Formel 1: News | 17.12.2004
Spielberg: Ein Fall für James Bond?
Ein Geheimvertrag zwischen Regierung und Red Bull. Ein Brief des Umweltministeriums. Und Politiker, die von nichts gewußt haben wollen.
Die Red-Bull-Motorsportakademie auf dem Gelände des ehemaligen A1-Rings in Spielberg: Zuerst war da der negative Umweltbescheid, dann kam die Katerstimmung nach der verbitterten Absage durch Dietrich Mateschitz, danach die Aufbruchstimmung und die Treueerklärung der Region und auch der Bundespolitik. Doch jetzt muss ein Schuldiger gefunden werden, der A1-Ring liegt in Schutt und Asche.
Die einzigartige Idee einer Motorsport-Akademie, die für junge Talente eine große Hilfe sein hätte können und richtungsweisend in der Nachwuchsarbeit des Motorsports gewesen ist, wird von Schuldzuweisungen und politischem Hickhack überschattet. Der Region drohen Millionenverluste und auch der Verlust zahlreicher und dringend benötigter Arbeitsplätze. Jetzt wird gebohrt und recherchiert – man möchte wissen: Was ist da eigentlich wirklich passiert?
Dass die Landesregierung dieses Projekt, welches für die Region so lebenswichtig wäre, unbedingt durchziehen wollte, wurde bislang nur vermutet. Doch jetzt tauchen Dokumente auf, welche belegen sollen, dass die Landesregierung wissentlich Umweltbedenken ignoriert habe.
Brief vom Umweltministerium
Den steirischen Grünen wurde ein Papier zugespielt, ein Schreiben des Umweltministeriums, adressiert an das Wirtschaftsressort der steirischen Landesregierung, datiert mit 9. Oktober 2003. Hier soll laut Klubchefin Ingrid Lechner-Sonnek die Landesregierung darüber informiert worden sein, dass die Unterlagen der von Red Bull eingereichten Umweltverträglichkeitsprüfung „zahlreiche formale und wesentliche inhaltliche Mängel aufweisen“. Dabei soll es sich um eine penible Auflistung vieler Punkte handeln, die man ändern hätte müssen. „Warum ist man mit dieser minutiösen Stellungnahme nicht sorgsamer umgegangen?“, fragt Lechner-Sonnek die Kleine Zeitung.
Die Politiker antworten, die Politik sei nicht informiert gewesen. Der Wirtschaftslandesrat, der Empfänger des Briefes, ist mittlerweile ein anderer, Gerhard Schöpfer, er hat das Ressort im April übernommen. Aber das sei auch egal – denn laut Schöpfer habe ein allfälliges Versäumnis deshalb nichts mit der Politik zu tun, da diese nicht über das Verfahren informiert gewesen sei. Das erwähnte Schreiben sei nur zu dem zuständigen Beamten gelangt, dieser habe die Politik nicht informiert. Der Beamte heißt Udo Stocker und er bestätigt gegenüber der Kleinen Zeitung, dass er „keine Rücksprache mit der Politik“ gehalten habe und es dahingehend auch „keine politische Weisung“ gegeben habe.
Geheimvertrag
Jetzt stellt sich die Frage: Warum hat es keine politische Weisung gegeben? Warum ist das Schreiben des Umweltministeriums bei dem Beamten hängen geblieben und nicht beachtet worden? Der Standard hat eine mögliche Antwort präsentiert – man hat „einen Geheimvertrag vorliegen“ – abgeschlossen zwischen der steirischen Landesregierung und Red Bull. In diesem „unter Verschluss gehaltenen“ Vertrag würden „Red Bull beachtliche Leistungen versprochen worden“ sein, die Vereinbarung würde von einer „Mach' ma' schon-Stimmung getragen“ werden, heißt es da.
Bislang hat sich der Fall so präsentiert, dass Red Bull das Opfer einer schlampigen oder gar absichtlich Bedenken ignorierenden, wegen der wirtschaftlichen Lage hyper-engagierten Landespolitik wurde, ohne darüber Bescheid zu wissen. Tatsächlich könnte Red Bull niemals über die Bedenken des Umweltministeriums erfahren haben, da das erwähnte Schreiben ja bei dem Beamten liegen geblieben ist.
Zugleich gibt es aber, wie es scheint, den erwähnten Geheimvertrag. Dieser kann ja nur vorliegen wenn es ihn gibt - es sei denn, er wäre gefälscht. Red Bull soll darin auf Seite 4 zugesichert worden sein, dass „ab Vertragsabschluss für die Errichtung der Motorsportakademie und eines Hotels notwendige bauliche Vorarbeiten und Probebohrungen ungehindert durchgeführt werden können.“ Und „im Hinblick auf baulich geplante Investitionen“ verpflichte sich das Land, „sämtliche hierfür notwendigen baurechtlichen Zustimmungen zu erteilen“. In dem Vertrag soll auch geregelt sein, dass Red Bull keinerlei Verpflichtung hat, den „ursprünglichen Zustand“ des A1-Ring-Areals wiederherzustellen.
700 oder 200 Millionen?
Angezweifelt wurde oder wird die Höhe der von Red Bull geplanten Investition in der Region Spielberg. Bislang wurde von einem „700 Millionen Euro-Projekt“ gesprochen. Der österreichische Wirtschaftsminister Martin Bartenstein hat nun erklärt, dass Red Bull lediglich 200 Millionen investieren wolle. Die restlichen 500 Millionen würden von den anderen Gesellschaftern wie Magna, KTM oder VW investiert werden. Der Standard hat jedoch bei den Firmenkonzernen nachgefragt, alle drei haben ihre Mitwirkung an dem Projekt dementiert...
Es stellt sich nun die Frage: Wie kann es überhaupt einen solchen „Geheimvertrag“ zwischen einer Firma und einer Landesregierung geben? Und wenn dieser Vertrag eine Gültigkeit hat, dann hätte doch die Landesregierung diesen schwer gebrochen, und Red Bull müsste klagen können – denn der negative Umweltbescheid bricht ja deutlich das Versprechen, „sämtliche baurechtlich notwendigen Zustimmungen zu erteilen“. Aber eben – die Landesregierung hat ja, wie sie sagt, nichts von den Bedenken des Umweltministeriums gewusst.
Wäre man zynisch oder im politischen Kabarett zuhause, könnte man nun sagen: Die österreichische oder besser die steirische Politik wurde zu Unrecht in ein schiefes Licht gestellt, dort und auch bei Red Bull haben alle korrekt gearbeitet, denn es hat ja niemand etwas von den Umweltbedenken gewusst. Schuld ist dieser eine Beamte, bei dem der Fall in der Schublade liegen blieb. Jetzt gilt es wohl, die Ausbildung der Beamten zu verbessern...