Formel 1: Interview | 09.02.2006
"Wollten wir nicht die Kosten minimieren?"
Toyota-Technikdirektor Mike Gascoyne beantwortete im Rahmen der Testfahrten die Fragen der F1-Journalisten, motorline.cc war auch vor Ort.
Michael Noir Trawniczek
Bei den Testfahrten in Spanien stellte sich Toyota-Technikdirektor Mike Gascoyne im Rahmen der von Toyota in deren Hospitality abgehaltenen Frage-und-Antwort-Sessions den Fragen der Journalisten, motorline.cc war auch vor Ort.
Sie fahren in dieser Testsaison erstmals mit dem Bridgestone-Reifen - wie liefen die Tests bislang? Ist es bei den eher kühlen Temperaturen nicht schwierig, die Reifen richtig zu evaluieren?
Mike Gascoyne: Es läuft gut. Und natürlich stimmt das - man hat im Winter immer viel Graining. Man hat dann in Folge des Grainings viel Reifenabbau am Heck. Aber das ist ein typisches Winterproblem, das ist normal.
Sie haben Zugriff auf die reifenspezifischen Daten anderer Bridgestone-Teams - ist das hilfreich?
Mike Gascoyne: Ja, das hilft uns schon. Ich denke, durch dieses Abkommen erkennt man leichter, wo man in Relation zu den anderen steht. Vor allem aber erhält man ein deutlicheres Bild von den Reifen, die man gerade testet. Wir müssen unser Feedback klarerweise unabhängig von den anderen Teams an Bridgestone abliefern - dies aber bedeutet, dass dort ein Pool an Informationen entsteht. Was zur Folge hat, dass wir schneller entwickeln können.
Für Bridgestone dürfte dieses Übereinkommen, die Daten zu teilen, sehr wichtig gewesen sein?
Mike Gascoyne: Ich denke, sie wussten, dass sie sich ins eigene Fleisch geschnitten haben, indem sie sich nur auf ein Team konzentriert haben. Und ich denke, dass Ferrari das auch realisiert hat. Daher haben alle Beteiligten zugestimmt, die reifenspezifischen Daten zu teilen. Aus meiner Sicht betrachtet haben wir schon immer so gearbeitet, wir haben auch mit Michelin auf diese Art und Weise gearbeitet und das ist auch jene Arbeitsweise, die wir bevorzugen. Sowohl Ferrari als auch Bridgestone haben realisiert, dass sie diese Informationen brauchen und dass es notwendig ist, diese auch zu teilen.
Wird man auch nach dem Beginn der Rennsaison diese Daten teilen?
Mike Gascoyne: Ich hoffe, dass diese Vereinbarung bei allen gemeinsamen Tests eingehalten wird, denn sie ist hilfreich für die schnellen Leute. Okay, du machst etwas und teilst diese Information - und sicher profitieren dann manch andere davon - doch so lange davon Bridgestone profitiert, erhalten wir alle einen besseren Reifen.
Konnten Sie den Bridgestone-Reifen bereits in der Windkanalarbeit berücksichtigen?
Mike Gascoyne: Wir haben von Bridgestone Reifen für die Windtunnelarbeit erhalten. Das war also kein Problem, den Reifen und seine Deformierung in diese Arbeit mit einzubeziehen.
Wie würden Sie die verschiedenen Reifenfabrikate beschreiben - wodurch unterscheiden sie sich?
Mike Gascoyne: Das ist nicht so leicht zu beantworten. Was die Performance in der ersten Runde betrifft, sah Bridgestone schon immer sehr konkurrenzfähig aus. Was die Standfestigkeit betrifft, sieht es nicht allzu schlecht aus - ich denke, wir haben eine sehr klare Richtung erhalten, und wir sind da sehr zuversichtlich, dass diese Richtung auch stimmt. Natürlich gibt es noch viel Arbeit zu erledigen.
Fast alle Teams haben sehr kleine Seitenkästen und daher auch kleinere Kühlereinlässe an ihren neuen Autos - glauben Sie, dass dies für die Kühlung ausreichen wird?
Mike Gascoyne: Lasst uns sehen, was am Freitag- und am Samstagabend in Bahrain, beim ersten Saisonrennen, in den Boxen der Teams passiert. Da wird man dann sehen, ob man es richtig oder falsch gemacht hat. Eigentlich kann man nur vom Freitagabend sprechen, denn am Samstagabend stehen die Autos ja im Parc Fermé, da kann man dann ja nicht mehr an den Kühleinlässen arbeiten.
Ich komme aus Österreich und bei dem österreichischen F1-Team von Red Bull gab es ja Überhitzungsprobleme aufgrund der zu kleinen Kühleröffnungen - gab es bei Toyota auch solche Probleme? Beziehungsweise fürchten Sie, dass es dann in den wärmeren Regionen im Laufe der Saison zu Überhitzungsproblemen kommen könnte?
Mike Gascoyne: Wir haben keinerlei Probleme mit der Kühlung - und ich kann die Probleme der anderen Teams nicht kommentieren. Aber die Frage der Kühlung sollte eigentlich ein Gebiet sein, über das man Bescheid weiß. Ich war überrascht, dass es Leute gab, die im Dezember einen Shakedown in Silverstone vornahmen und dabei Kühlungsprobleme hatten. Wenn das passiert, dann hast du wirklich große Probleme.
Werden Sie in Bahrain testen?
Mike Gascoyne: Ich denke, logistisch gesehen ist es ein Albtraum, so kurz vor dem Saisonbeginn nach Bahrain zu gehen, auch vom Budget her. Ich meine, es sind natürlich nützliche Informationen, die man dort erhält - aber es ist nur ein Test und man muss dafür davor und danach auf einen Test verzichten. Man verliert dadurch also zwei Tests. Ich denke nicht, dass wir dort sein werden. Aber wollten wir nicht versuchen, die Kosten zu minimieren?
