Formel 1. News | 16.03.2004
Begegnung zweier Racer
Im Interview schilderte der zu McLaren wechselnde Juan Pablo Montoya die von Höhen und Tiefen gezeichneten Jahre mit Frank Williams.
„A Killer In A Car“, nannte Frank Williams seinen Kolumbianer, und es war als Kompliment gedacht. Jetzt arbeiten die beiden Charakterköpfe Juan Pablo Montoya und Sir Frank Williams das letzte Jahr Seite an Seite.
In einem großen Interview mit dem Guardian ließ Montoya seine ersten Begegnungen mit dem britischen Rennfuchs Revue passieren. Die Beziehung der beiden war von Beginn an eine knisternde, ein von Höhen und Tiefen gezeichnetes Aufeinandertreffen zweier Vollblutracer...
1997 lud Williams den damals in der Formel 3000 erfolgreichen Montoya ein, das Saisonfinale von den Williams-Boxen aus zu genießen. Dem folgte eine Einladung in die Williams-Fabrik. Dann wurde es ernst, Montoya erzählt: „Als Frank sagte, er würde mir einen Formel 1-Test geben, dachte ich: ‚Es ist mir egal, ob ich Rennen fahren kann oder nicht – aber ich kann sagen, dass ich einen Formel 1-Boliden gefahren bin’. Dann fuhr ich diesen Test, der verlief gut und am Ende des Jahres dachte ich, dass mir Frank ein Cockpit geben würde. Aber ich erhielt es nicht.“
Doch weitaus ärgerlicher erschien dem Kolumbianer, dass Williams ihn trotzdem nicht bei Eddie Jordan fahren lassen wollte: „Ich sagte zu Frank: ‚Na hör mal, du willst mich nicht nehmen, aber du möchtest mich auch nicht zu einem anderen Team gehen lassen?’ Ich dachte: ‚Ich bin erledigt. Frank möchte mich nicht in seinen Autos Rennen fahren lassen und er möchte auch nicht, dass ich für jemand anderen Rennen fahre’.“
Williams hatte einen ganz anderen Plan mit Montoya. Bekanntlich verschaffte der „Rollstuhlgeneral“ seinem Schützling ein Cockpit in der amerikanischen ChampCar-Serie.
Montoya sagt heute: „Die zwei Jahre in Amerika waren fantastisch. Die Leute im Team waren großartig. Die ganze Atmosphäre – das war einfach unglaublich.“ Unglaublich waren auch die Erfolge, die Montoya in den USA erzielen konnte. Gleich in seinem ersten Jahr gewann er die Champ Car-Meisterschaft. Im Jahr 2000 gewann Montoya auch noch das prestigeträchtige Indy 500.
2001 war es dann endlich soweit. Montoya durfte sich den weiß-blauen Williams-Overall überstreifen. Bald schon spürte er den Unterschied zwischen Champ Car und Formel 1 – die Politik.
Bald schon gab es einen Patrick Head, der dem Kolumbianer mangelnde Disziplin vorwarf, auch körperlich. Montoya sagt dazu: „Sicher trainiere ich. Nur: Ich gehe nicht herum und erzähle den Leuten, dass ich es tue. Bei einigen Rennen waren die Leute ganz schön überrascht, als andere Fahrer völlig erschöpft aus ihren Boliden kletterten und ich vollkommen okay war.
Da fragten sie dann: ‚Oh, welche Übungen machst du eigentlich?’ Ich sagte: ‚Ach, du weißt eh, ein bisschen dies, ein bisschen das’.“ Montoya lacht sich ins Fäustchen. „Ich reite auf meinen Motorrädern, spiele Tennis, schwimme. Vier Wände, Gewichte und Leute, die nach Scheiße riechen – das ist nichts für mich.“ Der Interviewer des Guardian verrät, dass Montoya auch Kickboxen betreibt, er habe dafür einen persönlichen Trainer, doch Montoya wäre „verdammt, wenn er das öffentlich zugeben“ würde.
