Formel 1: Interview | 28.09.2006
motorline.cc am eckigen Tisch mit Christian Klien
Christian Klien lud zum Tischgespräch nach Schwechat: Über den Neubeginn, die Chancen bei Spyker, die Trennung von Red Bull, die Beziehung zu Dr. Marko und vieles mehr.
Michael Noir Trawniczek
Flughafen Wien, eine Hotel-Lobby - Christian Klien lud zur Gesprächsrunde. Der österreichische Medienwald sitzt an einem eckigen Tisch, mitten drin Christian Klien. Jeans und schwarzes Hemd, kein einziges Werbe-Logo. Hobbypsychologen würden sagen: Irgendwie sitzen da verschiedene Christian Kliens an diesem Tisch. Natürlich vollkommen blödsinnig - aber der Hohenemser weist wie jeder Mensch verschiedene Charakterzüge auf.
Zum einen selbstsicher, überzeugt davon, im kommenden Jahr in einem Spyker-Boliden an den Start zu gehen, sich seiner Qualitäten bewusst. Inklusive Pokerface. Der andere CK ist einfach traurig - es sind jene Momente, in denen man spürt, dass Klien eben auch traurig ist - nicht mehr und nicht weniger. Es ist jene Traurigkeit, die jeder kennt, der schon einmal etwas Langjähriges, beispielsweise eine Beziehung, als beendet betrachten musste. Es ist eine Traurigkeit, die automatisch mit einer Trennung einhergeht, zumindest dann, wenn es tiefe Verbindungen gab, wenn man es ernst meinte. Und dann gibt es scheinbar noch einen Christian Klien: Zum einen eine Art Schelm, der "heikle" Fragen mit einem viel sagenden, irgendwie geradlinigen Grinsen beantwortet und zum anderen ein 23jähriger Ex-Red Bull Junior, der gerade erst ein paar Tage "in Freiheit" lebt, der quasi die ersten Flugversuche ohne Flügel hinter sich gebracht hat.
Der Christian Klien 2006 hat mit dem Christian Klien 2003 nur noch wenig gemein. Die Trennung von Red Bull, wie sie Klien erlebt hat, unter den bekannten Umständen, ist mit Sicherheit harte Kost gewesen. Klien wuchs in der Red Bull-Welt auf, wie Truman Burbank in der "Truman Show". Ein harter Schnitt liegt hinter ihm - in aller Öffentlichkeit wurde Klien aus dieser seiner Welt "entsorgt", am Ende durfte er immerhin als derjenige auftreten, der um die Vertragsauflösung bat.
Nicht jeder, dem solches widerfährt, wird mit einer ähnlichen Kraft und Stärke, gepaart mit einem gesunden, zwangsweise ein wenig schwarzen Humor auftreten, wie es Klien an diesem Donnerstagvormittag tat.
Tischgespräch mit Christian Klien, Teil 1
Christian, erste Frage, ganz klar: Wie sieht es aus? Mit der Formel 1? Im kommenden Jahr?
Es sieht recht konkret aus mit der Formel 1. Nach dem letzten Rennen in Brasilien gibt es drei Wochen Testfahrten - das ist die Zeit, in der man am Verhandeln ist, in der man ins Gespräch kommt. Das ist halt eine Zeit, die man abwarten muss.
Du verhandelst zurzeit mit Spyker, aber auch mit verschiedenen Hersteller-Teams. Kannst du verraten, welche Teams das sind?
Das kann ich nicht wirklich - das haben die Teams nicht allzu gerne, dass man sie beim Namen nennt. Aber es ist ja ganz klar. Es geht darum, bei einem Hersteller ein Testcockpit zu erlangen.
Aber du bevorzugst das Renncockpit bei Spyker?
Ganz klar, ich bevorzuge den Rennsitz bei Spyker. Sicher, Spyker ist kein Topteam, kein Team, mit dem du von vorneherein Rennen gewinnen kannst. Aber das Team hat neue Besitzer - und die wollen recht fest Gas geben, so weit ich das sehe. Ich war auch bei einem Werksbesuch - ich habe mir das nächstjährige Auto im Windtunnel ansehen können, und auch die Struktur des Teams. Die Struktur verbessert sich stets, ein weiterer Pluspunkt ist sicher, dass sie den Mike Gascoyne unter Vertrag genommen haben. Daran sieht man auch, dass dieses Team weiterkommen will. Sie wollen auch einen Fahrer, der ihnen weiterhelfen kann, der Erfahrung hat und somit das Team weiterbringt.
