Formel 1: Exklusiv | 11.08.2004
Das Leben als F1-Urlauber – Gerhard Berger im Gespräch mit motorline.cc
Ex-BMW-Direktor Gerhard Berger über sein Leben als F1-Urlauber, die wilden Teamchef-Gerüchte, die F1-Reform und F1-Rookie Christian Klien.
Michael Noir Trawniczek
Fotos: Andreas Wiesbauer / motorline.cc
Ex-BMW-Motorsportdirektor Gerhard Berger war auch bei der Ennstal-Classic im BMW-Leiberl unterwegs – der Tiroler stieg in den letzten Monaten in verschiedenste legendäre Rennwagen. In Imola fuhr er den Lotus von Ayrton Senna, in Shanghai den Ferrari von Michael Schumacher, in Gröbming einen geschichtsträchtigen Porsche 908.
In den Medien ist Formel 1-Urlauber Gerhard Berger ein Dauerbrenner. Niemand kann und will sich scheinbar vorstellen, dass Berger eine Formel 1-Pause einlegt. Bei Ferrari, dem durch die Medienlandschaft geisternden „All American Team“ von Red Bull-Boss Dieter Mateschitz, ja sogar bei BMW-Konkurrent Mercedes wurde der Tiroler munter in eine leitende Position hineingeschrieben.
Im exklusiven Gespräch mit motorline.cc erteilte er all den Gerüchten eine Absage, machte sich Gedanken zur Formel 1-Reform und zu seinem Nachfolger auf der Rennstrecke, Formel 1-Rookie Christian Klien. Gerhard Berger und Frank Williams haben Jenson Button im Jahr 2000 zu den Weiß-Blauen geholt - das Interview wurde vor der umstrittenen Rückkehr des Briten zu Williams für 2005 geführt.
Gerhard, du fährst hier bei der Ennstal-Classic einen Porsche 908. In diesem Jahr bist du bereits mit dem Lotus von Ayrton Senna gefahren und unlängst hast du bei der Eröffnung des Shanghai-Circuit einen Ferrari von Michael Schumacher pilotiert. Hast du dabei das große Geheimnis der Ferrari/Schumacher-Dominanz erfahren?
Gerhard Berger: Ich bin in Shanghai mit dem Ferrari aus dem Vorjahr gefahren. Es gibt da kein großes Geheimnis, auf das ich stoßen hätte können. Bei Ferrari passen einfach alle Komponenten gut zusammen. Es ist ein stabiles Team. Die Schlüsselpositionen sind seit Jahren gleich besetzt. Die Ingenieure, das Testteam, die Qualitätskontrolle. Jeder weiß, was er zu tun hat, es ist alles klar geregelt. Ferrari ist ein perfekt eingespieltes Team.
Wenn ich ein Formel 1-Team gründen möchte – was rätst du mir da? Worauf kommt es an?
Gerhard Berger: Auf den Sponsor. Du brauchst auf jeden Fall einen guten Sponsor.
Red Bull…
Gerhard Berger: Egal welcher Sponsor, Hauptsache das Budget ist da. Ohne einen entsprechenden Geldgeber kann heute niemand mehr Formel 1 betreiben. Die Kosten sind einfach viel zu hoch, die kleinen, privaten Teams tun sich schwer.
Red Bull und das “All American Team” - da bist du als Teamchef durch den Medienwald gegeistert. Zuvor auch als Mercedes- oder Ferrari-Boss. Was ist dran an all diesen Geschichten?
Gerhard Berger: Da ist gar nichts dran. Das waren alles nur Spekulationen.
Es juckt dich derzeit also nicht in den Fingern?
Gerhard Berger(lacht): Nein, zurzeit juckt mich gar nichts, ich genieße einfach mein Privatleben.
Was hältst du von der Regelreform, den Sparmaßnahmen, dem Haltbarkeitsmotor?
Gerhard Berger: Das finde ich schon in Ordnung so. Es müssen einfach die Kosten gesenkt werden. Ich sehe eigentlich nicht, dass die Show schlechter wurde, sie leidet in meinen Augen nicht so sehr unter den Sparmaßnahmen.
Leiden tun zumindest die Piloten. Am Freitag oder in den freien Trainings wird wegen dem Motorenschonen weniger gefahren...
Gerhard Berger: Ja, das stimmt, es wird im Training ein bisschen weniger gefahren. Aber ich glaube nicht, dass deshalb die Show darunter leidet. Und am Freitag wurde schon immer etwas weniger gefahren.
Ist das nicht ein großer Nachteil für einen jungen Piloten, wenn er weniger zum Fahren kommt? Wenn er beispielsweise die Strecke gar nicht kennt und dann doch jede Runde neue Erkenntnisse bringt. Stirling Moss sagte, er sei 150 Tage pro Jahr im Auto gesessen.
Gerhard Berger: Klar will man als Fahrer möglichst viele Runden drehen. Andererseits wird heute sehr viel getestet, mehrere tausend Kilometer pro Jahr. Die Piloten kommen schon noch zum Fahren. Sie müssen sich auch körperlich fit halten, haben viele andere Verpflichtungen.
Mathias Lauda macht das sehr gut, finde ich. Er fährt in zwei Serien, der Formel 3000 und der Euro 3000.
Gerhard Berger: Ja, klar, prinzipiell ist es natürlich gut, wenn man so viel wie möglich im Auto sitzen kann.
Beim letzten Rennen in Hockenheim gab es so viele Überholmanöver wie schon lange nicht. Was glaubst du - woran liegt das?