Was Montoya von Beginn an ebenfalls „nicht riechen“ konnte, war die ungleiche Bezahlung gegenüber seinem Teamkollegen Ralf Schumacher. Der Weltmeisterbruder soll dreimal so viel wie Montoya erhalten haben.
Auf die Frage, ob die beiden auch mal auf ein Bier gehen würden, reagiert Montoya so, „als ob es eine Scherzfrage gewesen wäre“, wie der Kollege amüsiert berichtet. „Ich bin kein großer Fan von Bier, um ehrlich zu sein. Sagen wir so: Ich war jetzt drei Jahre mit Ralf im selben Team und wir kamen gut miteinander aus. Aber ich würde mich niemals mit ihm in ein Restaurant setzen. Ich habe nichts gegen ihn, aber wir haben absolut nichts gemeinsam.“
Dennoch entstand eine unübersehbare Rivalität zwischen den beiden Williams-Piloten. Williams habe dies zudem verstärkt. Montoya schildert: „Das erste Jahr in Monaco. Ich kämpfte mit einem derart großen Untersteuern, dass ich fast nicht um die Kurven kam. Sie sagten: ‚Nein, Ralf hat überhaupt keine Probleme.’ Ich erwiderte: ‚Es interessiert mich nicht, was Ralf hat oder nicht hat – ich habe Untersteuern!’ Das war das größte Problem, als ich zu Williams stieß. Ich sagte, ich hätte dieses und jenes Problem und sie sagten immer, dass Ralf das besagte Problem aber nicht habe.“
Juan Pablo Montoya hat sich bei Williams scheinbar immer ein wenig als der „ungeliebte Sohn“ gefühlt. Der Grand Prix von Frankreich 2003 dürfte ein Schlüsselerlebnis für Montoya gewesen sein. Ralf Schumacher kam eine Runde früher als geplant an die Box, in der Folge konnte Ralf vor Montoya bleiben und das Rennen gewinnen. Montoya schrie: „Ihr seid alle ein Haufen Scheiße. Jeder von euch.“ Chefingenieur Sam Michael soll geantwortet haben: „Nein Juan, du bist die Scheiße.“ Wenig später unterschrieb Montoya bei Ron Dennis...
Montoya sagt dazu: „Ich sollte nicht zu viel sagen. Aber ich erzähle es dir. Nach dem Monaco-Grand Prix verhandelte ich mit Frank Williams. Frank sagte: ‚Ich gebe dir dies, und das und jenes. Ich werde dir den Vertrag am Freitag senden.’ Das Gespräch war an einem Mittwoch. Dann vergingen zwei Monate. Nichts passierte. Zur selben Zeit kam McLaren auf mich zu. Und ich hab’ einfach unterschrieben.“
In seinem Bericht schildert Autor Grace Bradberry auch eine imposante Autofahrt mit Juan Pablo Montoya. JPM habe damals schelmisch grinsend zu dem sich verzweifelt am Haltegriff festklammernden Journalisten gesagt: „Du brauchst die Türe nicht zuzuhalten. Sie geht nicht von alleine auf.“
Ein ähnliches Erlebnis hatte auch der langjährige Pressesprecher des A1-Rings, Armin Holenia. Im Rahmen unserer Serie „F1-Backstage – Österreichs Formel 1-Reporter“ erzählte Holenia, wie er als Betreuer des Marko-F3000-Teams, für welches Montoya damals fuhr, an der Seite des Kolumbianers von Silverstone ins nahe gelegene Hotel gefahren ist:
„Das waren rund 18 Kilometer, die mein Leben geprägt haben. Da hat er mir eigentlich gezeigt, was Autofahren ist, indem er immer auf der verkehrten Straßenseite gefahren ist und dann auf einen Entgegenkommenden zugefahren ist, gewartet hat, wie der reagiert und dann erst im letzten Moment hat er reagiert, indem wieder rübergezogen ist. Also ich habe die Retourfahrt dann selber bestritten. Ich habe gesagt, ich fahre nicht mehr mit ihm. Weil das tue ich mir nicht mehr an.“ Nachsatz: „Aber der Montoya ist ein Typ. Er ist ein Racer.“