Der neue Spyker im Windkanal - weißt du schon, welcher Motor in dem 2007er-Boliden installiert sein wird?
Also derzeit ist es ein Toyota-Motor - im nächsten Jahr wird es entweder ein Cosworth- oder ein Ferrari-Motor sein.
Was wäre dir persönlich lieber - Cosworth oder Ferrari?
(denkt lange nach) Nächstes Jahr werden die Motoren sowieso eingefroren, für die kommenden Jahre. Ich glaube, dass zwischen den Motoren kein allzu großer Unterschied besteht.
In punkto Haltbarkeit vielleicht?
Naja, Cosworth hat sich eigentlich recht gut gehalten, so viele Motorschäden hatten die nicht. Es gab zwar recht oft Defekte bei Williams-Cosworth, aber es war nicht immer der Motor der Grund, das kam eigentlich nicht so oft vor.
Der Rennsitz hat also absolute Priorität für dich?
Ganz klar, definitiv, ich bin ganz klar auf den Rennsitz fokussiert. Man kann das nächste Jahr auch als einen Neustart betrachten, nach drei Jahren Erfahrung in der Formel 1. Jetzt geht mein Weg eben ohne Red Bull-Unterstützung weiter. Spyker wäre ein Team, das genau wie ich neu starten will, das auch weiter nach vorne dringen will.
Wann kann man eine Entscheidung erwarten?
Man versucht natürlich, so früh wie möglich eine Entscheidung und eine Bekanntgabe zu erzielen. Aber zu der Zeit rund um den Brasilien-Grand Prix bis Ende Oktober hoffe ich, etwas ankündigen zu können - ich möchte zumindest schauen, dass die Frage bis spätestens Anfang November geklärt ist.
Bei Midland haben bislang alle Piloten eingezahlt - du glaubst, dass es bei Spyker anders sein wird?
Im Moment ist jedenfalls nicht die Rede davon, dass ich Geld bringen muss. Sie wollen sich dahingehend schon ein bisschen ändern, sie wollen keinen Bezahlfahrer im nächsten Jahr. Der Christijan Albers ist bereits fix und das zweite Cockpit ist wie gesagt noch nicht belegt. Aber Spyker möchte von dieser Bezahlfahrerschiene weg, um das Team weiter zu bringen.
Wer ist außer dir noch im Gespräch für das zweite Spyker-Cockpit? Tiago Monteiro hat man immer wieder gehört...
Naja, hören tut man viel. Ich weiß nur, wie meine Verhandlungen laufen - alles andere kann mir eigentlich egal sein.
Rückwirkend betrachtet: Woran ist die Beziehung zwischen dir und Red Bull letztlich gescheitert?
Wenn man es aus der Perspektive von Red Bull betrachtet, wenn man also lediglich die erzielten WM-Punkte heranzieht, dann steht es 14:2 für David Coulthard. Wenn man es aus einem anderen Blickwinkel betrachtet und beispielsweise zwei Defekte, die ich hatte, wegrechnet, beispielsweise Monaco und Montreal, dann würde es 12:10 für mich stehen, dann würde es ganz sicher total anders aussehen. Diese verschiedenen Perspektiven waren der hauptsächliche Grund dafür, dass es nicht mehr weiterging. Es gab dann noch die Champ Car-Option, die ich jedoch bis zum Grand Prix in Monza unterschreiben hätte müssen, was ich aber nicht annehmen konnte, weil ich bereits in Kontakt mit einem anderen Formel 1-Team stand, was mir auch zugesagt wurde. Herr Mateschitz sagte, es stehe mir frei, mich in der Formel 1 nach anderen Alternativen umzusehen
Die Punkte verzerren natürlich das Bild...