Die freiwillige Testlimitierung scheint heuer in die Binsen zu gehen, was sagen Sie dazu?
Mike Gascoyne: Naja, man muss dem vorhandenen Budget entsprechend vorgehen. Wir sind nicht Ferrari, dort wird wirklich ohne Limit getestet. Es ist wirklich schade, dass man nicht zehn von zehn Teams zu einer Zustimmung bewegen kann, wenn sich schon neun von zehn Teams einig sind. Wenn man nicht einmal eine freiwillige Testlimitierung hinbekommt, wie soll man dann in Zukunft Kosten einsparen?
Sie werden in Bahrain ein neues Aerodynamik-Paket einsetzen - wird es sich stark vom aktuellen Paket unterscheiden?
Mike Gascoyne: Ja, es wird vom Frontflügel bis zum Heckspoiler ein anderes Design aufweisen.
Ist das nicht recht teuer, schon in Bahrain wieder ein anderes Aero-Paket einzusetzen?
Mike Gascoyne: Nein, nicht wirklich. Es wäre sehr teuer, wenn wir den Wagen jetzt vorgestellt hätten und nur ein Monat später schon wieder ein neues Paket einsetzen würden. Nun hatten wir den Launch jedoch im November - wenn man betrachtet, wie viele Kilometer wir in der Zwischenzeit mit diesem Aerodynamik-Paket zurückgelegt haben, ist das in Ordnung - man verbraucht in dieser Zeit ohnehin sehr viele Komponenten. Sicher kostet es die Windkanalzeit. Aber wenn du neue Teile entwickelst und damit dann 3.000 Testkilometer absolvierst, sollte das okay sein. Wenn man damit vernünftig umgeht und die Weiterentwicklung gut organisiert, kann man die Kosten in Grenzen halten.
Wird der TF107 bereits in diesem Jahr getestet?
Mike Gascoyne: Nein, nicht wirklich, wir werden vermutlich in Monaco ein neues Auto [den TF106B, d. Red.] einsetzen. Was den TF107 betrifft, so ist der Plan, dass wir ihn im Januar 2007 erstmals einsetzen. Und auch da wird es so sein, dass wir dann beim Saisonstart 2007 ein neues Bodywork zum Einsatz bringen.
Wann wird der zweite Windkanal in Betrieb genommen?
Mike Gascoyne: Ich denke, es wird im September so weit sein - mit dem vollen operativen Einsatz werden wir dann im Januar 2007 beginnen.
Werden Sie da zwei identische Windkanäle zur Verfügung haben?
Mike Gascoyne: Sie werden nicht identisch sein. Der neue Windtunnel hat spezifische neue Features, die der alte nicht hat. Natürlich werden einige Komponenten einander gleichen, schon aus Kostengründen. Denn es ist günstiger, wenn man Ersatzteile hat, wenn man zwei 'rollende Straßen' hat, und so weiter. Natürlich können wir beide Windtunnels in der gleichen Konfiguration arbeiten lassen. Aber einer wird mehr für Real-Size-Testing konfiguriert sein, der andere vielleicht mehr für die Tests mit kleineren Modellen. Wir können da nach Belieben vorgehen, können aber auch beide Windtunnels in der gleichen Konfiguration laufen lassen.
Wie lange werden diese beiden Windkanäle pro Tag in Betrieb sein?
Mike Gascoyne: Wir planen, jeden dieser Windkanäle zirka 18 bis 20 Stunden am Tag laufen zu lassen.
Was sagen Sie zu dem neuen FIA-Regelvorschlag für die Saison 2008 und aufwärts, wonach man pro Saison nur noch zwei Aerodynamik-Änderungen vornehmen darf?
Mike Gascoyne: Also, wie man auf diese Art und Weise Kosten einsparen soll, kann ich nicht nachvollziehen - das erscheint mir lächerlich. Denn du möchtest bei diesen Änderungen ganz sicher einen aerodynamischen Vorteil gegenüber der Konkurrenz erzielen und du möchtest und musst diesen Vorteil dann eben auch für längere Zeit bewahren - daher wird man davor umso mehr Teile testen, um die richtige Änderung durchzuführen. Ich kann also nicht erkennen, wie hier Kosten gespart werden sollen.
Haben Sie sich bereits mit dem von der FIA vorgeschlagenen CDG-Flügel auseinander gesetzt?
Mike Gascoyne: Wir haben in Japan vor einiger Zeit ein Windtunnelprogramm laufen lassen. Dort haben wir uns dieses Konzept genauer angesehen.
Was halten Sie von diesem Konzept?
Mike Gascoyne: Ich denke, es ist eine interessante Idee - und ich denke, alle Teams gehen mit der FIA konform, dass man das Überholen erleichtern sollte. Abgesehen von dem CDG-Wing denke ich, dass wir uns alle zusammensetzen müssen und uns in Hinblick auf die Regeln ab 2008 überlegen müssen, wie wir das Überholen erleichtern und den Rennsport attraktiver gestalten können.
Wenn das Reglement völlig frei wäre, wie würde dann das optimale Formel 1-Auto aussehen?
Mike Gascoyne: Ah, es ist unmöglich, das zu sagen. Wir haben nun einmal dieses Reglement und es bringt wenig, davon zu träumen, wie ein solches Auto aussehen würde. Wir haben jetzt schon damit zu kämpfen, dass wir immer schneller werden und die Autos müssen ja auch zu den Rennstrecken, die wir befahren, passen - wir können die Autos nicht noch schneller machen.