in die Königsklasse, doch der Brite zerbrach an jenem Mann, der im selben Jahr in der F3000 Vizemeister wurde, an Mark Webber. Im Jahr 2002 wurde Sebastien Bourdais F3000-Champion, Vizemeister wurde Giorgio Pantano – den Aufstieg schafften beide nicht. Im Jahr 2001 hieß der Meister Bruno Junqueira, der Vizemeister Nicolas Minassian, keiner der beiden konnte sich in der Formel 1 etablieren. Im selben Jahr wurden Mark Webber und Fernando Alonso Dritter und Vierter der Jahreswertung...

Während im Jahr 2003 noch mit Ralph Firman der Britische Formel 3-Meister des Jahres 1996 bzw. der Formel Nippon-Champion 2002 sowie mit Cristiano da Matta der CART-Meister des Jahres 2002 sowie mit Antonio Pizzonia der Britische F3-Meister des Jahres 2000 den Aufstieg schafften, wird man 2004 höchstwahrscheinlich keinen Klassensieger als Rookie in der Königsklasse begrüßen dürfen. Stattdessen könnte der Schotte Allan McNish bei Jordan sein Renncomeback geben – McNish war bereits 1990 Testpilot bei McLaren, seine wirklichen Erfolge erzielte er im Tourenwagen, als Formelpilot waren seine Leistungen mittelprächtig, er fuhr jahrelang unauffällig in der F3000 mit...

Sollten die Newcomer des Jahres 2004 beispielsweise Klien, Bruni und Baumgartner heißen, wäre kein einziger Klassensieger dabei. Dies wiederum passt recht gut in den Trend – neben Michael Schumacher befindet sich auch kein einziger Weltmeister mehr im Formel 1-Felde. Für den Champion des Jahres 1997, Jacques Villeneuve, ist kein Platz mehr in der Königsklasse....

An der Spitze herrscht Trägheit. Ralf Schumacher wird bei BMW-Williams 2004 seine sechste Saison antreten – Highlight: zweimal Vierter in der WM, 2001 und 2002. David Coulthard sitzt schon acht Jahre im McLaren-Mercedes, 2004 wird er zum neunten Male den WM-Titel anstreben – Highlight: Vizemeister 2001, 2002 wurde er Fünfter, 2003 dann Siebenter der Jahreswertung. Rubens Barrichello tritt 2004 zu seinem fünften Ferrari-Jahr an. In dem überlegenen Fahrzeug konnte der Brasilianer in vier Jahren sieben Siege an Land ziehen, Teamkollege Michael Schumacher stand in der selben Zeit satte 35mal ganz oben auf dem Siegerpodest...

In eines der drei Topteams aufsteigen konnte in den letzten Jahren lediglich Kimi Räikkönen – der Finne gilt als künftiger Weltmeister, fightete in diesem Jahr um den Titel – doch in der nackten Statistik scheint Räikkönen derzeit noch mit lediglich einem einzigen Sieg auf. Ob es sich für aufstrebende Kometen wie Mark Webber oder Fernando Alonso noch ausgehen könnte, vor Ablauf ihrer Karriere noch in einem Topteam zu landen und damit um den Titel kämpfen zu können, ist fraglich. Nick Heidfeld war Mercedes-Junior, doch bei den Silbernen bevorzugte man den mittelmäßigen Schotten. Der ehemalige F3000-Champion aus Mönchengladbach muss nun hoffen, bei Jordan unterzukommen. Giancarlo Fisichella geht 2004 in sein neuntes Formel 1-Jahr, der Römer gilt als Ausnahmetalent – ob sein Traum, im italienischen Kultteam Ferrari unterzukommen, jemals in Erfüllung gehen wird, steht in den Sternen...

Die Scuderia Ferrari und der herausragende Michael Schumacher haben in den letzten Jahren die Königsklasse dominiert wie sonst niemand zuvor – deren Erfolge dürften aber auch der Auslöser für den „Nachwuchsstau“ in der obersten Klasse des Automobilrennsports sein. Schumacher besteht auf einem Nr.1-Vertrag, einen Juan Pablo Montoya oder einen Kimi Raikkonen würde der Deutsche nicht an seiner Seite akzeptieren. Die „Nr.1b“ darf dann in die Presche springen, wenn der Sechsfachweltmeister einmal nicht auf Sieg unterwegs ist. Der Rest der Welt scheint gar nicht mehr zu wissen, wie es ist, den Weltmeister zu stellen, denn der heißt seit 1999 immer nur Michael Schumacher.

Man könnte meinen, bei Spitzenrennställen wie McLaren-Mercedes würde man daher alles dafür tun, um zwei Piloten mit Titelpotential im Team zu haben, um die Serie der Scuderia endlich zu brechen. Die Titelträume des Herrn Coulthard mutierten doch längst schon zu einer Art Treppenwitz im Fahrerlager der Formel 1. Man hätte 2004 einem Nick Heidfeld oder einem Alex Wurz eine Chance geben können – immerhin könnte 2005 bei den Silbernen mit Juan Pablo Montoya und Kimi Raikkonen ein hochkarätiges Fahrerpaar an den Start gehen. Und vielleicht wird dann sogar für einen der Youngsters ein Platz bei Williams frei werden, vielleicht werden Teams wie Renault und Toyota zu den Topteams stoßen...

Derzeit allerdings ist die Situation für Nachwuchsrennfahrer alles andere als rosig: Personalstabilität oder eben Trägheit an der dünnen Spitze, eine große finanzielle und dadurch auch sportliche Kluft zwischen den Spitzenteams und ihren Verfolgern, und Einsteigerrennställe, welche ums nackte Überleben kämpfen und somit nur mit prall gefülltem Geldkoffer erreichbar sind. Piloten wie Augusto Farfus, Ryan Briscoe, Franck Montagny oder Björn Wirdheim, die ihre Serien in diesem Jahr wahrlich dominiert haben, müssen sich hinter den Paydrivern anstellen. Schlechte Zeiten also für die wahren Champions...

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