Es gab acht Rennen, in welchen David und ich beide die Zielflagge sahen - und in sechs von diesen acht Rennen lag ich am Ende vor ihm. Wenn man die Saison wirklich ganz genau analysiert und nicht nur die WM-Punkte heranzieht, dann erkennt man, dass es eigentlich sehr gut für mich aussieht. Man sollte nicht vergessen: Wir waren vom Auto her nicht in der Lage, aus eigener Kraft in die Punkteränge zu fahren, wir hatten sehr viele Defekte.
Dr. Marko tritt recht dominant auf. Er hat dich mehrfach öffentlich kritisiert. Wie sehr war Dr. Helmut Marko an dieser Trennung beteiligt? In Prozent?
(lacht) Das könnt ihr euch selbst ausrechnen. Im Endeffekt ist es eine Entscheidung von Red Bull. Sicher - die Meinungen von Dr. Marko und mir waren ein bisschen unterschiedlich. Und dass er kein großer Fan von mir war - das ist auch klar.
War die Beziehung zwischen dir und Dr. Marko schon einmal besser? Oder war das schon immer so?
Das war schon immer so.
Es ist also nicht erst entstanden, beispielsweise weil es ein Problem war, dass dein Vater immer dabei war, wie es die Gerüchteküche immer wieder in den Raum gestellt hat?
Sagen wir so: Marko war noch nie wirklich auf meiner Seite. Aber wie gesagt: Dr. Marko ist ein Teil von Red Bull. Und ich habe seitens Red Bull und von Dietrich Mateschitz immer eine sehr gute Unterstützung genossen - jetzt kann ich da nicht wirklich meckern. Es ist einfach nur schade, dass der Weg mit Red Bull nicht mehr weiter geht. Es wäre eine gute Möglichkeit gewesen, auch für die Red Bull-Junioren-Schiene wäre es perfekt gewesen: Vom Junior bis in die Formel 1. Es wäre schön gewesen, einfach weiterzumachen, nächstes Jahr mit einem guten Auto vorne mitzufahren. Das wäre eine perfekte Geschichte gewesen. Aber es ging wegen diverser Umstände nicht weiter, was für mich persönlich sehr schade ist.
Du hattest ja zwei Verträge - bei Red Bull Racing und bei Red Bull. Wurden beide aufgelöst?
Der Vertrag mit Red Bull Racing ist beendet, der Vertrag mit Red Bull ist nicht beendet - aber ich gehe nicht davon aus, dass es nächstes Jahr eine Unterstützung von Red Bull geben wird.
Du hast die Red Bull-Junioren erwähnt - Friesacher, Auinger, Ragginger, jetzt du - die Österreicher gehen reihenweise über Bord. Was sagst du dazu?
Das Junior-Projekt ist sehr gut, um bis in die Formel 1 aufzusteigen. Aber: Die Österreicher hatten es immer ein bisschen schwerer.
David Coulthard hat gesagt, er finde, du wärst zu früh in die Formel 1 gekommen, du wärst verheizt worden.
Ich war in der Formel 3, habe das Marlboro-Masters gewonnen, ich hatte ein sehr gute Formel 3-Saison. Ich hatte dann die Möglichkeit, in die Formel 1 aufzusteigen. Ich hatte einen Test bei Jaguar und war dabei sehr schnell unterwegs. Und wenn du die Möglichkeit hast, in die Formel 1 zu gehen, dann nützt du die natürlich sofort. Ein Jahr später kommt sie vielleicht nicht mehr, ich war damals 20 Jahre alt. Sicher war es ein schwieriges erstes Jahr bei Jaguar, aber da musst du einfach durch. Ich habe im ersten Jahr bereits recht viel lernen können, im zweiten Jahr habe ich noch einmal einen Riesensprung machen können.
Du wirst die kommenden Rennen im TV ansehen - wie schwer wird dir das fallen? Welches Gefühl wirst du dabei haben?
Es ist für mich kein Problem, um 7 Uhr in der Früh aufzustehen und das Freie Training, das Qualifying und das Rennen anzusehen. Ich werde mir das alles ansehen. Aber ich muss dazu sagen: ich bin im Kopf schon wieder viel weiter, ich bin eigentlich schon wieder in der nächsten Saison. Ich habe schon Pläne, wie es weitergeht - und darum ist das Zusehen nicht wirklich hart für mich.
Teil 2 der Tischrunde mit Christian Klien finden Sie in der Navigation rechts.