Gerhard Berger: In Hockenheim gab es wirklich sehr viele Überholmanöver im Feld. Es wurde deutlich mehr gekämpft als sonst. Das liegt zu einem großen Teil an der Streckenführung. Man braucht heute eine bestimmte Kombination aus einem geraden Stück und einer Spitzkehre. Und diese Spitzkehre muss auch wiederum breit genug sein, um nicht nur am Kurveneingang sondern auch beim Rausbeschleunigen überholen zu können. Hermann Tilke hat das in Bahrain und beim neuen Hockenheimring sehr gut gelöst. Auf vielen Strecken aber ist das Überholen schwierig geworden.
Wenn man dicht hinter einem anderen Piloten her fährt, gelangt man in die „Dirty Air“. Wie würdest du als ehemaliger Formel 1-Pilot diesen Zustand beschreiben?
Gerhard Berger: Der Wagen schiebt Luft vor sich her - ein Formel 1 hat natürlich weniger Luftwiderstand als ein normales Auto - er schiebt aber trotzdem Luft vor sich her. Und diese Luft macht man sich mit den Flügeln und anderen aerodynamischen Teilen zunutze, sie sorgen aufgrund ihrer Gestaltung für den aerodynamischen Abtrieb. Wenn du jetzt dicht hinter einem anderen Wagen herfährst, erhält dein Auto weniger Luft, der Abtrieb wird geringer. Man spürt das deutlich als Fahrer. Das Auto ist weniger stabil. Das Überholen wird aber auch durch die extrem kurzen Bremswege erschwert, das liegt an den Carbon-Bremsscheiben.
Gab es die „Dirty Air“ auch schon zu jener Zeit, in der du in die Formel 1 gekommen bist oder kam dieses Phänomen erst später?
Gerhard Berger: Am Anfang war davon eigentlich noch nichts zu spüren. Am Ende war das dann schon der Fall.
Viele Fahrer wollen schon lange einen Beschnitt der Aerodynamik. In den neuen FIA-Regeln steht jetzt eine Aerodynamik-Reduktion von rund 25 Prozent.
Gerhard Berger: Klar. Das wird und wurde von vielen Fahrern gewünscht und es ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung.
Die Frage wird sein, ob die 25 Prozent ausreichen. Es wurden halt teure Windkanäle angeschafft – den Formel 1-Teams fällt es recht schwer, hier abzurüsten...
Gerhard Berger (schmunzelt): Klar wollen sie das nicht.
Neben der Aerodynamik will man die Formel 1-Boliden auch über die Reifen, mit extrem harten Mischungen, einbremsen.
Gerhard Berger: Das halte ich für den richtigen Weg, die immer schneller werdenden Formel 1-Autos einzubremsen. Man ist heute am Limit angelangt, man fährt oft mehr als drei Sekunden schneller als im Vorjahr und mit härteren Mischungen kann man die Autos gezielt einbremsen.
Die Reform von FIA-Präsident Max Mosley ist also der richtige Weg?
Gerhard Berger: Ja, die Formel 1 muss eingebremst und die Kosten müssen reduziert werden.
Mosley ist kurzfristig zurückgetreten und hat wenig später seinen Rücktritt vom Rücktritt erklärt. Würde dich dieser Job interessieren?
Gerhard Berger: Nein, da besteht kein Interesse.
Christian Klien sagte, er ist in Hockenheim eines seiner bislang besten Rennen gefahren. Doch die Ausfallsrate ist niedrig, für Punkte ist es sich nicht ausgegangen...
Gerhard Berger: Man sollte den Christian nicht unterschätzen. Er ist oft sehr nahe an Mark Webber dran und in manchen Trainings ist er sogar schneller als sein Teamkollege. Und Webber ist ein anerkannt schneller Rennfahrer. Christian muss viele Strecken lernen, ist dort zum ersten Mal unterwegs. Er hatte auch viel Pech – in den Rennen, in denen er sicher WM-Punkte kassieren hätte können, ist er jeweils in der ersten Runde nach einem Crash ausgefallen.
Es ist für einen jungen Fahrer nicht leicht, sich da nicht aus dem Konzept bringen zu lassen. Und das hat Christian aber locker genommen und sehr gut gelöst, er hat in Hockenheim alles richtig gemacht, das hat auch sein Team honoriert. Er braucht nur auf diesem Level weiterfahren, dann kommen auch die Punkte.
Jaguar hat eine Option auf Christian für 2005. Wie schätzt du die Chancen ein, dass diese eingelöst wird?
Gerhard Berger: Ich glaube er hat gute Chancen. Jaguar hat eine Option auf Christian, die im September eingelöst werden muss. Jaguar wird sich das dann genau anschauen und eine Entscheidung treffen.
Mark Webber wechselt nächstes Jahr zu BMW-Williams...
Gerhard Berger: Mark Webber hat bei Jaguar einen tollen Job abgeliefert, er fährt immer wieder in die Punkteränge. Er hat es sicher verdient, in einem Top-Team zu fahren.
Kann man also abschließend sagen, dass der Gerhard Berger einfach sein Leben genießt und hin und wieder zwecks Fun in einen geschichtsträchtigen Boliden steigt?
Gerhard Berger (lächelt): Ja, genau so ist es. Ich genieße es sehr, wenn ich so ein Auto fahren kann. Und sonst mache ich derzeit einfach nur noch, was mir Spaß bereitet.
Ich wünsche dir also noch viel Spaß. Und Herzlichen Dank für das Gespräch.
Gerhard Berger: Gern geschehen.