Formel 1: News | 01.08.2004
Ennstal-Classic: Antithese zur Formel 1
100.000 Motorsportfans erlebten bei der 12. Ennstal-Classic legendäre Boliden und Fahrer-Legenden aus nächster Nähe. Racing zum Anfassen.
Michael Noir Trawniczek
Fotos: Andreas Wiesbauer & Studio Glöckner
Die 12. Ennstal-Classic hat gestern einen furiosen Finaltag erlebt. 100.000 Zuschauer haben in der Steiermark die Antithese zur gegenwärtigen Marketing-Politik der Formel 1 erleben dürfen. Statt majestätischer Unnahbarkeit und elektronischer Drehkreuze gab es geschichtsträchtige Rennwagen zum Anfassen und autogrammschreibende Weltstars ohne Berührungsängste.
Emerson Fittipaldi, Mr. Bean Rowan Atkinson, Gerhard Berger, John Surtees, Sir Stirling Moss, Jochen Maas, Christian Klien und viele mehr frönten bei der dreitägigen Automobil-Rallye dem lustvollen Autofahren – glühten über verträumte Alpenstraßen oder beim „Grand Prix“ am Samstag, auf einem Rundkurs in Gröbming, nur wenige Zentimeter an den begeisterten Zuschauern vorbei...
Ferrari gegen Mercedes. Wie in der Formel 1 wird auch bei der Ennstal-Classic um Hundertstelsekunden gefightet – die Piloten und ihre Navigatoren respektive Beifahrer müssen einen vorgegebenen Schnitt einhalten. Und wie in der Formel 1 hieß das Duell Ferrari gegen Mercedes, setzte sich am Ende der Ferrari durch. Gewonnen hat keiner der Weltstars, sondern der Österreicher Rudolf Schraml, Sieger der Jahre 2000 und 2001, mit seinem Navigator Helmut Artacker, auf einem Ferrari 275 GTS Spider. Dahinter zwei der zahlreich vertretenen Mercedes-Benz 300 SL – das österreichische Duo Dr. Brandstetter/Mag. Hochfelsner vor Heinz Schmitt/Ralf Kracker aus Deutschland.
Emmo. Freitag Abend. Ankunft von Emerson Fittipaldi. Eingeflogen aus jenem Land, in dem man ihn ehrfurchtsvoll „Vater des brasilianischen Motorsports“ nennt. Ein in den brasilianischen Nationalfarben eingekleideter Fan brachte unzählige Emmo-Poster in die Tauernregion, Mr. Fittipaldi signiert und signiert. Sein Gesicht ist so aufregend wie sein Leben - zweifacher Formel 1-Weltmeister, einmal mit Lotus, einmal mit McLaren, dann das Scheitern mit dem eigenen Formel 1-Rennstall, die Wiedergeburt in Übersee – zweimaliger Sieger des Indy 500, CART-Champion des Jahres 1989. Aber auch schwere Unfälle, 1997 gar ein Flugzeugabsturz...
Emmo nippt an seinem Espresso und sagt: „Morgen fahre ich mit dem Alfa Romeo P3, mit dem Tazio Nuvolari 1935 auf dem Nürburgring die Silberpfeile besiegt hat. Ich bewundere Nuvolari. Er war ein begnadeter Fahrer und es gab damals keine Sicherheit, keine Gurte, gar nichts, zero...“ Sein eigenes CART-Team wird es im nächsten Jahr wieder geben: „Ich hör nicht auf mit dem Rennsport.“ Am Samstag dann sah man Fittipaldi mit Lederhaube und dicker Zigarre im Mund seinen P3 durch Gröbming pilotieren...
Mr. Bean. „Mr. Bean“ Rowan Atkinson war derart begehrt, sodass die sein Auto umzingelnden Menschentrauben ihn an der Einhaltung der Zeitvorgaben hinderte und er nur Platz 115 belegen konnte: „Ich habe mich gar nicht getraut, mein Auto zu verlassen“, scherzte Atkinson. Schlimmer noch traf es Stirling Moss, Franz Klammer oder auch Jochen Maas, die vorzeitig aus der Wertung fielen.
Klien und Berger. Österreichs Formel 1-Pilot Christian Klien brachte zu seinem einzigen Österreich-Auftritt seinen Großvater und seinen Vater mit, holte sich im VIP-Zelt Tipps von Gerhard Berger. Stirling Moss erzählte dem Hohenemser, dass er in seiner Karriere 150 Tage im Jahr in einem Rennwagen saß, dass er 52 Rennen pro Jahr bestritten habe. Klien sagt dazu: „Man konnte früher neben den Formel 1-Grand Prix auch Sportwagen-Rennen bestreiten. Heute ist das von den Verträgen her nicht machbar. Man ist an sein Team vertraglich gebunden und man hat viele Verpflichtungen zu erfüllen. Testen, PR-Aktionen und du musst auch körperlich fit sein und jeden Tag ausgiebig trainieren.“
Partner statt Sponsor. Wieder sind zahlreiche Medienvertreter aus aller Welt nach Gröbming gereist. Wieder haben die Autowerke ihr Familiensilber in die Steiermark gebracht. Das Interesse steigt. Motorsport pur ist gefragt wie nie zuvor, die entrückte und machtgeile Stellwanderotik der Königsklasse macht Veranstaltungen wie die Ennstal-Classic zu einer Oase in einer Presseaussendungswüste. Einen großen Anteil leistet dabei auch Hauptsponsor Tele.ring – CEO Michael Kramer lud im VIP-Zelt zum Brunch. Motorsportjournalist Helmut Zwickl, gemeinsam mit Michael Glöckner Veranstalter der Ennstal-Classic, verrät sein Konzept: „Wir betrachten Sponsoren nicht als jemanden, der einfach nur zahlt oder den man abzockt. Sie sind keine Sponsoren sondern Partner, die für ihr Geld auch was geboten bekommen.“
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